Wolfgang Drexler: „Umweltminister Müller hat das Parlament und die Öffentlichkeit über die wahren Abläufe getäuscht“
Staatssekretär Mappus soll als Zeuge im Untersuchungsausschuss vernommen werden
Die Schlampereien der staatlichen Atomaufsicht bei der Pannenserie im Atomkraftwerk Philippsburg nehmen nach Ansicht der SPD-Landtagsfraktion immer schlimmere Ausmaße an. Durch einen Beweisantrag der SPD im Atom-Untersuchungsausschuss ist jetzt bekannt geworden, dass die Spitze des baden-württembergischen Umweltministeriums bereits deutlich früher über den meldepflichtigen Vorfall in Kenntnis gesetzt war, als dies der zuständige Minister bislang eingestanden hat. „Die Spitze des Umweltministeriums war bereits über die gefährliche Panne im Bilde, als Minister Müller nach außen noch den Unwissenden spielte. Es steht nun fest, dass Müller das Parlament und die Öffentlichkeit über die wahren Abläufe getäuscht hat“, sagte SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler am Montag in Stuttgart.
Entgegen der Behauptung Müllers, er sei erst am 28. September 2001 über das wegen einer zu geringen Borsäurekonzentration ausgefallene Notkühlsystem im Atomkraftwerk Philippsburg unterrichtet worden, liegen dem Untersuchungsausschuss nach Drexlers Angaben Dokumente vor, nach denen der verantwortliche Abteilungsleiter des Umweltministeriums, Dietmar Keil, bereits am 4. September 2001 einen Aktenvermerk zu dem meldepflichtigen Ereignis an Umweltstaatssekretär Mappus weitergeleitet hat.
Dieser Vermerk wurde durch Staatssekretär Mappus indes erst am 13. September abgezeichnet. „Eine wichtige und sicherheitsrelevante Fehlermeldung aus einem Atomkraftwerk war also neun Tage lang im Umweltministerium unterwegs. Von einer unverzüglichen Weiterleitung, wie dies die Handlungsanweisung des Ministeriums vorschreibt, kann hier keine Rede sein. Dieser Vorgang wirft ein bezeichnendes Licht auf die haarsträubende hausinterne Kommunikation im Umweltministerium“, kritisierte Drexler.
Als besonders gravierend wertet Drexler den Vorgang mit Blick auf die Darstellung, die Umweltminister Müller abgegeben habe. „Es ist offenkundig, dass der Umweltminister Parlament und Öffentlichkeit getäuscht hat, denn seine Hausspitze war entgegen seinen Einlassungen bereits zwei Wochen früher über die Panne informiert und Müller selbst hat dies während der Parlamentsdebatte im Oktober 2001 bereits über dienstliche Stellungnahmen zu den behördeninternen Abläufen gewusst“, sagte der SPD-Fraktionschef.
Drexler warf dem Umweltminister deshalb vor, dem Parlament gegenüber die volle Wahr-heit über die tatsächlichen Informationskanäle verschwiegen zu haben, und dies zu einem Zeitpunkt, als längst alle Fakten auf dem Tisch des Hauses gelegen hätten. Selbst noch im Abschlussbericht zur Pannenserie im Atomkraftwerk Philippsburg vom 20. Dezember 2001 würden die tatsächlichen Abläufe im Umweltministerium verschwiegen und etwa der Vermerk an Mappus mit keinem Wort erwähnt.
Drexler kündigte an, die SPD werde nun auch Staatssekretär Mappus als Zeugen vor den Atom-Untersuchungsausschuss laden. „Wir werden es nicht zulassen, dass sich die politische Spitze des Umweltministeriums aus der Verantwortung für das inakzeptable Versagen der Atomaufsicht stiehlt und das verheerende Kommunikationschaos im Ministerium zu einer Bagatelle herunterspielt“, so Drexler.