MdL Hans-Martin Haller: „Die Landesregierung versagt bei den Landesstraßen auf der ganzen Linie“

Priorisierung: Landesregierung will drei weitere Jahre beraten

Viele Landesstraßen Baden-Württembergs befinden sich in einem miserablen Zustand. Für die SPD-Landtagsfraktion ist dafür die völlig unzureichende Politik der Landesregierung verantwortlich. Durch Versäumnisse der vergangenen 10 Jahre sei ein Investitionsstau von einer Milliarde Euro entstanden. Für die Zukunft erwartet die SPD eine weitere Verschärfung der bereits jetzt prekären Situation: In den kommenden Jahren werde noch weniger Geld für die Landesstraßen zur Verfügung stehen, da durch zwei Sonderinvestitionsprogramme, die über einen Schattenhaushalt finanziert wurden, steigende Zins- und Tilgungszahlungen zu leisten wären.

Vor diesem Hintergrund fordert der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfrak¬tion, Hans-Martin Haller, die Landesregierung auf, endlich die vom Rechnungshof geforderte Priorisierung aller geplanten Landesstraßenbauprojekte vorzunehmen. In ihrer Stellungnahme auf einen entsprechenden Antrag der SPD-Fraktion verweist die Landesregierung lapidar auf die geplante Fortschreibung des Generalverkehrsplans, die erst in drei Jahren abgeschlossen sein soll.

Hans-Martin Haller: „Die Landesregierung macht ihre Hausaufgaben nicht. In der Schule bekäme sie für Ihre Infrastrukturpolitik die Note 6, ungenügend, und müsste sitzen bleiben. Die Landesstraßen gehen den Bach runter, weil immer weniger in ihren Erhalt investiert wird. Wir brauchen aber gute Landesstraßen für Handwerk, Mittelstand und die Menschen im Land. Da kann die Regierung nicht mal eben drei Jahre Pause machen.“

Landesregierung räumt ein: Schlechter Zustand der Landesstraßen
Mindestens 50 Prozent der baden-württembergischen Landesstraßen sind in einem schlechten bis sehr schlechten Zustand. Das musste die Landesregierung in einer aktuellen Stellungnahme zu einem Antrag der SPD-Fraktion einräumen. Allerdings bezieht sich das CDU-geführte Innenministerium dabei auf ein Gutachten aus dem Jahre 2004. In den Jahren 2005 und 2006 blieben die Investitionen des Landes in den Erhalt der Landesstraßen zwischen 36 und 96 Mio. Euro hinter dem von der Landesregierung selbst veröffentlichten Investitionsbedarf zurück. Daraus schließen die Sozialdemokraten, dass sich die Situation weiter verschlechtert haben muss.

Hans-Martin Haller, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, ergriff deshalb selbst die Initiative und machte sich persönlich ein aktuelleres Bild von der Situation vor Ort. Das Ergebnis der Recherchen vor Ort: In besonders schlechtem Zustand waren nach Angaben der SPD-Politiker zum Beispiel die Landesstraßen L356 zwischen Hochdorf und Vollmaringen, die Ortsdurchfahrt Neubulach auf der L348 sowie die L1185 zwischen Neuenhaus und Waldenbuch. Größere und kleinere Schäden fand der Verkehrsexperte der SPD auf der L1205 zwischen Wolfschlugen und Nürtingen und auf der L1192 zwischen Ostfildern und Nellingen.

Hans-Martin Haller: „Es ist unglaublich, auf welch ramponierten Straßen die Menschen in unserem schönen Bundesland fahren müssen. Seit Jahren versagt die Landesregierung auf ihrem ureigenen landespolitischen Terrain. Sie muss jetzt endlich ihre Hausaufgaben machen und dem Erhalt der Landesstraßen eine größere Priorität einräumen. Sonst wird es wegen der Straßenschäden auf immer mehr Landesstraßen nur noch im Schneckentempo voran gehen!“

Katastrophale Unterfinanzierung des Erhalts von Landesstraßen

Nach Angaben der SPD-Fraktion investierte das Land zwischen 1997 und 2006 durchschnittlich 35 Mio. Euro jährlich in den Erhalt der Landesstraßen. Bei der Aufstellung ihres eigenen Generalverkehrsplans (GVP) hätte sich die Landesregierung (LReg) noch von einem unabhängigen Gutachter bestätigen lassen, dass jedes Jahr rd. 90 Mio. Euro in den Erhalt der Landesstraßen investiert werden müssten. Selbst, wenn man den von der Landesregierung selbst veranschlagten Investitionsbedarf von 60 Mio. Euro zu Grunde legt, läge die Unterfinanzierung beim Erhalt der Landesstraßen in den vergangenen 10 Jahren bei 25 Mio. Euro pro Jahr. Alles in allem sei durch die Politik von CDU und FDP ein Investitionsstau von 250 bis 550 Mio. Euro aufgelaufen.

