Wolfgang Drexler: „Teufels Verhalten im Bundesrat und sein Haushaltsentwurf für das Land werden den Anforderungen an eine zukunftsfähige Politk in keiner Weise gerecht“

Nils Schmid: „Wir brauchen strukturelle Einsparungen und eine Investitionsoffensive zur Stärkung der Wachstumskräfte im Land“

SPD-Fraktion will Umschichtungen für Bildung, Kinderbetreuung sowie Forschung und Entwicklung an den Hochschulen

Wolfgang Drexler, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, zeigte sich erleichtert, dass sich der Vermittlungsausschuss in der Nacht nun doch noch auf Steuersenkungen schon vom kommenden Jahr an verständigt hat. Bedauerlich sei jedoch, dass die Steuerzahler wegen des Widerstandes der Union deutlich weniger entlastet werden, als dies die Bundesregierung vorgeschlagen hatte. Eine Totalblockade der vorgezogenen Steuerreform durch die Union sei letztlich nur wegen des hohen öffentlichen Drucks gescheitert. Drexler zeigte sich zuversichtlich, dass der im Vermittlungsausschuss erzielte Kompromiss jetzt rasch im Gesetzgebungsverfahren umgesetzt wird. Viel zu lange habe auch die Landes­re­gie­rung die Verhandlungen auf Bundesebene über weitreichende gesetz­liche Verände­run­gen blockiert, kritisierte der SPD-Fraktionschef. Deutschland brauche jedoch dringend einen Wachstums- und Modernisierungsschub, die bisherige Verweigerungshaltung Teufels sei verantwortungslos.

Drexler erinnerte in diesem Zusammenhang noch einmal an Teufels Schlingerkurs im Streit um das Vorziehen der Steuerreform. Teufel sei zunächst für eine vorgezogene Steuerre­form unter der Voraussetzung einer beträch­­­tlichen Gegenfinanzierung eingetreten, sei dann aber auf den Kurs des „CDU-Politbüros“ eingeschwenkt und habe versucht, das Stöckchen für ein erfolgreiches Vorziehen immer höher zu halten, um das ganze Vorhaben zu kippen. Teufel habe der Bundesregierung vorgeworfen, die vorgelegte Gegenfinanzierung sei unzureichend, gleichzeitig habe er aber die angeblich unzureichenden Finanzierungsvorschläge der Bundesregierung allesamt als nicht akzeptabel bezeichnet und selber keinen einzigen eigenen seriösen Finanzierungsvorschlag gemacht. „Dieser Vorgang zeigt, dass die Landes­regierung im Bundesrat und im Vermittlungsausschuss gerade nicht nach der Maxime verfährt ,zuerst das Land‘, Verfassungsorgane vielmehr als Bühne für Machtspiele missbraucht – zum Schaden des Landes.“

Gemeindefinanzreform überfällig
Auch eine durchgreifende Gemeindefinanzreform sei im Vermittlungsausschuss am Widerstand der Union gescheitert, so Drexler. Der jetzt erzielte Kompromiss bringe zwar mehr Geld in die Kassen der Kommunen, eine dauerhafte Verstetigung dieser Einnahmen durch die Einbeziehung der freien Berufe sei zum Nachteil der Kommunen von der Union leider blockiert worden. Eine nachhaltige Stärkung der kommunalen Investi­tions­kräfte durch die Gemeindefinanzreform hält die SPD-Fraktion nach wie vor für erforderlich, da sie sich unmittelbar beschäftigung­s­fördernd und mittelstandsfreundlich auswirke.

Die Landesregierung habe dagegen bisher immer das völlig unausgegorene, vom Bundesverband der deut­schen Industrie abgeschriebene Gemeindefinanzierungsmodell unterstützt, das die Gewerbesteuer abschaffen und dafür die Bürger zur Finanzierung der kommunalen Ein­nahmen heranziehen wolle. Das Modell der Bundesregierung hätte den Kom­mu­nen bereits im kom­men­den Jahr bundesweit Mehreinnahmen von rd. 3 Mrd. gebracht, für die Städte und Gemein­den in Baden-Württemberg rd. 420 Mio.. In diesem Konzept enthal­ten war eine Revitali­sierung der Gewerbesteuer, die gerade für das wirtschaftsstarke Baden-Württemberg und seine Kommunen von großer Bedeutung ist. Deshalb unterstüt­zen die kommunalen Spitzenverbände in Bund und Land dieses Reformmodell.

