Redemanuskript Peter Hofelich

zum Nachtragshaushalt 2018/19

am 12. Dezember 2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

schon vor der Verabschiedung eines Nachtragshaushaltes, der, so die Finanzministerin über Monate hinweg, wenn es überhaupt einen geben wird, dann nur das gesetzlich Gebotene und unabdingbar Nötige abbilden soll, eines ergänzenden parlamentarischen Beschlusses zum 50 Mrd-Haushalt, der, so der Grünen-Fraktionsvorsitzende, kein ‚Wünsch dir was‘ bedeuten könne, eines Planwerks unseres Landes Baden-Württemberg, das, so die regierungsamtlichen schriftlichen Begründungen, vor allem den erreichten Ergebnissen in der Gemeinsamen Kommission von Kommunen und Land gewidmet sei, nehmen wir zur Kenntnis, dass die grün-schwarzen Maximen sich in ihr fast groteskes Gegenteil verkehrt haben.

Der Nachtragshaushalt ist nicht vielleicht sondern unabdingbar, platzt finanziell aus allen Nähten und geht weit über den notwendigen Zweck eines Nachtrags hinaus.

Herr Kretschmann, Frau Sitzmann und Grün-Schwarz haben mal wieder auf Fassade statt Klarheit gesetzt! Die Wirklichkeit hat sie eingeholt.

Aber noch weiter: Der Haushalt soll auch Ausdruck eines partnerschaftlichen Verhältnisses im Parlament sein.

Davon kann keine Rede sein. In anderem Sach-, aber in vergleichbarem Sinn-Zusammenhang lassen wir mal Ministerpräsident Kretschmann aus einer der vergangenen Plenarsitzungen zu Wort kommen.

In Sachen Digitalisierungsmittel des Bundes:

„Ich kämpfe gerade für Ihre Rechte“.

Derselbe, der die Vorwegentnahme im FAG erhöht.

Derselbe, der zum Nachtrag keinen Ton verlauten lässt?

Wo kämpft er denn für die Haushaltsrechte des Parlaments?

Es geht doch bei Grün-Schwarz nur noch um ‚teile und herrsche‘.

Alles hohle Worte …

Was Stil und  Prozedere dieses Nachtragshaushaltes angeht, kann ich dazu in Konkretisierung der Dialekt-Fachkonferenz des vergangenen Freitags nur sagen:

„Pfeifendeckel !“

Worte und Wirklichkeit klaffen bei Grün-Schwarz weit auseinander.

Von dem ‚Notwendigsten‘ keine Rede: Nachdem schon in der Einbringung durch die Regierung ein hohes Neu-Beantragungsvolumen von rund 3 Mrd. per Jahr veranschlagt wurde, sind noch 134 Änderungsanträge gefolgt, davon sage und schreibe 49 von den Koalitionsfraktionen, die im Ausschuss natürlich erwartungsmäßig durchgewinkt wurden, von deren Mehrzahl aber niemand wirklich sagen kann, warum sie nicht schon im Regierungsentwurf eingearbeitet waren.

Alles für einen bloßen Nachtrag so ungewöhnlich viele Änderungen und In der Einreichung zudem so kurzfristig, zudem im Zweck offenkundig mehrfach nachträgliche ‚Heft-Pflästerle‘ für exekutive Versäumnisse in den Ministerien im Verlauf der Haushaltsaufstellung, dass sogar unsere leistungsfähige und erfahrene Landtagsverwaltung mit einer Mail des Direktors die ‚weiße Flagge‘ gehisst hat.

Irgendwann gehe es auch um die Fürsorgepflicht für die Beschäftigten.

Dazu null Bereitschaft der Fraktionen von Grünen und CDU, wie auch der Ressorts, über auch noch so kleine und sinnvolle Anträge der Opposition auch nur zu reden.

Ich erwähne: Die Stützung kleiner notleidender Sender über die LFK. Alle sehen dies als notwendig an. Die Regierung zögert. Wegen 5 Mio. Euro!

Die konstante Zuschussgewährung für unsere Feuerwehr, statt eines nun vorgesehenen jährlichen Abzuges von 1 Mio. Euro, die bei Feuerwehren wie Bürgermeistern Vertrauen zerstört.

