Schulexperte Zeller: „Kultusminister Rau steht offensichtlich mit der Meinungs- und Redefreiheit in unserer Demokratie auf Kriegsfuß“

SPD-Anfrage offenbart System der Einschüchterung im baden-württembergischen Kultusbereich

Die SPD-Fraktion weist neue Bestrebungen des Kultusministeriums, kritische Pädagogen unter Druck zu setzen, mit großer Empörung zurück. Damit solle offenkundig verhindert werden, dass sich Schulleiter und Lehrer kritisch mit der Bildungspolitik der Landesregierung und von Kultusminister Helmut Rau (CDU) auseinandersetzten. Die SPD will jetzt mit einem neuen Antrag Einzelheiten wissen, um das System der Einschüchterung bloß zu stellen. „Rau steht offensichtlich mit der Meinungs- und Redefreiheit in unserer Demokratie auf Kriegsfuß“, sagte Norbert Zeller, Vorsitzender des Schulausschusses im Landtag. Wie im Fall des Ravensburger Hauptschulrektors Bosch sei Kritik an der Regierungspolitik nicht erwünscht. „Da Raus Argumente zu schwach sind, muss er jetzt Druck ausüben“, erklärte Zeller. Er hält dies gerade im Beamtenbereich für völlig unverhältnismäßig, zumal die Mitarbeit und das Mitdenken der Pädagogen dringend gebraucht würden.

Dabei geht es etwa um einen Fall bei der Ravensburger Podiumsdiskussion vom 5. Februar 2009 zum Thema „Schule neu denken – bessere Bildung für alle“. Veranstalter war die lokale Agenda 21-Gruppe. Im Vorfeld wurde über dienstliche Kanäle versucht, Bernd Dieng, Fachleiter des Grund- und Hauptschulseminars Meckenbeuren, einzuschüchtern. Er sollte sich mit kritischen Äußerungen zurückzuhalten. Dieng amtiert als stellvertretender Vorsitzender des Vereins „Länger gemeinsam lernen“, der die oberschwäbischen Hauptschulrektoren in ihrer Kritik am baden-württembergischen Schulsystem unterstützt.

Das sei aber nur ein Beispiel in diesem System der Einschüchterung, das für eine demokratische Partei wie die CDU überaus peinlich sein sollte. Es sei nicht zu fassen, erklärt Zeller: Vertreter des Kultusministeriums schrieben in öffentlichen Veranstaltungen akribisch mit, wenn sich ihre eigenen Beamten kritisch äußerten. Offenkundig sollten diese Mitschriften später gegen die Pädagogen verwendet werden. „Ein solches Vorgehen wäre Ausdruck eines Spitzelunwesens“, sagte Zeller dazu. Wer sich tatsächlich offen über die Probleme unseres Bildungssystems austauschen wolle, habe solche Methoden nicht nötig. Auch Zeitungsberichte über Pädagogen, die das längere gemeinsame Lernen befürworteten, würden inzwischen ausgewertet, um die Lehrkräfte bei der Schulverwaltung vorzuladen und einzuschüchtern.

Zeller betont, dass auch Beamte ein Recht darauf hätten, sich an Diskussionen über ihre eigenen Arbeitsbereiche beteiligen zu dürfen. „Wollen wir mutwillig auf die Mitarbeit der Experten verzichten, nur weil die CDU das Ende des dreigliedrigen Schulsystems befürchtet?“, fragt Zeller. In unserer Demokratie müsse es auch für Beamte selbstverständlich sein, sich ohne Angst vor Sanktionen an Diskussionen beteiligen zu dürfen. „Hier zeigt sich besonders, wohin es führt, wenn eine Partei ihre Politik nicht an der Realität ausrichtet, sondern allein an ihrer Ideologie“, sagte er. Die ohnehin schon schwierige und belastete Diskussion um die Bildungslandschaft in Baden-Württemberg werde durch dieses Vorgehen deutlich erschwert – zu Lasten unserer Kinder.


Dr. Roland Peter
Pressesprecher