Fraktionschef Schmiedel: „Wir müssen dafür sorgen, dass die Schüler nicht die Leidtragenden der unsensiblen Bildungsplanung werden“

SPD: Die Vorbereitung für den doppelten Abitursjahrgang ist handwerklich schlecht gelaufen


Die Schwierigkeiten beim doppelten Abitursjahrgang 2012 in Baden-Württemberg seien noch größer als bisher gedacht, erklärte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. Immer wieder tauchten neue Probleme auf, die zuvor nicht erkannt worden seien. „Das zeigt, dass die handwerkliche Vorbereitung dieses Vorgangs wesentlich schlechter abläuft als wir vermutet hätten“, erklärte der Fraktionschef. Als neues Beispiel nannte er den Übergang vom allgemeinbildenden auf das berufliche Gymnasium ab 2009. Hier reichten schon die vorhandenen Lehrerstellen bei weitem nicht aus. Auch inhaltlich sei der Übergang unzureichend vorbereitet. So hätten Schüler, die im Sommer von der neunten Klasse im G 8 auf das Berufliche Gymnasium wechseln würden, keine Mittlere Reife. Sollten sie durchfallen, würde ihnen der Schulabschluss fehlen. Schmiedel: „Die politischen Fehler der Landesregierung schlagen hier voll auf die einzelnen Schüler durch.“

Handwerkliche Fehler zeigten sich auch an der Absicht, die Kurse in der Oberstufe gemeinsam für die Schüler von G 8 und G 9 zu veranstalten – für Schüler also, die zuvor anhand vollkommen unterschiedlicher Lehrpläne unterrichtet wurden. Nun sollen alle zusammengepackt werden. „Die pädagogischen Nachteile sind zweitrangig für die Landesregierung“, sagte der bildungspolitische Fraktionssprecher Frank Mentrup.

Die SPD-Fraktion befürchtet aber auch insgesamt, dass die Herausforderungen für Schüler, Eltern und Lehrer beim doppelten Abitursjahrgang 2012 in Baden-Württemberg kaum zu bewältigen sein würden. Die Situation werde noch dadurch erschwert, dass doppelte Abitur-Jahrgänge in diesem Jahr in drei weiteren Bundesländern neben Baden-Württemberg die Gymnasien verlassen sollen. Der Handlungsdruck steige dadurch erheblich, um den Schülern gute Perspektiven an den Hochschulen und Ausbildungsplätzen bieten zu können. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Schüler nicht die Leidtragenden der unsensiblen Bildungsplanung werden“, sagte Schmiedel.

Vorstoß zur Entzerrung der doppelten Jahrgänge
Die SPD-Fraktion schlägt vor, die beiden Abitursprüfungen für das G 8 und das traditionelle G 9 in Baden-Württemberg im Jahr 2012 zu entzerren. Die Prüfung des G 9-Jahrgangs solle so vorgezogen werden, dass die Schülerinnen und Schüler ihr Zeugnis am 31. März dieses Jahres erhalten. Der Vorteil wäre, dass sie dadurch ihr Studium bereits im Sommersemester 2012 beginnen könnten. Demgegenüber würden die Schüler des ersten G 8-Prüfungsjahrganges ihre Prüfung wie vorgesehen im Frühsommer 2012 absolvieren und sich ab Wintersemester 2012/13 an den Hochschulen einschreiben. Der befürchtete geballte Ansturm auf die Hochschulen in diesem Jahr wäre also deutlich verringert. „Damit könnten wir diesem Studenten-Jahrgang doch noch einen angemessenen Studienbeginn verschaffen“, sagte Mentrup.

Sowohl die Gymnasien als auch die Hochschulen müssten auf diese Regelung vorbereitet werden. Bei den Schulen hätte sie etwa den positiven Effekt, dass das Kurssystem von G 8 und von G 9 nicht zusammengebunden werden müsste, sondern der Unterricht könnte getrennt ablaufen. Der Vorteil wäre, dass die einzelnen Kurse nicht so groß wären, wie bislang von Eltern befürchtet. Die einzelnen Schüler könnten dadurch mit einem deutlich größeren Lernerfolg rechnen. Allerdings müssten die Hochschulen den bislang auf das Wintersemester festgelegten Studienbeginn flexibilisieren. Demgegenüber bestünde der große Vorteil für Unis, FHs und Berufsakademien, dass der zu erwartende Ansturm von Studenten durch die Entzerrung eher zu bewältigen wäre. „Die SPD-Fraktion zeigt damit, dass sie praktikable Lösungen für die Menschen sucht und nicht wartet, bis nichts mehr geht“, erklärte Schmiedel. Er hält es noch bis zum Sommer für möglich, die notwendigen Korrekturen vorzunehmen.

