Fraktionsvize Nils Schmid (SPD): „Mappus ist es offensichtlich wichtiger, den Burgfrieden mit der FDP zu wahren, anstatt Kommunen und Polizei im Kampf gegen alkoholisierte Randalierer wirksam zu unterstützen“

Oberbürgermeister Christof Bolay: „Nächtliche Saufgelage in Wohngebieten machen den Anwohnern das Leben schwer“

Polizei-Gewerkschaftschef Rüdiger Seidenspinner: „Die Wirksamkeit dieses Alkoholverbots wurde in Freiburg durch den Rückgang der Gewaltdelikte um 16 Prozent belegt und die Erfahrungen der Kollegen waren gut“

Die SPD-Landtagsfraktion fordert die Landesregierung auf, eine Rechtsgrundlage für ein Alkoholkonsumverbot auf öffentlichen Plätzen zu schaffen. Innenminister Rech solle zu seiner Zusage stehen, eine gesetzliche Lösung voranzutreiben. „Es ist völlig unverständlich, dass die Landesregierung nicht zu ihrem Versprechen gegenüber den Kommunen steht“, erklärt Nils Schmid, stellvertretender Fraktionschef und designierter Spitzenkandidat. Schließlich hätten die Erfahrungen mit der Polizeiverordnung in Freiburg (siehe unten) gezeigt, dass sich mithilfe eines solchen Alkoholverbotes Gewaltausbrüche an besonderen Brennpunkten zurückdrängen ließen. „Die Landesregierung muss Kommunen und Polizei im Kampf gegen alkoholbedingte Gewalt unterstützen“, fordert Schmid. Er wirft Ministerpräsident Mappus vor, sich wie schon bei der Steuer-CD auch in dieser Frage der inneren Sicherheit von seinem Koalitionspartner vorführen zu lassen.

Seit Freiburg sei erwiesen, dass Kommunen mithilfe eines solchen Alkoholkonsumverbots die Situation an bestimmten Brennpunkten entspannen könnten. Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim im Juli 2009 eine entsprechende Polizeiverordnung der Stadt Freiburg für unwirksam erklärt, da eine gesetzliche Grundlage für ein solches Verbot fehle. Angesichts des dortigen Erfolgs kündigte Innenminister Rech bereits im Herbst 2009 an, eine „saubere Rechtsgrundlage“ für Modelle wie die Freiburger Verordnung zu schaffen. Doch Rech habe seine Zusage nicht erfüllt, erklärt Schmid, da ihn die FDP ausgebremst habe. „Die FDP hat offensichtlich nicht erkannt, wie ernst und gefährlich die Situation in den Kommunen ist.“ Er forderte die Liberalen auf, sich dringend über die Auswüchse zu informieren. Schmid hält es für schlimm, dass Ministerpräsident Mappus kürzlich in der Regierungspressekonferenz „Verständnis für die Position der FDP“ äußerte. Für den SPD-Politiker ist deshalb absehbar, dass die Regierungskoalition nicht die Stärke finde, das Verbot durchzusetzen: „Mappus ist es offensichtlich wichtiger, den Burgfrieden mit der FDP zu wahren, anstatt Kommunen und Polizei im Kampf gegen alkoholisierte Randalierer wirksam zu helfen.“

Die SPD fordert demgegenüber, eine Rechtsgrundlage für ein solches Verbot schnellstmöglich in das Polizeigesetz aufzunehmen. „Mit der warmen Jahreszeit beginnt die Zeit der öffentlichen Saufgelage an gewissen Brennpunkten, ohne dass die Gemeinden und die Polizei ausreichende Befugnisse haben, effektiv einzuschreiten“, sagt Schmid.

Polizei kann durch Verbot effektiver einschreiten
Die Probleme durch Alkoholmissbrauch in den Kommunen kennt Christof Bolay, Oberbürgermeister der Stadt Ostfildern, aus seiner Stadt. Auch er erwartet in den Sommermonaten ein Wiederaufleben dieser Ausschweifungen: „Nächtliche Saufgelage auf Spielplätzen und Schulhöfen in Wohngebieten machen den Anwohnern das Leben schwer.“ Die Nachbarn fühlten sich verständlicherweise hierdurch stark gestört und beklagten ihre Ohnmacht gegenüber diesen Treffen. Zwar würden sie regelmäßig die Polizei informieren, aber bis zu deren Eintreffen verginge oftmals einige Zeit. „Abends und nachts ist der Polizeiposten in Ostfildern unbesetzt und die Kräfte des weiter entfernten Reviers in Filderstadt sind für uns zuständig“, berichtet Bolay. Das Einsatzgebiet des Reviers sei allerdings so groß und ihre Personaldecke so dünn, dass den Beamten gar nichts anderes bleibe, als Prioritäten zu setzen.

