Fraktionschef Claus Schmiedel: „SPD und Grüne haben durch die Zusammenarbeit im Parlament auch ohne Untersuchungsausschuss wichtige Aufklärungsarbeit geleistet“

Fraktionschef Winfried Kretschmann: „Das System Fleischer zeigt, wie Lobbyismus zum Schaden des Landes funktioniert“

SPD und Grüne haben nach einer intensiven Auswertung ihrer parlamentarischen Initiativen und den von der Landesregierung vorgelegten Akten einen Abschlussbericht der Kiesaffäre vorgelegt. Die Analyse umfasst eine detaillierte Darstellung der Fakten, eine politische Bewertung des Regierungshandelns und Empfehlungen, die darauf abzielen, dass sich Vergleichbares nicht wiederholen kann. Außerdem kommen SPD und Grüne zu dem Schluss, dass Finanzminister Willi Stächele sich bei seiner Amtsführung nachweislich eine grobe Pflichtverletzung zuschulden kommen ließ und nicht mehr tragbar ist. SPD und Grüne stellen deshalb in der kommenden Plenarsitzung des Landtags gemeinsam den Antrag, den Minister zu entlassen.

Der Entlassungsantrag wird damit begründet, dass Minister Stächele – wie schon sein Vorgänger – den Staatssekretär und stellvertretenden Finanzminister Fleischer gewähren ließen, in Sachen Hochwasserschutz und Kiesverwertung trotz Regierungsamt als Interessenvertreter der Kiesindustrie Südbadens zu agieren. Fleischer gelang es, eine Entscheidung zugunsten der Geschiebezugabe um Jahre zu verzögern. Dabei sind durch die Verzögerung des Hochwasserschutzes für die betroffene Bevölkerung vermeidbare Risiken eingegangen worden und finanzielle Nachteile für das Land entstanden. Die Verantwortung des Finanzministers ergibt sich aus einem System des „organisierten Nichtwissens“, durch die der Staatssekretär Fleischer agieren konnte. Zwar haben auch die Umweltministerin Gönner sowie der damalige Staatssekretär des Innenministeriums Köberle einen Anteil an dem Geschehen, weil sie auf Drängen Fleischers weitere Verzögerungen billigten und die Geschäftsordnung der Landesregierung missachteten. Dennoch trägt letztlich der Finanzminister die politische Verantwortung für die Kies-Affäre, die nicht mit dem Rücktritt des Staatssekretärs als erledigt angesehen werden kann. Die beiden Fraktionen sind sich einig, dass ein Untersuchungsausschuss keine neuen Erkenntnisse gebracht hätte. Aufgrund der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hätten auch Schwierigkeiten bestanden, durch Vernehmung des Zeugen Fleischers neue Erkenntnisse zu gewinnen.

SPD und Grüne sehen den Haupterfolg ihrer parlamentarischen Ermittlungen darin, die Hintergründe der Affäre ans Licht gebracht zu haben. Mindestens genauso wichtig ist für sie aber, dass die Landesregierung auf Druck der Opposition dazu gebracht worden sei, ihre Blockade beim Hochwasserschutz aufzugeben. Durch die Aufklärungsarbeit der Opposition kann die Umsetzung des Hochwasserschutzprojekts nun endlich fortgesetzt werden.

„Die Opposition hat durch die Zusammenarbeit im Parlament den CDU-Filz im Land gemeinsam aufgeklärt“, sagte Schmiedel, und Winfried Kretschmann ergänzte: „Das ‚System Fleischer‘ zeigt, wie Lobbyismus funktioniert. Es funktionierte, weil niemand an der Lobby-Arbeit eines Regierungsmitglieds Anstoß nahm, es für den Normalfall hielt oder wie Stächele von diesem eminent wichtigen Vorgang keinerlei Kenntnis hatte.“

Mit ihren weiteren Vorschlägen wollen SPD und Grüne erreichen, dass ein „Fall Fleischer“ sich nicht wiederholen kann:

1. Die Kommunikationsdefizite der Regierung müssen beseitigt werden. Die Landesregierung wird aufgefordert, durch die Einführung von Berichtspflichten über wichtige Vorgänge sicherzustellen, dass alle beteiligten Minister und auch das Staatsministerium informiert werden.

2. SPD und Grünen fordern eine Verschärfung von Genehmigungs- und Veröffentlichungsvorschriften. Auch die unentgeltliche Wahrnehmung nichtöffentlicher (wirtschaftlicher) Interessen ist transparent zu machen. So kann die Öffentlichkeit erkennen, wo möglicherweise Interessenskonflikte bestehen.
Der Abschlussbericht (siehe Anlage) stellt das Ergebnis der Aktenanalyse detailliert dar, begründet ausführlich den Antrag auf Entlassung des Finanzministers und die Vorgehensweise der Opposition – die parlamentarische Aufklärung ohne das Instrumentarium eines Untersuchungsausschusses – und fasst die aus der Analyse und Bewertung sich ergebenden Empfehlungen zusammen.

Stuttgart, 23. Juli 2010
Dr. Roland Peter
Pressesprecher