Fraktionsvize Nils Schmid: „Die Landesregierung muss die Konfrontation mit den S 21-Gegnern auch im Interesse der inneren Sicherheit mit einer Volksabstimmung beenden“

Innenexperte Reinhold Gall: „Die Polizei ist gezwungen, wegen der Belastung durch S-21-Einsätze landesweit immer mehr Sicherheitsaufgaben zu vernachlässigen“

Die baden-württembergische Polizei kommt wegen der personalintensiven S-21-Einsätze immer mehr unter Druck und ist nur noch bedingt einsatzbereit. Dies ist das Ergebnis einer Parlamentsanfrage der SPD, bei der die Landesregierung einräumt, dass die Polizei aus Personalnot inzwischen landesweit Sicherheitsaufgaben „zurückstellen“ muss. Damit werde die Sicherheit und der innere Frieden im Land aufs Spiel gesetzt werden, sagt der Fraktionsvize und designierte Spitzenkandidat Nils Schmid. Er fordert: „Die Landesregierung muss diesen Konflikt, der auf dem Rücken der einzelnen Beamten und auf Kosten der Sicherheit im Land ausgetragen wird, mit einer Volksabstimmung endgültig beenden.“ Und Reinhold Gall, innenpolitischer Sprecher der Fraktion, erklärt: „Die Landesregierung hat die Polizei in einen Konflikt getrieben, der mit politischen Mitteln entschärft werden muss, aber nicht mit Großeinsätzen der Polizei.“

In ihrer Antwort auf den SPD-Antrag erklärt die Landesregierung, dass Aufgaben der ausgedünnten Streifendienste inzwischen von Beamten der Bezirks- und Postendienste übernommen werden müssten. Weitere Einschränkungen gebe es bei der Prävention, bei Schwerpunktaktionen (wie Verkehrskontrollen) und bei der Fortbildung der Polizei, wie der Innenminister erklärt. Nach Informationen der SPD gingen diese Einschränkungen aber in Wirklichkeit viel weiter. So müssten bei größeren Einsätzen in gefährlichen Lagen inzwischen überall im Land aus Personalmangel deutliche Abstriche bei der Einsatzkonzeption gemacht werden. Unter Inkaufnahme hoher Sicherheitsrisiken werde zudem die Einschreitschwelle der Polizei bei Versammlungslagen angehoben. In einigen Landespolizeidirektionen wird nach den Informationen des Polizeiexperten Gall bereits die Reduzierung oder sogar Aussetzung von regionalen Großfahndungen ebenso geprüft, wie die Reduzierung der Mindeststärke im Streifendienst. Ein genereller Stopp von Einsatztraining und Dienstsport werde ebenso ins Auge gefasst wie eine generelle Aussetzung aller landesweit festgelegten Schwerpunktprogramme (Fahndungen und Verkehrsüberwachungen).

Selbst die Reduzierung und Schließung oder Zusammenlegung von Polizeiposten und Kriminalaußenstellen werde nicht mehr ausgeschlossen, falls die Belastungen der Polizei nicht abgebaut würden, sagt Gall.

Die SPD wirft der Landesregierung deshalb vor, dass sie die ungelösten Probleme mit Stuttgart 21, aber auch wegen der verstärkten Überwachung von aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Sexual- und Gewaltverbrechern auf dem Rücken der Polizei und zu Lasten der Inneren Sicherheit austrägt.

Die Belastung der Polizei lässt sich jetzt an konkreten Zahlen festmachen: Allein in den sieben Wochen vom 30. Juli 2010, dem Tag der Bauzaunaufstellung am Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs, bis zum 19. September (aktueller Stand der Zählung) musste die Polizei mehr als 20.000 Polizeikräfte in Stuttgart einsetzen. Dabei fielen insgesamt fast 130.000 Einsatzstunden vor Ort an und rund 83.000 Überstunden. Die Kosten für die Einsätze in diesem Zeitraum beziffert die Regierung auf rund 120.000 Euro.

Nach den Angaben der Landesregierung wurden die Bereitschaftspolizei (37 Prozent) und das Polizeipräsidium Stuttgart (28 Prozent) am stärksten mit diesen Einsätzen belastet. Aber auch alle Landespolizeidirektionen mussten Alarmhundertschaften in großem Umfang nach Stuttgart abstellen.

Die SPD fordert deshalb die Landesregierung dringend dazu auf, die Belastung der Polizisten zu verringern. Voraussetzung dafür sei ein wirkliches Ende der Konfrontation, das auch ein Runder Tisch nicht garantieren könne. Das sei nur mit einer Volksentscheidung denkbar: „Die Landesregierung muss die Konfrontation auch im Interesse der inneren Sicherheit mit einer Volksabstimmung beenden.“

Stuttgart, 14. Oktober 2010
Dr. Roland Peter
Pressesprecher