Bildungssprecher Mentrup: „Es ist offensichtlich geworden, dass die Kultusministerin die Anregungen der Eltern nicht aufnimmt und deren Hoffnungen für eine bessere Schulpolitik enttäuscht“

Aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion fällt die 100-Tage-Bilanz von Kultusministerin Schick mangelhaft aus. Die SPD hat schon bei ihrer Berufung vermutet, dass Ministerpräsident Mappus lediglich aus Marketinggründen auf Schick zurückgreife, um die Kommunikation der Landesregierung bei diesem Thema zu verbessern. Das habe sich bestätigt. „Es ist offensichtlich geworden, dass die Kultusministerin die Anregungen der Eltern für eine bessere Schulpolitik nicht aufnimmt und deren Hoffnungen enttäuscht“, kritisierte der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Frank Mentrup. Schick habe die Gelegenheit verstreichen lassen, die Kultuspolitik des Landes mit eigenen Positionen zu befruchten. „Es ist nicht zu fassen, dass eine neue Ministerin sich gerne damit hervortut, die Uraltpositionen der CDU zu verkaufen und dafür fast vollkommen auf eigenen Wege zu verzichten“, sagt Mentrup. So stehe zwar jetzt ein attraktives Gesicht für die Schulpolitik des Landes, aber an den Inhalten und Baustellen habe sich kaum etwas geändert. „Die von Kultusminister Rau verfolgte Schulpolitik des Landes ist trotz des Wechsels nach wie vor tonangebend“, erklärt Mentrup. Nicht einmal im Frühkindbereich, den Schick verbal so sehr betone, gebe es neue wichtige Ansätze.

Die SPD erkennt bei Schick den Grundansatz, einen Dialog angeblich offen zu führen, sich in Wirklichkeit aber darauf zu beschränken, kritische Ansätze der Eltern und Schulträger abzubügeln. „Schick will keinen konstruktiven Dialog auf Augenhöhe mit allen Beteiligten, sondern sie betreibt Einbahnstraßen-Kommunikation“, sagt Mentrup.

Er verwies deshalb darauf, dass Schick bei grundlegenden Bildungsthemen wie längeres gemeinsames Lernen, Ganztagsschule, verbindliche Grundschulempfehlung und achtjähriges Gymnasium keinerlei Bewegung erkennen lasse. Vielmehr führe die Ministerin die Linie ihres Vorgängers fort, obwohl dadurch das größte Problem der Bildungspolitik, die Abhängigkeit der Bildungserfolge von den sozialen Hintergründen der Schüler, gerade in Baden-Württemberg zementiert werde. Diese unflexible Position Schicks zeige sich besonders an ihrem Umgang mit Anträgen von Kommunen, die vor Ort innovative Schulkonzepte mit längerem gemeinsamem Lernen einrichten wollen. Erst jüngst habe sie in ihrer Antwort auf eine Parlamentsinitiative von SPD und Grüne (Drucksache 14/6284) zum Schulversuch „Neue Sekundarschule Tübingen“ deutlich gemacht: „Das Kultusministerium wird keine Schulversuchsanträge genehmigen, die das Schulsystem beliebig machen und vom Landtag getroffene bildungspolitische Grundsatzentscheidungen konterkarieren.“ Schick weiche also keinen Jota von der Betonlinie ihres Vorgängers ab.

Völlig unflexibel zeige sich die Ministerin auch bei der Genehmigung neuer Konzepte für die Werkrealschule, die auch die Klassenstufen acht bis zehn jeweils einzügig auf mehrere Standorte verteilen wollen – obwohl selbst der Koalitionspartner FDP auf mehr Öffnung poche. Diese Haltung lasse die Beteiligten vor Ort bei ihrem Bemühen, wohnortnahe Schulstandorte zu erhalten, verzweifeln. Bei einem CDU-Empfang in Tübingen Anfang Mai 2010 erklärte Schick mit Blick auf das Werkrealschulkonzept der Landesregierung unmissverständlich: „Es gibt Spielregeln, die muss man einhalten.“ Anders gesagt: Wer nicht so will wie wir, hat Pech gehabt.

Als „rückständig“ bezeichnete der SPD-Bildungssprecher Schicks Haltung zur Schulsozialarbeit. So habe die Ministerin zwar eingeräumt, dass die pädagogischen Anforderungen in den Schulen gestiegen seien. Das bedeute aber nicht, dass dafür spezielle Schulsozialarbeiter in wesentlich höherem Maße notwendig seien, erklärte sie im März 2010 als Reaktion auf einen Vorschlag ihres Kabinettskollegen Goll, an jeder Schule ein bis zwei Schulsozialarbeiter einzusetzen. Mit dieser Position falle Schick deutlich hinter ihren Vorgänger Rau zurück, erklärt Mentrup. „Die Ministerin hat noch nicht erkannt, dass eine gute Schule nicht nur ein Lern-, sondern auch ein Lebensraum ist.“ Hierfür sei ein Mix an unterschiedlichen pädagogischen Professionen unerlässlich, gerade in Ganztagsschulen.

Auch bei der verbindlichen Grundschulempfehlung gebe sich die neue Ministerin hart. Somit bleibe es bei der viel zu frühen Sortierung von Kindern in unterschiedliche Schularten, und bei den bereits in der dritten Klasse beginnenden, schmerzlichen Prozessen für viele Kinder, Eltern und Lehrkräfte. Dabei sei wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Grundschulempfehlung eben nicht ausschließlich nach Leistungskriterien erfolgt, sondern auch durch die soziale Herkunft eines Kindes beeinflusst wird. „Wenigstens hier hätte Frau Schick einen eigenen Impuls geben und die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung aufheben können“, so Mentrup.

Das Prinzip der Politik Schicks, mit großer Inszenierung wenig neue Inhalte zu verkaufen, zeige sich auch an ihrer Absenkung des Klassenteilers in den Grundschulen: Gerade einmal 5 Prozent aller Grundschul-Klassen profitierten davon, dass das Land 810 neue Stellen schafft. Und von den 230 Stellen für Pädagogische Assistenten entfällt auf lediglich jede zehnte Grundschule ein Assistent. Damit sei nicht einmal gewährleistet, dass die stark belasteten Brennpunktschulen entlastet würden.

Stuttgart, 30. Mai 2010
Dr. Roland Peter, Pressesprecher