Landtagsvizepräsident Wolfgang Drexler: „Das politische und gesellschaftliche Engagement von Anna Haag war Ausdruck der Überzeugung, dass Frauen für die Gestaltung des Gemeinwesens in gleichem Maße verantwortlich sind wie die Männer“

Anna Haag (1888-1982) war Schriftstellerin, Politikerin, Frauenrechtlerin und Pazifistin. Als eine von nur zwei Frauen gehörte sie von 1946 bis 1950 dem ersten Landtag von Württemberg-Baden an. Das politische Vermächtnis von Anna Haag ist das Recht auf Kriegsdienstverweigerung im Grundgesetz, das auf eine parlamentarische Initiative von ihr zurückgeht. Anlässlich ihres 30. Todestages wurden Wirken und Verdienste der Stuttgarter Parlamentarierin im Rahmen einer szenischen Lesung gewürdigt. Gut 120 Gäste folgten am Dienstagabend einer Einladung der SPD-Landtagsfraktion und des Anna Haag-Mehrgenerationenhauses in den Stuttgarter Landtag.

Landtagsvizepräsident Wolfgang Drexler würdigte in einer kurzen Ansprache Anna Haag als Parlamentarierin. „Das politische und gesellschaftliche Engagement von Anna Haag war Ausdruck der Überzeugung, dass Frauen für die Gestaltung des Gemeinwesens in gleichem Maße verantwortlich sind wie die Männer“, sagte Drexler. Haag hatte im Jahr 1945 die Landesgruppe Württemberg der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit wieder gegründet. Eine aus ihrer Feder stammende Broschüre enthielt ein leidenschaftliches Plädoyer für die politische Mitverantwortung und Beteiligung von Frauen. Es gipfelte in dem Aufruf: „Die deutschen Frauen müssen es machen! Es liegt an uns!“

Drexler erinnerte aber auch an das ganz praktische Engagement von Anna Haag für die Verbesserung der Lebenssituation von Frauen. So habe sie 1949 die Arbeitsgemeinschaft Stuttgarter Frauen gegründet, die beim Wiederaufbau der zerstörten Stadt mithelfen wollte. „Mit Mitteln aus dem McCloy-Fonds und mit Unterstützung der Stadt Stuttgart gelang es der Arbeitsgemeinschaft, in Bad Cannstatt ein Wohnheim für alleinstehende Mädchen und Frauen, das Anna-Haag-Haus, zu errichten“, hob Drexler hervor.

Die Erfahrungen während des Ersten Weltkrieges hätten Anna Haag zur überzeugten Pazifistin gemacht. „Mit ihrer parlamentarischen Initiative zum Recht auf Kriegsdienstverweigerung hat sich Anna Haag einen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert“, betonte Drexler. Die Schrecken der NS-Terrorherrschaft und des Zweiten Weltkriegs hätten die Parlamentarierin zu einem Initiativgesetzentwurf angespornt, der nur aus einem einzigen Satz bestand: „Niemand darf zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.“ Der Landtag von Württemberg-Baden habe diesen Gesetzentwurf nach kontroversen Diskussionen am 22. April 1948 mit großer Mehrheit angenommen. „Das Grundrecht, den Kriegsdienst zu verweigern, hatte hier seine Geburtsstunde und ist letztlich dem entschlossenen Anstoß und Durchsetzungswillen von Anna Haag zu verdanken“, so Drexler.

Hinweis:
Das Anna-Haag-Haus besteht noch heute und firmiert seit nunmehr 35 Jahren als Mehrgenerationenhaus. Es ist als ältestes Mehrgenerationenhaus Deutschlands weit über Stuttgart hinaus bekannt. Unter dem Dach des Stammhauses gibt es:
• ein Seniorenzentrum mit 76 Dauer- und 8 Kurzzeitpflegeplätzen,
• eine Bildungsstätte für ca. 180 leistungsgeminderte Jugendliche und Erwachsene,
• eine Kindertagesstätte für 70 Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahre.

Das Herzstück des Anna Haag Mehrgenerationenhauses bildet das intergenerative Leben. Eine zweite Kindertagesstätte – die Kindervilla Anna Haag mit Platz für weitere 55 Kinder von 0 bis 6 – ist eng in dieses Gesamtkonzept eingebunden. Darüber hinaus ist eine breite Palette an Dienstleistungen insbesondere im Bereich Hauswirtschaft, häusliche Pflege und Betreuung im Angebot des intergenerativen Sozialunternehmens.

Stuttgart, 5. März 2013
Martin Mendler
Pressesprecher