Redemanuskript Sabine Wölfle
Aktuelle Debatte „Die gläserne Decke durchbrechen – mehr Frauen in Aufsichtsräte, Parlamente und Verwaltungsspitzen“

am 7. März 2018

Anrede

Eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer gleichberechtigt und mit gleichen Chancen ihre Lebens- und Berufsplanung ohne Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts erleben können, muss selbstverständlich sein.

Dies ist unabdingbar, wenn wir in uns in unserem demokratischen System als Gesellschaft weiterentwickeln wollen.

Leider sind wir in der Realität noch nicht an dem Punkt angelangt.

Das Weltwirtschaftsforum (Quelle IWD Ausgabe 5/2018)vergleicht regelmäßig 144 Länder im Hinblick auf die Geschlechterlücken und prüft 4 Themengebiete:

  • Wirtschaftliche Teilhabe
  • Zugang zu Bildung
  • Gesundheit
  • Politische Partizipation

Hierbei landet Deutschland auf Platz 12. Aber: das ist kein Grund zu Freude.

Im Jahr 2006 lagen wir noch auf Platz 5. Und woran liegt das?

Neben den skandinavischen Ländern überholen uns Schwellenländer wie Ruanda, die Philippinen und Nicaragua.

Für unser hoch entwickeltes Industrieland, für dieses reiche und wirtschaftlich starke Land ist dies wirklich kaum zu glauben.

Und Staaten wir Burundi, Barbados und die Bahamas haben im Bereich „ Wirtschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit „ bessere Arbeitsbedingungen auf dem Arbeitsmarkt als Deutschland. Hier liegen wir auf Platz 43, hinter Australien.

Wir hinken bereits  jahrzehntelang hinterher.

Schweden hat schon vor 40 Jahren die Weichen gestellt.

Solange will ich nicht warten bis wie eine geschlechtergerechte Gesellschaft haben!

Noch nie waren Frauen bei uns besser ausgebildet als heute.

Die heute eher späte Mutterschaft ist auch ein klares Indiz, dass sich Frauen zunächst beruflich ein Fundament schaffen wollen, auf dem sie nach einer Elternpause aufbauen können.

Im Jahr 2018 haben die baden-württembergischen Frauen die höchste Geburtenrate seit 1973. Und das hat seine Ursachen nicht darin, dass sich Frauen mit Kindern am liebsten mit  Kirche und Küche besonders gut verwirklichen können.

Nein, die Rahmenbedingungen wurden verbessert!

Und da haben wir als SPD in Bund und Land unseren Anteil dran.

Der Ausbau der Elternzeit, der Rechtsanspruch auf Rückkehr in den Job und dem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr hilft beiden Elternteile, Familie und Beruf gleichzeitig verwirklichen zu können.

Dazu haben wir als SPD gemeinsam mit unserem Koalitionspartner in der letzten Legislaturperiode mit dem ‚Pakt für Familien‘ in Baden-Württemberg Erhebliches beigetragen.

Wir haben jetzt also hervorragend ausgebildete Frauen, die sich nicht nach dem ersten Kind in die berufliche Versenkung zurückziehen müssen. Sie arbeiten als Altenpflegerinnen, Polizistinnen, im Handwerk, in den Verwaltungen und in der Industrie.

Und sie sind heute – das war ja vor 100 Jahren auch noch anders – auch als Ärztinnen und Richterinnen auf dem Vormarsch.

So weit so gut.

Aber wir haben immer noch ein großes Delta, wenn wir uns die Leitungsebenen anschauen.

Sogar in Bereichen, in denen überwiegend Frauen tätig sind, finden sich in der Leitungsebene überwiegend Männer. Das können wir am Beispiel Pflege und Gesundheit gut beobachten.

So haben wir heute etwa bei den Studienabschlüssen im Bereich der Medizin fast zwei Drittel Frauen. Aber der Anteil der Frauen unter den leitenden Ärztinnen und Ärzten in unseren baden-württembergischen Kliniken liegt nur bei etwa neun Prozent.

Entweder verzichtet also ein Großteil der Ärztinnen – aus welchen Gründen auch immer – darauf, Leitungsverantwortung zu übernehmen oder es wird ihnen strukturell schwer gemacht. Meine Gespräche, die ich seit Jahren dazu führe, belegen eher letzteres.

Persönliche Beweggründe sind zu respektieren, strukturelle Benachteiligungen von Frauen im Beruf  jedoch nicht, dazu gibt es einen klaren Auftrag des Grundgesetzes!

