Wolfgang Drexler: „Die komplette Abschaffung des Antiterrorprogramms führt dazu, dass die Kriminaltechnik beim LKA demnächst einen gewaltigen Aderlass hinnehmen muss“

Die von der Landesregierung und den Regierungsfraktionen beschlossene komplette Streichung des Antiterrorprogramms führt beim Landeskriminalamt zu noch schlimmeren Konsequenzen als bisher befürchtet. Nach Informationen der SPD-Landtagsfraktion ist davon vor allem das Kriminaltechnische Institut (KTI) beim LKA betroffen. Im Zuge des Antiterror-Sofortprogramms wurden dort zwei zusätzliche Stellen im höheren Dienst für Explosivstoffuntersuchungen und DNA-Analysen geschaffen, jetzt aber sollen dort nach dem Willen von Innenminister Schäuble wegen der Abschaffung des Antiterrorprogramms gleich vier hochqualifizierte Stellen ersatzlos gestrichen werden. Wegfallen sollen demnach die Stelle des „Chef-Entschärfers“ (Chemiker) beim LKA, eines Toxikologen, eines Handschriftensachverständigen und eines weiteren Kriminaltechnikspezialisten.

Drexler: „Das Landeskriminalamt wird durch die Streichung des Antiterrorprogramms auf einem wichtigen Spezialgebiet zur Terrorismusbekämpfung massiv geschwächt und steht jetzt sogar schlechter da als vor der Einführung des Antiterrorprogramms. Diese haarsträubende und unter Sicherheitsaspekten unverantwortliche Politik der Landesregierung muss sofort gestoppt werden.“

Entsprechend dem von der Regierung vorgelegten und von CDU und FDP im Landtag beschlossenen Haushalt 2004 werden die 50 im Rahmen des Anti-Terror-Sofortprogramms eingerichteten Stellen beim Landeskriminalamt und beim Verfassungsschutz von diesem Jahr an allesamt wieder gestrichen. Außerdem wurden die finanziellen Mittel für die Bekämpfung des Terrorismus von rund 3 Mio. Euro im vergangenen Jahr auf jetzt nur noch rund 300.000 Euro drastisch zusammengestrichen.

Spitze des Eisbergs
Für den SPD-Fraktionschef zeigt dieser Vorgang exemplarisch, wie fahrlässig die Landesregierung inzwischen mit der Inneren Sicherheit im Land umgeht. Die komplette Streichung des Antiterrorprogramms sei dabei aber nur die „Spitze des Eisbergs“. Denn der Personalbestand der Polizei in Baden-Württemberg werde allein in den nächsten fünf Jahren um rund 4.000 Stellen reduziert.

Diesem Stellenabbau stehen selbst nach den äußerst dürftigen Angaben des Innenministeriums im Vergleich zu den Vorjahren extrem wenige Neueinstellungen von Polizeinachwuchskräften gegenüber. Wie sehr hier das Innenministerium mauert und die Öffentlichkeit zu täuschen versucht, zeigt sich auch an der „abstrusen“ Mitteilung Schäubles an die SPD, für die Ausbildungszahlen der kommenden Jahre könne man noch keine Prognose abgeben – noch nicht einmal für den Herbst 2004 – während gleichzeitig die CDU-Fraktionsspitze an besorgte Bürger genau dazu schon konkrete Zahlen nennt.

Postenreform stoppen
Der SPD-Fraktionschef erneuerte seine Forderung an die Landesregierung, die unsinnige Postenreform umgehend zu stoppen. Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen der Regierung sei die Polizei in Baden-Württemberg wie die SPD fest davon überzeugt, dass diese Postenreform in erster Linie ein verkapptes Stellenabbauprogramm darstellt. Genährt wird dieser Verdacht auch durch die Weigerung der Regierung, verbindlich zuzusichern, dass alle derzeit bei den Posten vorhandenen 2.340 Personalstellen erhalten bleiben. Innenminister Schäuble war gegenüber der SPD lediglich zu der Aussage bereit, man wolle „im Rahmen des Möglichen“ versuchen, den Streifendienst von weiteren Stellenstreichungen auszunehmen.

Auf der Sicherheitskonferenz der SPD am vergangenen Wochenende im Landtag mit ungefähr 150 Polizeibeamten und –beamtinnen aus dem ganzen Land sei auch aus diesem Grund massiv die Befürchtung vorgetragen worden, über kurz oder lang werde die Postenreform das ohnehin beschlossene Stellenabbauprogramm bei der Polizei noch beschleunigen, sagte Drexler.

Außerdem befürchten die Polizeifachleute wie die SPD durch den Wegfall der kleinen Polizeiposten den unwiederbringlichen Verlust von speziellen kriminalpräventiven Ortskenntnissen. Auf der Sicherheitskonferenz der SPD-Fraktion wurde von zahlreichen Polizeibeamten vor diesen Folgen der Postenreform ausdrücklich gewarnt. Das über viele Jahre gewachsene Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Polizei werde dadurch Schaden nehmen und die Bereitschaft der Bürger untergraben, der Polizei wichtige Hinweise auf mögliche Straftaten zu liefern.

Drexler: „Über eine durchdachte Postenreform, die ausschließlich unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten erfolgt, hätten wir mit uns reden lassen. Eine Postenreform aber, die in erster Linie dazu dient, Haushaltslöcher zu Lasten der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu stopfen, da machen wir nicht mit. Und dass diese Postenreform zwischen Ministerium und einflussreichen CDU-Abgeordneten und Bürgermeistern teilweise auch noch wie auf einem orientalischen Bazar ausgehandelt wird, setzt dem ganzen die Krone auf. Zu dieser völlig verkorksten Postenreform kann es von der SPD deshalb nur eine Antwort geben: Ein klares Nein.“

Helmut Zorell
Pressesprecher