Redemanuskript Peter Hofelich
1. Beratung Brexit-Übergangsgesetzt BW

am 13. Februar 2019

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich habe als Schüler erlebt, unter welchen Mühen und Kontroversen Großbritannien der Europäischen Union beigetreten ist. Edward Heath hatte ebenso wie Premierminister Wilson dafür geworben. Dass es eine gelingende und gewichtige Partnerschaft wird, dafür haben in den 70ern James  Callaghan und Helmut Schmidt viel getan.

Umso schmerzlicher ist es, dass mit dem Ablauf des 29.März 2019 das Vereinigte Königreich nicht mehr Mitglied der EU sein wird.

So oder so. Geregelt oder ungeregelt. Dass wir heute auch in Baden-Württemberg ein Brexit-Übergangsgesetz für die Zeit nach diesem Austritt in Ungewissheit beschließen müssen, ist auch Ergebnis einer verfahrenen Situation auf der Insel, in die Populisten diesen Kontinent hineingetrieben haben.

Und das Schlimme: Diese verantwortungslosen Täuscher sind bislang ohne jede Einsicht … Übrigens auf beiden Seiten des Ärmelkanals.

Die SPD-Landtagsfraktion begrüßt das von der Landesregierung vorgelegte Gesetz. Es regelt das, was geregelt werden kann. Insbesondere das Ende des aktiven und passiven Wahlrechts für Briten, die hier wohnen.

Und es wird auf der gesetzlichen Grundlage des Bundes mit Verordnungen den Übergang konkretisieren. Unter der Ungewissheit eines ungeregelten Austritts, dessen Wahrscheinlichkeit wegen der unfähigen Taktiererei der Regierung May fast jeden Tag steigt. Und damit Arbeitsplätze und Prosperität nicht nur in Großbritannien gefährdet.

Es hat sich ja herumgesprochen, dass Baden-Württemberg mit seinem hohen Anteil an Zulieferindustrie bei Automobilen und Maschinenbau und dessen internationaler Verflechtung natürlich besonders gefährdet ist.

Das Gute: in guter wirtschaftlicher Lage können wir kompensieren. Aber die Zeiten sind nicht mehr ganz so einfach. Und deshalb bleibt erhebliche Unsicherheit.

Wir ziehen Lehren aus der Situation: Für Europa sollten wir viel stärker auf die Kraft der Aufklärung setzen. Gerade der ökonomische Riese braucht die Besinnung auf die Ideen der Freiheit, der Gerechtigkeit, der Vernunft.

Wir brauchen mehr Balance in den Regierungsformen. Föderal hilft, Extreme zu vermeiden. Wir brauchen eine kritische Öffentlichkeit.

Und wir brauchen einen wirklich europäischen Dialog, statt nationaler Europa-Interpretation.

Wir ziehen aber auch Lehren für inländische Politik. Das Brexit-Votum auf der Insel war auch eine ungelöste Spannung zwischen Zentrum und Peripherie. Zwischen City of London mit dem Financial District und Sheffield, Leeds und Debatten Stahl-Revieren, zwischen kosmopolitischen Weltbürgern und ihr Schattendasein ventilierenden Polen-Hassern. Deshalb ist es wenig hilfreich, sich über die falsch geleiteten Stimmbürger moralisch zu erheben. Es geht darum, sie durch soziale und tatkräftige Politik aus ihrer Marginalisierung herauszuholen. Dies ist die Lehre, nicht nur aus dem Brexit. Und es kann einen die kalte Wut überkommen, wie die saturierten Überheblichen in Deutschland die Populisten hierzulande eher indirekt anfeuern, als zu dessen Bekämpfung wirklich beizutragen. Deshalb gilt am heutigen Tage auch: für Europa müssen wir sichtbar kämpfen, nicht bloß klug argumentieren. Auch dies ist eine Lehre aus dem Drama.

Es gilt das gesprochene Wort.

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