Die Verhinderung einer durchgreifenden Gemeindefinanzreform durch die Union werde in ihren negativen Auswirkun­gen auf Städte und Gemeinden im Land noch dadurch verstärkt, dass die Kommunen im Haushaltsentwurf 2004 von der Landesregierung noch mit über 200 Mio. zusätzlich belastet werden. Darin enthalten ist auch die Kürzung der Investitionsmittel im Rahmen des Kommunalen Investitionsfonds in Höhe von 80 Mio. Euro. Weil damit zugleich auch komplementäre Investitionsmittel der Gemeinden entfallen, werden die öffentlichen Investitionen in Baden-Württemberg nach den Worten Drexlers deutlich geschwächt, mit allen negativen Auswirkungen auf Handwerk, Mittelstand und Beschäftigung.

Teufels Ja zu unseriösen CDU-Beschlüssen zu Sozialpolitik und Steuern
Pures Machtkalkül zum Nachteil des Landes steckt nach Drexlers Worten auch hinter den Parteitagsbeschlüssen der Bundes-CDU zur Finanz- und Sozialpolitik, die von Teufel voll mitgetragen wurden. Die offenkundige Unseriosität zeige sich allein schon darin, dass­ die Delegierten auf dem gleichen Parteitag jeweils nahezu einstimmig in der Sozial­politik ein Kopfpauschalen-Modell mit steuerlicher Abfederung in zweistelliger Milliar­den­höhe verab­schieden und gleichzeitig ein Steuerkonzept, das nach ausdrücklicher Fest­stellung sei­nes Autors Merz keinerlei Spielraum für einen Steuertransfer in die Sozialversicherung bietet.

Die Zukunft verbaut: der Entwurf der Landesregierung zum Landeshaushalt 2004
Die beschäftigungs- und kommunalfeindliche Blockadepolitik der Landesregierung werde noch übertroffen durch eine völlig mut- und perspektivlose Finanz- und Haushaltspolitik, sagte SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler. „Die voraussichtlich höchste Neuverschul­dung in der Nachkriegsgeschichte des Landes, ein dramatischer Rückgang der Investi­tions­quote auf derzeit gerade noch 8,5 Prozent – und keinerlei Mut zu wirklichen Struktur­reformen. Mit dieser Politik verbaut die Regierung Teufel die Zukunft des Landes.“

Der Haushaltsentwurf veranschlage noch nicht einmal die Mindereinnahmen aus der letz­ten Steuerschätzung von 467 Mio., obwohl diese Daten bereits seit einem Monat bekannt sind. „Schon mit dieser längst bekannten Deckungslücke ist der vorgelegte Haus­­haltsentwurf verfassungswidrig, weil die Verschuldung die vorgesehenen Investi­tionsausgaben übersteigt.“

SPD will strukturelle Änderungen zur mittelfristigen Konsolidierung des Landeshaushalts und eine schnell wirksame Investitionsoffensive
Aufgrund der schweren Versäumnisse der Landesregierung in den vergangenen Jahren ist eine schnelle Konsolidierung des Landeshaushalts nach Auffassung von Wolfgang Drexler nicht möglich. Es müssten aber jetzt Strukturentscheidungen gefällt werden, die mittelfristig zu deutlichen Einsparungen führen. In diesem Zusammenhang forderte Drex­ler die Auflösung von zwei Ministerien, die personelle Straffung im Staatsministerium und auch eine Verkleinerung des Landtags. Zumindest müsse durch gesetzliche Änderungen sichergestellt werden, dass die Regelzahl von 120 Abgeordneten auch unter ungünstigen Bedingungen nicht überschritten wird.

Außerdem müsse es zu einer wirklichen Verwaltungsreform kommen, bei der tatsächlich eine Verwaltungsebene vollständig eingespart wird und bei der nicht – wie bei Teufel – lediglich eine unsinnige und kostspielige Behördenverschieberei vollzogen wird.

Insbesondere im Zuständigkeitsbereich des Landwirtschaftsministeriums müssten weitere Strukturbereinigungen angegangen werden. So solle das aufgefächerte landwirtschaftliche Ausbildungswesen im Zuständigkeitsbereich des MLR voll in das berufliche Schul­we­sen integriert werden. Drexler verspricht sich davon beträchtliche Synergieeffekte. Auch sollten die Vielzahl selbstständiger Agraranstalten zusammengeführt und in andere Bereiche integriert werden. Mit der Einrichtung eines Landesbetriebes Forsten könnten weitere Einsparungen und Mehreinnahmen erreicht werden.

Nils Schmid: Landesvermögen neu ordnen
Darüber hinaus muss nach den Worten des finanzpolitischen Sprechers der Fraktion, Nils Schmid, das Landesvermögen neu geordnet werden und das Land müsse sich auch von verzichtbaren Anteilen trennen. Niemand könne erklären, warum das Land eine gut florierende Brauerei besitzt, die Gerichtsvollzieher aber an Private abstoßen wolle.