SPD verlangt Korrekturen beim Konzept „Hochschule 2012“
Ungeachtet dieser Entzerrung verlangt die Fraktion Verbesserungen beim Konzept „Hochschule 2012“ der Landesregierung. Die Zahl der von der Landesregierung geplanten 16.000 zusätzlichen Studienplätze müsse um 4000 erhöht werden. Denn die Hochrechnungen des Wissenschaftsministeriums seien mit großen Unsicherheiten belastet.

Zum ersten stellt die SPD die Grundannahme der Landesregierung, dass im Jahr des Abiturs weniger als die Hälfte der Studienberechtigten an die Hochschulen gehe, für höchst fraglich. Schon allein durch die negative wirtschaftliche Entwicklung sei absehbar, dass sich die Neigung zu einem raschen Studienbeginn spürbar erhöhe. Schon jetzt sei die Studierneigung stark auf fast 50 Prozent eines Altersjahrgangs gestiegen – und liege damit deutlich höher als erwartet. Zum zweiten wechselten bislang deutlich mehr Studierende von den Bachelor- in die Masterstudiengänge als angenommen. Entsprechend würden mehr Kapazitäten an den Unis gebunden. Zum dritten hält es die SPD für kaum kalkulierbar, wie viele Studenten aus anderen Bundesländern zuwanderten. Und zum vierten gebe es bislang keine Vorkehrungen, falls ein Teil der rund 10.000 Studierenden aus Baden-Württemberg, die an Hochschulen anderer Bundesländer abgewandert seien, wieder zurückkehre. „Das alles macht deutlich, dass die bisherigen Annahmen nicht haltbar sind“, sagte Schmiedel. Und: „Wir müssen bei den Vorkehrungen deutlich zulegen.“ Ansonsten müssten die Studierenden im Jahr 2012 noch mehr mit überfüllten Hörsälen und Seminaren rechnen als bisher. Zusätzlich zum Ausbau der Studienplätze fordert die SPD, dass auch die Kapazitäten in Praktika und Referendariat sowie in den Wohnheimen der Studierenden ausgebaut würden.

SPD: Ausbildungsmarkt muss für Jahr 2012 vorbereitet werden
Darüber hinaus hält es die SPD-Fraktion für überaus wichtig, für das Jahr 2012 auch beim Ausbildungsmarkt vorzusorgen. Schließlich sei absehbar, dass Abiturienten dann auch verstärkt hier unterkommen wollten. „Wir befürchten, dass es einen Verdrängungswettbewerb geben wird“, erklärte Mentrup. Darunter hätten vor allem die Absolventen der Real- und der Hauptschulen zu leiden. Schließlich haben die Statistiker des Landesamtes in einer Modellrechnung für 2012 festgehalten, dass in diesem Jahr rund 10.000 Abiturienten zusätzlich Ausbildungsplätze suchen werden. Die SPD-Fraktion fordert deshalb einen „Sonderpakt Ausbildung 2012“ der Landesregierung mit Wirtschaftsverbänden, Kammern und Gewerkschaften, um zusätzliche Ausbildungsplätze bereit zu stellen. Die Vorbereitungen hierfür müssen jetzt beginnen. „Auch diese jungen Leute dürfen nicht darunter zu leiden haben, dass die Landesregierung einen schnelleren Durchlauf am Gymnasium haben wollte“, betonte Schmiedel.

Darüber hinaus müssten auch die Kapazitäten in den Freiwilligendiensten (Freiwilliges Soziales Jahr, Freiwilliges Ökologisches Jahr) erweitert werden. Schließlich finde dieses Angebot bei den jungen Menschen erfreulicherweise immer größeren Anklang. Deshalb hält die SPD es für absehbar, dass es im Jahr 2012 ohne Erhöhung der Plätze auch in diesem Bereich erhebliche Engpässe geben werde.

Alle Vorschläge fließen in einem Fraktionsantrag an den Landtag ein.


Dr. Roland Peter
Pressesprecher