Wolfgang Drexler: „Die Landesregierung war beim Messeraub nicht Zuschauer, sondern offensichtlich Komplize und Anstifter“

Untersuchungsausschuss „Messeraub“ soll bis zum Jahresende abgeschlossen sein

Die SPD-Landtagsfraktion hat am Nachmittag auf ihrer Fraktionssitzung einstimmig beschlossen, gemäß Artikel 35 der Landesverfassung (LV) einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Messeraub von Sinsheim zu beantragen. Aufgrund ihrer Stärke kann die SPD-Fraktion diesen Untersuchungsausschuss im Landtag auch durchsetzen. Nach Artikel 35 der LV hat „der Landtag das Recht und auf Antrag von einem Viertel seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen“. Nach dem Willen der SPD soll der Landtag bereits am morgigen Mittwoch die Einsetzung beschließen und auch die Mitglieder des Untersuchungsausschusses wählen. Mit dieser raschen Vorgehensweise will die SPD-Fraktion erreichen, dass der Untersuchungsausschuss seine Arbeit möglichst bald aufnehmen und die Ergebnisse seiner Untersuchung noch in diesem Jahr vorlegen kann. Die SPD will so verhindern, dass der Untersuchungsausschuss in die heiße Phase des Landtagswahlkampfes hineinreicht.

Die Einsicht in die von der Landesregierung, wenn auch nur bruchstückhaft, zur Verfügung gestellten Akten zur Verlagerung der Messen von Sinsheim nach Stuttgart hat nach Angaben von Wolfgang Drexler gravierende Widersprüche zu den bisherigen öffentlichen Aussagen der Landesregierung zutage gefördert.

Bis zur Stunde, so Drexler, behaupte die Landesregierung, der Messeunternehmer Schall habe von sich aus sein Engagement in Sinsheim beenden und seine Messen außerhalb der Landesgrenzen verlagern wollen. Deshalb, und nur deshalb, so die Version der Regierung, seien Gespräche mit Schall aufgenommen worden mit dem Ziel, dessen Messen wenn schon nicht in Sinsheim, dann wenigstens in Baden-Württemberg am Standort der neuen Landesmesse Stuttgart zu halten.

Diese These von der sog. „Auffanglösung“ steht nach den Angaben Drexlers in krassem Widerspruch zu zahlreichen Vermerken, insbesondere des Staatsministeriums. Diese Akten legten den Schluss nahe, dass insbesondere das Staatsministerium von Anfang an treibende Kraft hinter der Messeverlagerung war und Messechef Kromer zu den Gesprächen mit Schall ermuntert hat, mit dem Ziel, die neue Landesmesse in Stuttgart besser auszulasten. Die Behauptung von der „Auffanglösung“ tauche in den bisher vorgelegten Akten erst auf, als der Messeraub bereits perfekt und die Landesregierung offenkundig darum bemüht war, ihre Rolle bei diesem Deal zu verschleiern, so Drexler.

Drexler: „Für diese Taktik, die tatsächliche Rolle der Landesregierung beim Messeraub zu verschleiern, gibt es schon jetzt zahlreiche Hinweise in den vorliegenden Akten.“

Aufzuklären gelte es auch, seit wann Ministerpräsident Oettinger über die Messeverlagerung tatsächlich informiert war. Untersucht werden müsse dabei insbesondere, was er im Einzelnen unternahm oder unterließ, als er von der Messeverlagerung wusste.

Drexler bemängelte auch, dass die dem Wirtschafts- und dem Finanzausschuss zur Einsicht vorgelegten Akten der Landesregierung zur Messeverlagerung große Lücken enthielten, so insbesondere für die Zeit zwischen 2001 und Herbst 2004. Auch die jüngsten „Festlegungen“ (Wirtschaftsminister Pfister) des Kabinetts unter Ministerpräsident Oettinger für das Verhalten der der Landesregierung angehörenden Aufsichtsratsmitglieder bei der konstituierenden Sitzung der neuen Landesmesse seien dem Landtag bisher vorenthalten worden.

Drexler: „Angesichts der zahlreichen Widersprüche zwischen den öffentlichen Aussagen der Landesregierung und den Inhalten der Aktenvermerke hält die SPD-Landtagsfraktion eine rasche und umfassende Aufklärung des Messeraubs von Sinsheim in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss für unumgänglich.“

Die geplante Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses am morgigen Mittwoch in der Mittagspause der Plenartagung könne diese Aufklärung nie und nimmer leisten, so Drexler. Aufgrund der Akteneinsicht werde immer deutlicher, dass nicht das Wirtschaftsministerium, sondern das Staatsministerium die Gespräche des Stuttgarter Messechefs mit dem Messeunternehmer Schall anregte, antrieb und hinter den Kulissen moderierend die Fäden zog. Auch aus diesem Grund könne die Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses keine umfassende Aufklärung der Rolle der Landesregierung leisten.

Die Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses unterliege zudem der Geheimhaltung und widerspreche damit dem öffentlichen Interesse an einer schonungslosen Aufklärung der Rolle der Landesregierung bei der Messeverlagerung. Dabei gehe es nicht zuletzt auch um die Frage, ob Steuergelder dazu verwendet werden sollen, mögliche Vertragsstrafen im Zusammenhang mit dem Umzug der Messen von Sinsheim nach Stuttgart und damit Vertragsbruch mitzufinanzieren.

Von der SPD-Landtagsfraktion wurden der Wirtschaftsexperte Claus Schmiedel als Obmann und der Finanzexperte Nils Schmid als stellvertretender Vorsitzender für den Untersuchungsausschuss „Messeraub“ benannt. Als weitere Mitglieder der SPD im Untersuchungsausschuss werden der Abgeordnete und Rechtsexperte Rainer Stickelberger sowie der Sinsheimer Abgeordnete Helmut Göschel vorgeschlagen.

Helmut Zorell
Pressesprecher