Redemanuskript Andreas Stoch
Aktuelle Debatte „Die grün-schwarze Landesregierung und ihre Politik gegen die Interessen der Beschäftigten“

am 29. November 2018

Der Grund für diese Debatte hat ja auch seine lustigen Seiten: Die eine Hand der Regierung weiß mal wieder nicht, was die andere tut, und dann haut die andere Hand der einen auf die Finger.

Pressemitteilung der CDU-Landtagsfraktion vom 6. November, MdLs Paal und Rapp: „Wir begrüßen es, dass die Landesregierung unserer Fraktionsinitiative folgt und sich auf Eckpunkte zur Flexibilisierung der Wochenarbeitszeit geeinigt hat.“ Wenig später, 9. November, Pressemitteilung der Grünen-Fraktion (MdL Lindlohr): „Wir Grüne lehnen der Vorschlag der CDU strikt ab, das Arbeitsrecht radikal zu deregulieren. (…) Der radikale Vorschlag der CDU (…) spaltet die Sozialpartner.“ Keine Einigung, stattdessen ein Vorpreschen der CDU gegen den Koalitionspartner – und laut Medien sogar gegen die Wirtschaftsministerin.

Liebe Frau Ministerin, Sie sind also die Getriebene ihrer eigenen Fraktion. Und der Vorschlag, den die CDU stolz als Haltung der Landesregierung präsentierte, entpuppte sich als eine CDU-Träumerei. Und jetzt haben Sie eine Situation, in der die CDU etwas versprochen hat, was sie nicht halten kann, und die Grünen ganz offensichtlich nicht bereit sind, auf CDU-Linie einzuschwenken. Liebe CDU-Fraktion, klassisch verzockt, würde ich sagen.

Soweit ist das ja noch lustig. Wenn wir aber anschauen, was hinter diesem Vorstoß steht, kann einem schon das Lachen vergehen.

Die Arbeitswelt verändert sich, sagt die Ministerin. Da hat sie Recht. Und das Arbeitszeitgesetz sei seit 24 Jahren nicht mehr novelliert worden. Da hat sie auch Recht. Aber völlig falsch liegt sie in der Annahme, deswegen habe sich bei den Arbeitszeiten nichts getan! Schon jetzt ermöglicht das Arbeitszeitgesetz flexible Lösungen und Ausnahmen in verschiedenen Fällen und Branchen, wenn die Tarifvertragspartner zustimmen. Auf Bundesebene wurde bereits 2015 ein Dialogprozess zu Arbeiten 4.0 angestoßen. 2016 wurde das Weißbuch Arbeiten 4.0 vorgelegt. Darin u.a. enthalten: es werden Experimentierräume geschaffen, in denen neue Arbeitszeit- und Organisationsmodelle getestet werden können. Immer ohne Beschneidung von Arbeitnehmerrechten,  dafür immer unter Beteiligung der Sozialpartner.

Wer nun aber wie Sie von der CDU in die Diskussion geht, hat ganz andre Motive: Die Wirtschaftsministerin stellt ja öffentlich fest, dass die Tarifbindung auch in Baden-Württemberg abnimmt. Guten Morgen, das wissen wir schon lange. Nun heißt das aber auch, dass die tariflichen Öffnungsklauseln nicht überall Wirkung zeigen. Wer also als Arbeitgeber nicht im Tarif ist, kann hier einen Nachteil haben.

Und was macht jetzt die CDU? Ruft Sie zu mehr Tarifbindung auf? Nein, Sie wollen einfach das Arbeitszeitgesetz lockern. Das ist eine Belohnung derer, die keine Tarifverträge haben wollen. Und es ist ein Freibrief für alle, denen der Schutz der Beschäftigten nicht so wichtig ist. Unversehens soll die tägliche Höchstarbeitszeit rauf – für alle, ohne Zustimmung der Tarifparteien, wöchentliche Höchstarbeitszeit hoch auf 54 Stunden, und wer weiß, was Sie noch alles planen, wenn Sie mit dieser Masche durchkommen.

Darum sind diese Pläne wirklich nicht weniger als ein Schlag ins Gesicht für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es existieren bereits viele Ausnahmeregelungen, und wo noch flexiblere Arbeitszeiten sinnvoll und vertretbar sind, einigen sich die Tarifpartner in bewährter Weise. Wer aber das Arbeitszeitgesetz ändert, wie von Ihnen vorgeschlagen, fördert nicht die Tarifpartnerschaft, sondern belohnt Tarifflucht. Gerade jene Bosse, die sich nicht mit ihrer Belegschaft verständigen wollen, erhalten so einen Freibrief für schlechtere Beschäftigung, den faire Arbeitgeber gar nicht nötig haben.