Die SPD schlägt deshalb vor, die Rothaus-Brauerei an die Landeskreditbank zu ver­äußern. Verkauft werden könnte nach Auffassung der SPD beispielsweise auch das bisherige Staatsweingut Meersburg. Bei der Landesbank Baden-Württemberg sollte sich das Land auf eine Sperrminorität beschränken und die übrigen Anteile, rd. 14 Prozent, an die Sparkassen veräußern. Dies mache auch bankenpolitisch Sinn, da sich die Spar­kassen und die Landesbank erst kürzlich auf eine umfangreiche vertiefte Kooperation und Zusammenarbeit verständigt hätten.

Darüber hinaus erneuert die SPD ihre Forderung, die Landesstiftung aufzulösen und mit den Erlösen Landesschulden zu tilgen. Diesen Weg will die SPD nach Darstellung des SPD-Finanzexperten Schmid auch bei den Erlösen aus den Bankanteilen beschreiten.

Investitionsoffensive zur Stärkung von Wachstum und Beschäftigung im Land
Mit den Verkaufserlösen aus der Rothaus AG dagegen (geschätzt mindestens 200 Mio. netto) will die SPD-Fraktion unmittelbar eine Investitionsoffensive finanzieren und damit Landesvermögen wieder in Investitionen anlegen.
Mit diesem Geld sollen insbesondere die kommunalen Investitionen verstetigt, vorge­se­he­ne Kürzungen im Straßenbau und bei ÖPNV-Investitionen zurückgenommen und Mittel für die Altbaumodernisierung bereitgestellt werden. Dieses investive Maßnahmebündel will die SPD noch ergänzen durch ein zusätzliches Wohnungsbauprogramm in Höhe von rd. 200 Mio., finanziert aus Forderungsverkäufen von Wohnungsbaudarlehen.

Schmid verwies in diesem Zusammenhang auf eine aktuelle Stellungnahme des Landes­wirtschaftsministeriums, wonach solche Investitionsmittel ein bis zu achtfaches Investi­tionsvolumen auslösen und die damit verbundenen Steuermehreinnahmen die eingesetzten Landesmittel wieder aufwiegen.

Schmid: „Auf diese Weise können in dem ökonomisch wichtigen Schlüsseljahr 2004 die Aufschwungkräfte ergänzend zu den Reform- und Steuermaßnahmen des Bundes zusätzlich stimuliert werden, insbesondere für das beschäftigungsintensive Handwerk und den Mittelstand in Baden-Württemberg.“

Mehr Ganztagesschulen, bessere Kinderbetreuung und mehr für Forschung und Entwicklung an den Hochschulen: Umschichtungspläne der SPD
Trotz der enormen finanziellen Hilfe durch die Bundesregierung für Investitionen in Ganztagesschulen bleibe die Landesregierung nach wie vor weit hinter den gesellschaftlichen Notwendigkeiten und ihren politischen Möglichkeiten zurück, kritisiert Schmid. Die SPD werde deshalb im Rahmen der Haushaltsberatungen Änderungsanträge vorlegen, um die von der Landesregierung sträflich vernachlässigten Ganztagesschulen und die Kinderbetreuung zu stärken. Investitionen in Bildung und Betreuung sind nach Schmids Worten ein zentraler Schwerpunkt der Landespolitik der SPD. Dies diene der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, entspreche aber auch dem Bedürfnis der Wirtschaft, zusätzliches qualifiziertes Personal zu erhalten.

Deutliche Korrekturen am Regierungsentwurf will die SPD auch im Forschungsbereich vornehmen. Die von der Landesregierung vorgesehenen drastischen Kürzungen könnten im Interesse der Zukunftsfähigkeit unseres Landes nicht so stehen bleiben. Mit dieser un­ver­antwortlichen Kahlschlagspolitik gefährde die Regierung die Zukunftsressource Bil­dung und Wissen für die Entwicklung Baden-Württembergs. Korrekturen kündigte Schmid außerdem im Sozial- und Kulturbereich an. Es dürfe nicht sein, dass durch Streichung teil­weiser kleiner Beträge die Existenz wichtiger, langjährig gewachsener Einrichtungen aufs Spiel gesetzt werde. Zudem seien die gesellschaftlichen und gesamt­staatlichen Fol­gekosten einer solchen Politik häufig deutlich höher als die kurzfristigen Einsparbeträge.

Finanziert werden die Alternativen der SPD durch konkrete Umschichtungen und durch Zinseinsparungen. Denn die Erlöse aus der Auflösung der Landesstiftung und dem Verkauf der Bankanteile sollen zur Schuldentilgung verwendet werden, was dem Land zusätzlichen finanziellen Spielraum durch Zinsgewinne verschafft.

Helmut Zorell
Pressesprecher