Fraktionschef Schmiedel: „Die SPD wird damit aufräumen, dass der Bildungserfolg im Land stark vom Geldbeutel der Eltern abhängt“

Bildungssprecher Mentrup: „In der Sprachförderung hat die Landesregierung in den vergangenen Jahren im Bildungsbereich am stärksten versagt“

Die SPD-Landtagsfraktion will mit einer konsequenten Sprachförderung im Land früher beginnen und sie deutlich ausweiten. Gleichzeitig hält die SPD einen Mentalitätswechsel beim Umgang mit anderen Muttersprachen in der Schule für notwendig. Zudem soll die Muttersprache von Migrantenkindern an den Schulen regulär unterrichtet werden. Damit zieht die Fraktion Konsequenzen daraus, dass die schwarz-gelbe Bildungspolitik im Land vor allem ein Ergebnis hat: die Benachteiligung von Kindern sozial schwacher Schichten. „Die SPD wird damit aufräumen, dass ein Schulerfolg im Land stark vom Geldbeutel der Eltern abhängt“, sagt Fraktionschef Claus Schmiedel. CDU und FDP hätten sich demgegenüber seit Jahren geweigert, die negativen sozialen Folgen ihrer Bildungspolitik abzumildern. Die Folge sei jetzt, dass der direkte Übergang von der Schule ins Berufsleben häufig nicht gelinge. Dass die Kultusministerin das Problem ausgerechnet jetzt vor den Wahlen thematisieren wolle, zeige die kurzsichtige Denkweise bei Schwarz-Gelb. „Wie in anderen Fällen auch, wird die Landesregierung lediglich dann aktiv, wenn ihre Angst vor den Wählern groß genug ist“, betont Schmiedel. Dabei seien grundsätzliche Verbesserungen notwendig: „Baden-Württemberg kann es sich nicht mehr leisten, dass viele Jugendliche auf dem Weg in die Ausbildung scheitern.“ Die Sprachförderung gilt als einer der wichtigsten Schlüssel für einen Erfolg in Bildung und Beruf.

Wie wenig sich die Landesregierung bislang für die Sprachförderung interessiere, zeigten Qualität, Umfang und Dauer, erklärt der bildungspolitische Sprecher, Frank Mentrup.

1. Qualität der Förderung. Schon 2009 hätten Sprachforscher der Pädagogischen Hochschulen Heidelberg und Weingarten ihre Evaluation zum „Sag´ mal was“-Programm der Landesstiftung vorgestellt. Ergebnis: Lernzuwächse seien in den Kindergärten zwar vorhanden. Aber gerade bei Kindern mit Förderbedarf gebe es zu wenig Fortschritte, so dass sie den Leistungsabstand zu den anderen Jungen und Mädchen nicht verringern könnten. „Es ist nicht zu fassen, dass Schwarz-Gelb alles einfach so weiterlaufen lässt nach dem Motto: Stört ja sowieso niemanden“, sagt Mentrup.

2. Umfang. Es sei seit längerem bekannt, dass rund 30 Prozent der Kinder eines Jahrgangs Sprachförderbedarf haben, erklärt Mentrup. Anstatt die Unterstützung entsprechend auszudehnen, habe Schwarz-Gelb sie im Gegenteil eingeschränkt. Im Kindergartenjahr 2009/10 wurden dadurch rund 30 Prozent weniger Kinder im Rahmen des Programms gefördert als ein Jahr zuvor: 8.113 Kinder anstatt 11.521 Kinder. Wer so vorgehe, mache vor allem eines deutlich: Die Kosten seien ihm wichtiger als die Sprachhilfe.

3. Dauer. Die Landesregierung setze die individuelle Sprachförderung erst im letzten Kindergartenjahr an. Das widerspreche aber allen Erkenntnissen der Sprachwissenschaft. Die Experten erklären, dass Kinder im Alter von drei Jahren eine Zweitsprache wie eine weitere Muttersprache lernten. Dagegen wäre es für sie später deutlich schwerer und sie brauchten viel länger.

Die SPD will demgegenüber die Sprachförderung an Kindergärten und Schulen deutlich ausbauen. Sie soll entsprechend den wissenschaftlichen Erkenntnissen bereits im ersten Kindergartenjahr beginnen. Dadurch hätten viel mehr Kinder als heute die Chance, die deutsche Sprache bis zum Beginn der Grundschule so zu lernen, dass sie in der Schule gut mitkämen. Mentrup fordert dabei, insbesondere Kindertageseinrichtungen in einem schwierigen sozialen Umfeld mit mehr pädagogischen Fachkräften und deutlich mehr Fortbildungsangeboten auszustatten, um Sprachdiagnostik und -förderung zu stärken. Außerdem müsse der bisherige Sprachfördertest SETK 3-5 um einen Test ergänzt werden, der die Sprachkompetenz der Kinder mit Deutsch als Zweitsprache besser erfasse.