Von einer gesetzlichen Grundlage für ein räumlich begrenztes Alkoholkonsumverbot erwartet der Ostfilderner Oberbürgermeister eine stärkere Durchsetzungskraft: „Bislang ist es ist für Jugendliche einfach, sich ordentlich zu benehmen, sobald die Polizei in Sichtweite kommt und dann haben die Beamten nichts in der Hand, um einen Platzverweis oder ein Aufenthaltsverbot auszusprechen.“ Die Personalengpässe in den Revieren erlaubten es schließlich nicht, dem Treiben stundenlang zuzusehen. „Ein solches Alkoholkonsumverbot ist notwendig, damit die Polizei effektiv einschreiten kann“, sagt Bolay.

Der Oberbürgermeister verweist auch auf die Symbolkraft einer solchen Polizeiverordnung. „Es gibt immer wieder couragierte Bürgerinnen und Bürger, die das Gespräch mit den Jugendlichen suchen und auf ein Ende solcher Alkoholexzesse hinwirken“, berichtet Bolay. Eine rechtliche Grundlage würde deren Argumentation deutlich stärken.

Alkoholmissbrauch führt oft zu Gewalt gegen Polizisten
Auch die Polizei verlangt, dass der Gesetzgeber einschreitet. Rüdiger Seidenspinner, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Baden-Württemberg (GdP), verweist auf besorgniserregende Entwicklungen: „Die Bedeutung des Alkohols als tatbegleitender Faktor hat insbesondere bei Jugendlichen in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen und massiver Alkoholmissbrauch trägt erheblich zu Gewaltausbrüchen bei.“ So wurde 2008 in Baden-Württemberg bei jedem dritten Tatverdächtigen von Gewalttaten zwischen 10 und 25 Jahren der Einfluss von Alkohol festgestellt; bei Sachbeschädigungen war bei einem Viertel der Jugendlichen und nahezu bei der Hälfte der heranwachsenden Täter Alkohol im Spiel.

Seidenspinner sieht Alkoholmissbrauch aber auch als Ursache dafür, dass die Polizei zusehends selbst in Schwierigkeiten kommt: 2008 standen die Tatverdächtigen in drei von vier Fällen von Widerstand gegen die Staatsgewalt unter Alkoholeinfluss. „Ich kann jeden Polizisten im Land verstehen, der es leid ist, für das gesellschaftliche Problem des Alkoholmissbrauchs seinen Kopf hinzuhalten – im wahrsten Sinne des Wortes“, sagt Seidenspinner. Zwar erzielten zahlreiche Präventionsprojekte gerade im Jugendbereich beachtliche Erfolge, aber sie könnten keine eindeutige Rechtsgrundlage für ein Verbot des Alkoholkonsums ersetzen.

Seidenspinner hält es durch die Erfahrungen in Freiburg für erwiesen, dass eine solche Polizeiverordnung die zunehmende Gewaltbereitschaft vorwiegend Jugendlicher und Heranwachsender in den Nachtstunden an Wochenenden eindämmen könne. „Die Wirksamkeit der Regelung ist durch den Rückgang der Gewaltdelikte um 16 Prozent belegt und die Erfahrungen der Freiburger Kollegen waren gut“, berichtet Seidenspinner. Auch das subjektive Sicherheitsempfinden der Anwohner und Besucher habe sich verbessert, da massive Störungen der Ordnung etwa durch Lärm, Zurücklassen von Müll oder Urinieren in der Öffentlichkeit zurückgegangen seien.

Für den Landeschef der Polizeigewerkschaft drängt sich die Änderung des Polizeigesetzes nach den Freiburger Erfahrungen geradezu auf. „Den Beamten wäre es durch eine räumlich und zeitlich beschränkt wirksame Polizeiverordnung möglich, niederschwellig und im Vorfeld alkoholbedingter Eskalationen einzugreifen“, erläutert Seidenspinner. Im Moment seien die polizeilichen Maßnahmen im Wesentlichen auf den Platzverweis und das Aufenthaltsverbot beschränkt. Dies mache es meist erforderlich, dass die Polizisten in eine bereits alkoholisierte Gruppe hinein agierten. Nach seiner Erfahrung eskaliere die Situation oftmals dann erst richtig.

Schmid unterstreicht aber auch, dass es der SPD mit ihrem Vorstoß nicht darum gehe, den Bürgern in Baden-Württemberg flächendeckend ihr Freiluftbier an lauen Sommerabenden zu verbieten: „Die SPD will es den Kommunen ermöglichen, der Polizei an neuralgischen Brennpunkten, wo exzessiver Alkoholkonsum immer wieder zu Schlägereien und Vandalismus führt, weitere präventive Befugnisse einzuräumen – räumlich und zeitlich eng begrenzt.“ Selbstverständlich sei unbestritten, dass der zunehmende Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen nicht allein durch ein solches Verbot gelöst werden könne. „Es ist ein Baustein in unseren Anstrengungen, dieses Phänomen zum Schutz der Jugend in den Griff zu kriegen“, erklärt Schmid.

Stuttgart, 3. Mai 2010
Dr. Roland Peter
Pressesprecher