Und auch in der von Ihnen immer ins Feld geführten Gastronomie gibt es schon jetzt flexible Lösungen, z.B. Arbeitszeitkonten. Und auch sonst scheint die Gastronomie hier mehr als Alibi herzuhalten. Wissen Sie, seit drei Jahren können Gastronomen sich unter bestimmten Voraussetzungen als Saisonbetrieb einordnen lassen, das bedeutet weit flexiblere Arbeitszeiten. Seit 2015 haben das in Baden-Württemberg 33 Betriebe beantragt – nicht im Jahr, sondern überhaupt.

Und erstaunlich wirkt auch, dass angeblich gerade das Gastgewerbe nach einem Abbau von Arbeitnehmerrechten rufen soll, wo man dort doch um jede Fachkraft kämpft. Meine Damen und Herren, dieser Ruf mag von manchen aus der Branche kommen, aber auch in vielen Hotels und Gaststätten weiß man, wie sich die Arbeitswelt und die Bedürfnisse der Menschen im Land entwickelt haben, und setzt auf faire Arbeitsbedingungen.

Und mehr als befremdlich ist es ja auch, wenn der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband beklagt, dass durch die Dokumentationspflichten im Zuge des Mindestlohngesetzes Verstöße gegen das Arbeitszeitrecht kontrollierbar und sanktionierbar seien und es in vielen Betrieben bereits deshalb zu Einschränkungen gekommen sei. Was soll das im Umkehrschluss heißen? Leider können wir nun nicht mehr tricksen und gegen Gesetze verstoßen? Wenn das die Position ist, die der Verband vertritt, werden sich viele ehrliche Gastronomen schön bei ihm bedanken.

Einmal mehr die Frage: Welche Arbeitgeber wollen Sie unterstützen? Die, die partnerschaftlich mit ihrer Belegschaft umgehen, die sich an Gesetze halten? Oder die, die ihre Beschäftigten und den Staat gleichermaßen über den Tisch ziehen wollen? Wenn Sie die Gesetze so ändern wollen, wie es diesen Arbeitgebern passt, dann gute Nacht!

Und leider sind wir es ja fast schon gewohnt, dass Sie auf die Bedürfnisse der Beschäftigten keine Rücksicht nimmt: Beim Bildungszeitgesetz haben Sie doch schon in den Geheimabsprachen vereinbart, die Axt anzusetzen, wenn Ihre Pseudo-Evaluation vorüber ist. Einen Weiterbildungsfonds für Beschäftige in kleinen und mittleren Unternehmen haben Sie hier im Landtag auch schon mehrfach abgelehnt. Den Autogipfel haben Sie ohne Betriebsräte geplant. Und jetzt als Höhepunkt ein einseitiger Eingriff in das Miteinander der Tarifpartner: Wenn durch Tarifflucht Nachteile für Arbeitnehmer entstehen, schauen wir zu, wenn manche Arbeitgeber ihre Leute länger arbeiten lassen wollen, wollen wir flugs die Gesetze ändern.

Dieser CDU-Vorstoß ist jedenfalls ein Frontalangriff auf die Interessen der Beschäftigten, und die Arbeitnehmervertreter haben sich entsprechend geäußert. Gewerkschaft NGG: „10 Stunden sind genug! Es darf keine Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes geben“ DGB-Chef Martin Kunzmann: „Ich bin erschüttert darüber, wie die grün-schwarze Landesregierung mit Schutzgesetzen für die Beschäftigten umgeht.“ IG-Metall-Chef Zitzelsberger: Eine 12stündige Höchstarbeitszeit macht die Arbeitswelt nicht flexibler, schafft nicht mehr Zeitsouveränität für Menschen, (…). Sie ist, was sie ist: im Zweifel noch mal zwei Stunden mehr am Tag.“

Ich fordere Sie auf: stampfen Sie Ihren Vorschlag ein, denn er konterkariert alle Bemühungen um einen Ausgleich der Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern! Wenn Ihr Vorschlag umgesetzt würde, wird der 12-Stunden-Arbeitstag in vielen Bereichen die Regel. Ein Ausgleich innerhalb von sechs Monaten ist weder angemessen noch realistisch, gerade in Bereichen, in denen es an Arbeitskräften mangelt. Hören Sie von der CDU-Fraktion auf, eine Politik auf dem Rücken der Beschäftigten zu betreiben. Die Landesregierung darf sich den völlig unangebrachten CDU-Vorschlag nicht zu eigen machen.

Es gilt das gesprochene Wort.

Ansprechpartner

Sven Plank
Berater für Wirtschaft, Arbeit, Tourismus