Ich bin deshalb froh, dass die SPD unter der Federführung von Bundesministerin Manuela Schwesig in der letzten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages zwei große Gesetze auch gegen schwere Widerstände aus der Union und mit dem Abschluss von Kompromissen durchgesetzt hat:

  1. das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen, mit dem insbesondere die feste Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent für neu zu besetzende Aufsichtsratsposten in börsennotierten und voll mitbestimmungspflichtigen Unternehmen eingeführt wurde und
  2. das Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen. In Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten haben Angestellte nun einen individuellen Auskunftsanspruch darüber, wie sie im Vergleich zu anderen entlohnt werden. Und Unternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten sind aufgefordert, Verfahren zur Beseitigung von Lohndiskriminierung anzuwenden.

„Gleichberechtigung – sie fällt nicht vom Himmel. Sie ergibt sich nicht einfach so. Soll sie sich durchsetzen, braucht sie Gesetz und Quote“. Das ist ein Zitat von Heribert Prantl aus der SZ vom 25.2.2018. Recht hat er!

Jetzt kann man zu Quoten stehen, wie man will. Aber der Erfolg gibt Recht.

Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen kann man deutlich sehen: die Quote wirkt.

Und sie wirkt nicht nur auf dem Papier sondern zunehmend auch in den Köpfen.

Und was ist mit der Landesverwaltung?

Auch hier ist der Fortschritt nur im Schneckentempo unterwegs. Aber wir haben in der letzten Legislaturperiode dieser Schnecke etwas Beine gemacht und das Chancengleichheitsgesetz auf den Weg gebracht.

Ich möchte, wie schon so oft an dieser Stelle, an unser Grundgesetz erinnern, Artikel 3, Absatz 2:

„Der Staat fördert die die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männer und wirkt auf die Beseitigung von bestehender Nachteile hin.“

Darauf baut auch das zum Ende der letzten Legislaturperiode verabschiedete Chancengleichheitsgesetz auf.

Ziel dieses Gesetzes ist u.a.:

  • dass Frauen und Männer im öffentlichen Dienst Baden-Württemberg gleiche Aufstiegsmöglichkeiten haben,
  • dass Frauen und Männer Elternzeiten und Freistellungen für die Betreuung pflegebedürftiger Angehörige nehmen und deshalb in Teilzeit arbeiten können, ohne berufliche Nachteile zu bekommen,
  • dass Frauen und Männer die gleichen Weiterbildungsmöglichkeiten bekommen und
  • dass Frauen und Männer die gleichen Chancen haben, in Führungspositionen zu kommen

Dieses Gesetz war richtig und wir werden nach wie vor ein prüfendes Auge auf die Umsetzung haben. Die Landesregierung muss uns im nächsten Jahr eine Evaluation vorlegen. Und wenn wir da keine deutlichen Fortschritte sehen, müssen wir nachschärfen.

Nun der letzter Bereich: die Politik.

Zunächst einmal warten wir immer noch auf die großen gleichstellungspolitischen Vorhaben dieser Landesregierung. In der letzten Legislaturperiode ging die CDU mit „ Frauen im Fokus“ auf die Straße. Wohl kein Erfolg, eher nur heiße Luft.

Das einzige Thema ist aktuell die Änderung des Landtagswahlrechts und hier sind die Koalitionspartner hoffnungslos zerstritten.

Zur Änderung des baden-württembergischen Landtagswahlrechts möchte ich in aller Deutlichkeit sagen: Auch wir wollen den Anteil der Frauen im Landtag erhöhen!

Dass dies nicht einfach zu erreichen ist, wissen wir selbst. Aber wir sind bereit, in einen konstruktiven Dialog einzutreten.

Ich halte es in einem ersten Schritt für dringend notwendig, dass dieser Wille von allen Fraktionen im Landtag – oder jedenfalls von der großen Mehrheit der Fraktionen – geteilt wird.

Das erfordert insbesondere, dass die CDU-Fraktion ihren Beschluss zur Ablehnung einer Reform des Landtagswahlrechts zurücknimmt. Heute, ein Tag vor dem Internationalen Frauentag und im 100. Jahr der Einführung des allgemeinen Wahlrechts auch für Frauen in Deutschland, wäre eine gute Gelegenheit dazu.

Was wir nicht wollen ist, dass wir mit dem Dialog warten müssen, bis sich die Koalitionsfraktionen auf einen bilateralen Kompromiss geeinigt haben, der uns dann als nicht mehr veränderliche Grundlage zur Beratung vorgesetzt wird.

In dieser Form wird in deutschen Parlamenten aus gutem Grund nicht über Änderungen im Wahlrecht diskutiert!

Seien wir als Parlament Vorbild und geben heute, einen Tag vor diesem historischen wichtigen Tag, ein starkes Zeichen an die Frauen in unserem Land!

Es gilt das gesprochene Wort.

Ansprechpartner

Klose Fraktion
Roland Klose
Berater für Sozial- und Gesundheitspolitik