„Wenn die Landesregierung über 10 Jahre hinweg nicht genug für den Erhalt der Landesstraßen tut, ist es kein Wunder, dass die Landesstraßen in einem miserablen Zustand sind. Durch das Versagen der Landesregierung werden unsere Landesstraßen zu Schlaglochstraßen“, so Hans-Martin Haller, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion.

Auch beim Aus- und Neubau von Landesstraßen versagt die Landesregierung

Die Fehler der Vergangenheit wirken sich aus Sicht der Sozialdemokraten noch dramatischer für Aus- und Neubauten von Landesstraßen aus, die der Bedarfsplan der Landesregierung vorsieht. Zur Umsetzung dieser Baumaßnahmen formulierte die Landesregierung einen jährlichen Bedarf von rd. 130 Mio. Euro. Trotz kreditfinanzierter Sonderprogramme lagen die tatsächlichen Investitionen in den vergangenen 10 Jahren jedoch bei durchschnittlich 52,4 Mio. Euro. Somit kommt zum bereits erwähnten Erhaltungs-Investitionsstau von 250 bis 550 Mio. Euro ein noch größerer Betrag von knapp 800 Mio. Euro für den Ausbau hinzu. In der Summe besteht bei den Landesstraßen nach Ansicht der SPD-Fraktion ein Investitionsstau von mindestens einer Milliarde Euro.

Aus Sicht der Sozialdemokraten wird sich die prekäre Situation des Investitionsstaus noch verschärfen, weil für die verdeckte Schuldenfinanzierung der Sonderinvestitionsprogramme 1997 bis 2004 bzw. 2002 bis 2006 über den Schattenhaushalt der Finanzierungsgesellschaft für öffentliche Vorhaben des Landes Baden-Württemberg in Zukunft steigende Zins- und Tilgungsleistungen erbracht werden müssten. Aus der Antwort der Landesregierung gehe hervor, dass die Ausgaben für diese Form der Kreditfinanzierung von 2006 bis 2009 um fast 50% ansteigen werden, von rd. 57 Mio. Euro auf über 84 Mio. Euro. Das hat zur Folge, dass im Jahr 2009 fast 40% aller Ausgaben für die Landesstraßen (213 Mio. Euro) alleine für die Abfinanzierung der über einen Schattenhaushalt kreditfinanzierten Sonderprogramme aus der Vergangenheit verwendet würden.

Vor dem Hintergrund eines Investitionsstaus von über einer Milliarde Euro fordern die Sozialdemokraten die Landesregierung auf, endlich Prioritäten zu setzen. Die Erhaltungs-investitionen dürften nicht wieder auf das Niveau vom Ende der 90er Jahre absinken, weil diese Versäumnisse doppelt und dreifach in der Zukunft bezahlt werden müssten. Von den dann noch verbleibenden Mitteln müssten die Ausbauprojekte in Angriff genommen werden, die das beste Nutzen-Kosten-Verhältnis aufweisen würden. Hier würde sich die Landesregierung nach wie vor weigern, eine rationale Investitionsplanung vorzunehmen, wie sie der Landesrechnungshof bereits in seiner Denkschrift 2003 eingefordert hatte und wie sie der Bund für Projekte des Bundesverkehrswegeplans durchführt. Es könne nicht angehen, dass das Parlament angesichts des riesigen Investitionsstaus noch drei Jahre auf eine Vorlage der Landesregierung warten müsse.

Hans-Martin Haller: „Beim Landesstraßenbau hinkt die Landesregierung ihren eigenen Planungen um fünf Jahre hinterher, und durch die Kreditfinanzierung über einen Schattenhaushalt der CDU-Regierung wird dieser Investitionsstau noch größer werden. Deshalb ist es umso wichtiger, jetzt endlich Prioritäten zu setzen. Der Generalverkehrsplan aus dem Jahr 1995 ist Makulatur. Er muss jetzt überarbeitet werden, und nicht erst in drei Jahren, wie es die Landesregierung vorhat!“

Schließlich muss die CDU aus Sicht der Sozialdemokraten ihre ordnungspolitische Doppelmoral aufgeben und angesichts eines milliardenschweren Investitionsbedarfs ihren Ruf nach dem Nachtwächterstaat zu Lasten der kleinen Unternehmen und der Arbeitnehmer aufgeben. „Dem Land fehlt eine Milliarde Euro für Investitionen in die Landesstraßen, und die CDU will den großen Kapitalgesellschaften auch noch Steuergeschenke machen. Mit der vom Ministerpräsidenten immer wieder propagierten Pkw-Vignette sollen die Zeche dann Handwerk, Mittelstand und die ganz normalen Arbeitnehmer zahlen. Wir Sozialdemokraten machen diese unsinnige und unsoziale Infrastrukturpolitik nicht mit“, so Hans-Martin Haller.

Helmut Zorell, Pressesprecher