Den offenkundigen Bedarf, angesichts dramatisch rückgehender Schwimmbefähigung unserer Kinder ein Investitionsprogramm ‚modernisierte Schwimmbäder‘ mit 30 Mio. einzurichten.

Alles dringlich. Alles machbar. Alles fraktionsübergreifend sinnvoll.

Alles abgelehnt.

Sprechen wir es klar aus: Die Regierung Kretschmann und die sie tragenden grünen und schwarzen Fraktionen verkehren mit ihrem an den Tag gelegten Gebaren nicht nur ihre eigenen verbalen Ansprüche an den Nachtrag geradezu ins Gegenteil.

Sie liefern als Parlamentarier auch einen Stil der Macht-Arroganz ab, der deutlich unter dem freiheitlichen und konsensorientierten Niveau unseres Baden-Württembergs liegt.

In der Mitte der Legislatur hat sich in der Landespolitik ein Arbeitsstil entwickelt, der alles andere als Diskurs und Auseinandersetzung, geschweige denn Kompromiss ist.

Dazu kommen falsche Nacherzählungen:

Frau Sitzmann suggeriert, dass erst im grün geführten Finanzministerium der Dreiklang ‚Konsolidieren, Sanieren, Investieren‘ die Devise war. Falsch.

Herr Schwarz behauptet, dass die implizite Verschuldung erst unter grüner Finanzverantwortung abgebaut wurde. Falsch.

(Ging vielleicht als st.v. FV 2011-2016 nicht über Ihren Tisch, aber …. )

Und dazu kommen Versäumnisse:

Welcher Teufel hat sie geritten, den eigentlichen Anlass des Nachtragshaushaltes überhaupt entstehen zu lassen: die in jedem Fall anstehenden Einigungen in der gemeinsamen Kommission mit Städten, Gemeinden und Landkreisen?

Herr Kretschmann und Frau Sitzmann,
im Südweststaat, dem Bundesland der kommunalen Selbstverwaltung, kann man zwischen Land und Kommunen hart verhandeln.

Man kann aber keine taktische Fassade um ihrer selbst oder grüner Machtdemonstration halber aufbauen, bei der am Ende fast dasselbe zugestandene Ergebnis herauskommt, wie es ein dreiviertel Jahr vorher auch möglich gewesen wär – aber leider mit einem dreiviertel Jahr Verzögerung für unsere Kommunen!

Entgegen den subsidiären Sirenengesängen des Ministerpräsidenten: Sie haben ein taktisches und kein prinzipielles Verhältnis zu unserer freiheitlichen und sozialen kommunalen Selbstverwaltung!

Werte Kolleginnen und Kollegen,

Jetzt zum Inhalt. Wir haben als sozialdemokratische Fraktion intern viel zum Nachtrag debattiert und eine konsistente Position erarbeitet.

Hier ist sie:

  1. Wir begrüßen selbstverständlich die spät und mühevoll erzielten Ergebnisse der Gemeinsamen Kommission von Land und Kommunen. Allen diesbezüglichen Haushaltsansätzen stimmen wir zu. Von der Anpassung der Kindergartenzuschüsse bis zur Anschlussunterbringung war dies überfällig. Die Kommunen erbringen erhebliche Eigenleistungen, etwa beim ÖPNV, was nicht selbstverständlich ist.
  2. Wir konzentrieren uns als SPD bei unseren Forderungen auf investive, und damit einmalige Maßnahmen. Diese belaufen sich auf 722 Mio. Euro. Wir decken sie aus der Rücklage für Haushaltsrisiken. Dies ist angesichts der unbestimmten Widmung realistisch und vertretbar.
  3. Wir gegenfinanzieren unsere Vorschläge für strukturelle Mehrausgaben von 175 Mio. durch Minderausgaben bei Zinsen und realistischere Veranschlagungen bei einzelnen Einnahmetiteln.
  4. Wir kritisieren weiterhin im Urhaushalt getroffene Entscheidungen für personelle Mehrausgaben des Landes im ministeriellen Bereich. Insbesondere im ‚Wettrüsten‘ von Staatsministerium und Innenministerium.
  5. Wir begrüßen die von der Regierung, auch auf unser Drängen, eingesetzten Mittel beispielsweise in den Justiz-, der Innen- oder der Sozialverwaltung.
  6. Wir sehen die Titel, welche Beschlüsse des Bundes, hervorgehoben etwa bei der Unterhaltsvorschussregelung, umsetzen, als notwendig an.
  7. Wir sehen aber deutlich vier Investitionsschwerpunkte, welche die Landesregierung nicht energisch angeht, als Erfordernisse, die wir auch beantragen:

