Fraktionsvizechef Nils Schmid: „Die SPD wird nicht zulassen, dass die Risiken des Bologna-Prozesses die Berufs- und Lebensperspektiven junger Menschen beeinträchtigen“

Hochschulexperte Johannes Stober: „Das Grundrecht auf freie Ausbildungs- und Berufswahl darf auch vor dem Master nicht Halt machen“

Die SPD-Landtagsfraktion hat heute einen Gesetzentwurf zur Änderung des Landeshochschulgesetzes eingebracht, mit dem erfolgreiche Bachelor-Absolventen einen Anspruch auf Zulassung zu einem Master-Studiengang erhalten sollen. „Wenn die Bachelor-Absolventen keinen sicheren Arbeitsplatz bekommen, muss es neue Perspektiven für sie geben“, erklärt Nils Schmid, Fraktionsvizechef und Spitzenkandidat der SPD. Und: „Die SPD wird nicht zulassen, dass die Risiken des Bologna-Prozesses die Berufs- und Lebensperspektiven junger Menschen beeinträchtigen.“ Anstatt die schwierige Lage an den Hochschulen so schnell wie möglich anzugehen, lasse die Landesregierung die Probleme schleifen.

Die Sozialdemokraten halten einen Anspruch zur Zulassung zu den Master-Studiengängen angesichts der starken Nachfrage für unbedingt notwendig. Dieser Druck
werde insbesondere an den Universitäten immer deutlicher spürbar (siehe: UniSPIEGEL vom Oktober 2010: „Das Master-Desaster – Bachelor-Absolventen kämpfen um Studienplätze“). Auch wenn dieser Befund in den verschiedenen Berufsfeldern unterschiedlich ausgeprägt ist, sei inzwischen klar, dass der Berufseinstieg mit dem Bachelor-Abschluss schwierig, oftmals sogar unmöglich sei. Als besonders pikant bezeichnet Schmid eine Untersuchung des Instituts für Managementkompetenz an der Universität des Saarlandes. Danach zählten gerade Unternehmen wie BASF, BMW, Hypovereinsbank und Deutsche Telekom, die als erstes nach der Einführung von Kurzzeitstudiengängen gerufen hatten, jetzt zu denjenigen Betrieben, die den Bachelor-Absolventen offenbar nur geringe berufliche Perspektiven anbieten würden.

Der Bologna-Prozess sieht bislang vor, dass die Mehrzahl der Studierenden die Hochschulen nach ihrer beruflichen Qualifizierung mit einem Bachelor-Abschluss verließen. Danach sollten nur wenige junge Leute, vornehmlich mit wissenschaftlichen Ambitionen, in die Master-Studiengänge wechseln. Diese Annahme sei von Anfang an höchst fragwürdig gewesen, erklärt Johannes Stober, in der Fraktion Sprecher für Fragen der Studierenden. Er verwies auf die höchst unterschiedlichen Verhältnisse in den einzelnen Hochschularten, Wissenschaftsdisziplinen und Berufsfeldern. So sei immer schon klar gewesen, dass in Fächern wie Physik, Biologie oder Chemie der Bachelor-Abschluss bestenfalls in eine Laborantentätigkeit münden könne. Hier gelte erst der Doktor-Grad als berufsqualifizierend. Deshalb sei es überhaupt nicht überraschend, dass Bachelor-Absolventen in vielen Berufsfeldern massenhaft den Weg in die Master-Studiengänge suchten, weil sich diese Qualifikation als nicht ausreichend für eine berufliche Beschäftigung erwiesen habe.

Die SPD fordert die Landesregierung dringend auf, sich diesen Folgen zu stellen. „Der Bologna-Prozess wird nicht dadurch gerettet, dass seine Folgen schönfärberisch übertüncht werden“, sagt Schmid. Er verlangt, dass der Wissenschaftsminister endlich aktiv werde und für diesen Prozess konkrete Korrekturmaßnahmen einleite. Dazu gehöre in erster Linie der Anspruch auf Zulassung zum Master-Studium.

Der Gesetzentwurf der SPD sieht daher vor, für jeden Studierenden beim Übergang vom Bachelor einen Platz im Masterstudiengang sicherzustellen. „Wer ein Bachelor-Studium beginnt, muss sicher sein, danach ein Masterstudium anschließen zu können“, fordert Stober. Er verweist auf das in Artikel 12 Grundgesetz verankerte Recht auf freie Ausbildungs- und Berufswahl, wonach es aus guten Gründen einen Anspruch auf einen Platz in dem gewünschten Studiengang gebe. Eingeschränkt oder mit einer Wartezeit versehen werden könne ein solcher Anspruch lediglich dann, wenn die Zahl der Bewerber die Zahl der Studienplätze überschreite. Schließlich gelte diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1972 zum Artikel 12 auch für die Zulassung zum Masterstudium, sagt Stober. Die SPD sieht daher die Einschränkungen im baden-württembergischen Hochschulgesetz, das überdurchschnittliche Prüfungsergebnisse (oder vergleichbare Zugangshemmnisse) für ein Master-Studium verlangt, als rechtswidrig an und will sie streichen.

Stober hat hier Informationen, dass manche Universitäten die Regelungen dadurch umgehen, dass sie die Abschlüsse ihrer Bachelor-Absolventen grundsätzlich als „überdurchschnittlich“ ansehen würden. Damit könnten sie allen eigenen Studierenden einen freien Zugang zum Master gewähren. Der Hochschulexperte hält es aber für zweifelhaft, ob diese Regelungen bei Konkurrentenklagen von Bewerbern anderer Hochschulen vor Gericht tatsächlich Bestand hätten. „Die Landesregierung zwingt die Hochschulen offensichtlich zu einer unsinnigen Zugangspolitik, die letztlich vor Gericht scheitern wird“, erklärt Stober.

Als zusätzliches Problem sieht Stober den Umgang mit Bewerbern von Fachhochschulen (heute Hochschulen für angewandte Wissenschaften), die sich derzeit um einen Masterplatz an einer Universität bewerben. Es gebe Hinweise, nach denen Universitäten deren Bachelor-Abschlüsse nicht als gleichwertig anerkennen würden. Dabei gehe es besonders um Masterstudiengänge, deren Zulassungsvoraussetzungen weitgehend auf dem Universitäts-Bachelor basierten. Solche Satzungen würden fundamental dem Grundgedanken des Bologna-Prozesses widersprechen, der ja die Wechselmöglichkeiten zwischen den Hochschularten verbessern und nicht verschlechtern sollte.

Stuttgart, 11. November 2010
Dr. Roland Peter
Pressesprecher