Zudem will die SPD die Sprachförderung in der Grundschule fortsetzen, wenn der Bedarf nachgewiesen werde. Schließlich zeigten internationale Erfahrungen, dass ein Zeitraum von vier bis acht Jahren nötig sei, um eine Zweitsprache systematisch zu erlernen. „Das Land muss die Förderpolitik endlich nach dem Bedarf der Kinder ausrichten, nicht mehr allein nach den Notwendigkeiten des Haushaltes“, unterstreicht Mentrup. Dies soll an der Regierung schrittweise umgesetzt werden, um die Kosten tragen zu können. Die SPD verweist dabei auf das Beispiel England. Jeder junge Mensch erhalte dort so lange eine Englischförderung, bis dem Bildungserfolg in der Schule nichts mehr im Wege stehe – und zwar bis zu fünf Jahre lang.

Damit Grundschullehrer die intensive Sprachförderung aus dem Kindergarten fortführen können, hält Mentrup ein spezielles Fortbildungsangebot für notwendig. Ziel sei, dass Pädagogen sich wie die Erzieherinnen sprachbewusst verhalten und den jeweiligen Entwicklungsstand des Kindes bei der Sprache richtig einschätzen könnten. „Fortschritte sind nur dann möglich, wenn die Lehrer durch hochwertige Fortbildungen in die Lage versetzt werden, richtig zu reagieren“, unterstreicht Mentrup.

SPD-Forderungen im Überblick:
– intensive Sprachförderung bereits zu Beginn der Kindergartenzeit
– Ergänzung des SETK 3-5 um einen Test, der die Sprachkompetenz der Kinder mit Deutsch als Zweitsprache besser erfasst
– Fortführung der intensiven Sprachförderung in der Grundschule
– Fortbildungsangebote für Erzieherinnen und Grundschullehrkräfte im Bereich Sprachdiagnostik und -förderung
– Stärkung der Elternarbeit und -bildung

Andere Muttersprachen sind ein Schatz
Beim Umgang mit anderen Muttersprachen fordert Mentrup einen Mentalitätswechsel an den Schulen: „Andere Muttersprachen sind ein Schatz kein Problem. Dieser Schatz muss gefördert werden.“ Er verweist ebenfalls auf England, wo die jeweilige Muttersprache der Kinder eine hohe Wertschätzung genieße. Schüler mit Englisch als Zweitsprache erhalten dort auch Angebote für einen Unterricht in ihrer Muttersprache. Diese Angebote sind in einem Curriculum strukturiert, können durch Tests und Prüfungen zertifiziert und im Zeugnis nachgewiesen werden.

Die SPD will das baden-württembergische Bildungssystem ebenfalls stärker auf die vorhandenden unterschiedlichen Muttersprachen einstellen. So könnten einzelne Muttersprachen wie Türkisch oder Russisch als reguläres Fremdsprachenangebot an den Schulen gelernt werden – auf Basis der Kompetenzen und Lernziele aus den Bildungsplänen und auf Basis von Lehrkräften, die in Deutschland aus- und fortgebildet wurden. Schulen könnten weniger vertretene Muttersprachen als Arbeitsgemeinschaft anbieten und zusätzliche anerkannte Zertifikate im Zeugnis ergänzen. „Dies wäre ein sinnvoller Weg, nicht nur mit dem vorhandenen Sprachschatz in den Schulen konstruktiv umzugehen, sondern die jungen Menschen intensiv zu fördern“, erklärt Mentrup.

SPD will Rückstand des Landes bei Ganztagsangeboten rasch abgeben
Die SPD hält die Sprachförderung zwar für einen wichtigen, wenn nicht sogar den wichtigsten Schlüssel für die Entkopplung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg. Allerdings könne sie allein nicht dafür sorgen, die in Baden-Württemberg besonders starke Abhängigkeit zu beseitigen. So müsse ein besonderes Augenmerk auf die Elternarbeit und Elternbildung gelegt werden. Die Eltern sollten viel stärker in die Abläufe in den Kindertageseinrichtungen und Schulen einbezogen werden.

Für eine entscheidende Stellschraube zur Entkopplung des Zusammenhangs von sozialer Herkunft und Bildungserfolg hält die SPD aber gut ausgestattete, echte Angebote zur Ganztagsbildung. Dass es in Baden-Württemberg großen Nachholbedarf gebe, verdeutliche auch die ideologischen Bauchschmerzen der CDU bei diesem Thema. Mit lediglich 11,6 Prozent hat das Land die bundesweit geringste Quote an Ganztagsbetreuung für Kinder im Alter von 3 bis unter 6 Jahren in Kindertageseinrichtungen. Der bundesweite Durchschnitt beträgt 29,9 Prozent (Stand 2009).

Auch beim Anteil der öffentlichen Ganztagsschulen im Grundschulbereich liegt Baden-Württemberg mit 8,8 Prozent meilenweit hinter dem Bundesdurchschnitt von 36,8 Prozent (Stand 2008) zurück. „Baden-Württemberg muss die rote Laterne bei der Ganztagsbildung rasch abgeben, damit alle jungen Menschen im Land bessere Bildungschancen erhalten“, betont Schmiedel.

Stuttgart, 28. Januar 2011
Dr. Roland Peter
Pressesprecher