7.1     Es ist Zeit für die Entlastung von Familien. Die Ministerin kaschiert ihr politisches Desinteresse mit der absurden Fronstellung von Qualität gegen Beitragsfreiheit. Es ist aber aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit und aus der Durchlässigkeit unseres Bildungs- und Erziehungssystems heraus geboten, jetzt in den für Eltern kostenfreien Kindergarten einzusteigen. Mit einem ersten beitragsfreien Jahr. Wir taxieren das auf machbare 120 Mio. Euro im Jahr 2019.

7.2     Es ist Zeit für bezahlbaren Wohnraum. Die Ministerin kommt trotz eklatanter Mangelsituationen insbesondere in den Ballungsräumen nicht voran. Neben den kommunalen Anstrengungen, den Förderprogrammen des Landes und den sich weiter verbessernden steuerlichen Rahmenbedingungen des Bundes, brauchen wir eine Landesentwicklungsgesellschaft, die den Kommunen bei der Entwicklung neuer Wohngebiete zur Seite steht und ihre eigenständige Aufgabe stützt, sowie selber neue Wohnungen in Landes-Hand baut. Dafür sehen wir 321 Mio. als Gründungskapital vor.

7.3     Es ist Zeit für besseren ÖPNV. Der zuständige Minister erklärt permanent eigenen Versäumnissen hinterher. Wir wollen eine Fahrzeugbeschaffungs-Initiative von einmalig 50 Mio. In einer Welt der defekten Fahrzeugtüren und ausfallenden Lokomotiven werden wir damit für zusätzliches Material statt bloßen Austausch von Verschleißteilen setzen.

7.4     Es ist Zeit für endlich normalen Unterricht. Die zuständige Ministerin ersetzt strukturiertes Vorgehen durch nassforschen Stil. Mit 17 Mio. können wir uns Luft verschaffen, ein Sofortprogramm gegen Unterrichtsausfall zuwege bringen und sozial gerecht die Weiterbeschäftigung von zeitvertraglichen Lehrern über die Sommerferien sicherstellen.

7.5     Neben notwendigen Investitionen können wir auch mehr tilgen. Es sind 321,2 Mio. Euro, mit denen wir als SPD auf einen Ausgleich des sogenannten Schuldenkontrollkontos hinwirken wollen. Die LHO gebietet eben mehr als die 250 Mio. Euro, welche die Landesregierung vorsieht und wir haben als leistungsfähiges Baden-Württemberg auch mehr Möglichkeiten zur Tilgung.

Werte Kolleginnen und Kollegen,

wir leben in staatsfinanziell guten Zeiten. Deshalb muss der Nachtrag auch nachhaltig sein, damit wir in schwierigeren Zeiten nicht in Schieflagen geraten.

Nicht allen in unserem reichen Land geht es aber gut. Und vielen, denen es heute noch gut geht, spüren die Risiken der Zukunft. Die Befindlichkeit ist das eigentliche Risiko.

Wenn grün-schwarz jetzt eine Politik für ‚bella figura‘ macht, wird es schwierig für kommende Zeiten.

Wir Sozialdemokraten sind deshalb für eine konsequente Politik des ‚Investierens und Tilgens‘ statt des ‚Kaschierens und Konsumierens‘. Die Indizien, dass grün und schwarz sich auf Kosten der Zukunft arrangieren, mehren sich. Wir fordern grün-schwarz deshalb dazu auf, ihren Haushalts-Kurs zu korrigieren.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !

Es gilt das gesprochene Wort.

Ansprechpartner

Max Yilmazel
Berater für Finanzpolitik, Europa und Internationales