Hans-Martin Haller (SPD): „Den Verbünden muss klar sein: Geld gibt es nur, wenn sie den Fahrgästen deutlich entgegen kommen“
Werner Wölfle (Grüne): „Rech hat bei den Verbünden jeden Bezug zur Realität verloren“
SPD und Grüne im Landtag üben erneut heftig Kritik an der Haltung der Landesregierung gegenüber den Verkehrsverbünden. Innenminister Heribert Rech hatte eine gemeinsame Anfrage der beiden Fraktion jetzt damit beantwortet, dass „alle Verbünde dasselbe Grundsortiment von Tarifangeboten anbieten (Einzelfahrscheine, Mehrfahrtenkarten, Tageskarten und Zeitkarten). … Die Tarifgestaltung ist somit relativ einheitlich und übersichtlich.“ Diese Behauptung Rechs wird von den beiden verkehrspolitischen Sprechern Hans-Martin Haller (SPD) und Werner Wölfle (Grüne) zurückgewiesen. „Rech hat offensichtlich keine Ahnung über das Durcheinander bei den Verbünden“, sagte Haller. „Seine Antwort zeigt, dass Rech hier jeden Bezug zur Realität verloren hat“, betonte Wölfle. Beide Fraktionen fordern, dass die Landesregierung die hohen Landeszuschüsse nutzt, um die Verbünde zu gemeinsamen Regelungen zu zwingen.
Um das große Durcheinander zu dokumentieren, haben SPD und Grüne die Angebote der Verbünde miteinander verglichen. So werden Kinder meist mit 15 als „erwachsen“ eingeschätzt, manchmal aber schon mit 12 und im Ostalbkreis sogar bereits mit 10 Jahren. „Bei dieser Einordnung geht es offensichtlich darum, welche Verkehrsverbünde Einnahmen besonders nötig haben“, sagte Haller. Eklatant seien die Unterschiede bei Mehrfahrtenkarten. Sie gibt es entweder gar nicht oder in Papierform oder in den verschiedensten Chipkartenarten. Auch bei den Zeitfahrkarten bestehen unter den Verbünden deutliche Variationen bei Wochen-, Monats-, Jahreskarten oder Abos. „Dass die Tarifgestaltung nach Rechs Meinung einheitlich sein soll, ist lachhaft“, erklärte Wölfle. Für besonders chaotisch halten Grüne und SPD die Situation bei den Tageskarten. Sie haben diesen aktuellen Tarif-Dschungel bei einer Stichprobe untersucht. Ergebnis: Die 21 Verbünde in Baden-Württemberg verfolgen 17 unterschiedliche Konzepte bei Sortiment und Konditionen (siehe Anlage). Hier werde besonders deutlich, wie wenig sich Innenminister Rech im Verkehrsbereich auskenne.
SPD und Grüne sind sich einig, dass solche Zustände dem öffentlichen Nahverkehr in Baden-Württemberg massiv schadeten. Mit diesem Durcheinander würden die Kunden deutlich überfordert. „Niemand hat Lust, sich vor einem Familienausflug erst mal eine Stunde im Internet oder am Automaten mit diesem Chaos zu beschäftigen. Neue Kunden für den ÖPNV gewinnt man so nicht“, sagte Haller. Und: „Wer einmal unfreiwillig zum Schwarzfahrer wurde, weil im Nachbarverbund alles anders geregelt ist, wird vor lauter Frust und Ärger wieder sein Auto benutzen“, erklärte Wölfle. Das nütze weder den ÖPNV-Unternehmen noch dem Klima. Auch die Probleme der Fahrgäste, die manchmal schon bei Fahrten von weniger als 20 Kilometern die Verbundgrenzen überschreiten und sich beim Umsteigen deshalb mehrere Fahrscheine kaufen müssen, negiere Rech völlig. Dabei würden auch die Fahrgastverbände Pro Bahn und VCD, die Verbraucherzentrale und der Landesrechnungshof dringend Handlungsbedarf sehen.
Haller und Wölfle fordern die Landesregierung auf, den Verbünden deutliche Vorgaben zu machen und sie tatsächlich mit der Zahlung der Zuschüsse zu verknüpfen. Solche Anstrengungen seien bislang vollkommen inkonsequent umgesetzt worden. Dabei erhält etwa der VVS Stuttgart rund 20 Millionen Euro vom Land. „Den Verbünden muss klar sein: Geld gibt es nur, wenn sie den Fahrgästen deutlich entgegen kommen“, sagte Haller. Und: „Es muss damit Schluss sein, dass die Landesregierung nur die Eitelkeiten der CDU-Landräte befriedigen will, die um ihren Einfluss auf ihre ‚Verbündle’ bangen“, betonte Wölfle. Dass das Land auch wirkungsvoll eingreifen könne, habe es bei der Durchsetzung der kostenlosen Fahrradbeförderung bewiesen. Wölfle: „Die Landesregierung muss nur wollen.“
SPD und Grüne bleiben dabei, dass die Anzahl der Verbünde im Land deutlich reduziert werden müsse, dass die Verbünde an den verbleibenden Grenzen großzügige Überlappungsbereiche zu schaffen hätten und, dass es für alle Fahrten über Verbundgrenzen hinaus einen einheitlichen Baden-Württemberg-Tarif geben müsse.
Anlage zur Pressemitteilung vom 27.08.2009
Stuttgart, 27. August 2009
Wolfgang Schmitt, Pressesprecher Grüne
Dr. Roland Peter, Pressesprecher SPD-Fraktion