Ute Vogt: „Die Nachfrage nach Ganztagesschulen ist riesig und dieser Kernaufgabe muss sich die Landespolitik jetzt stellen“

Wolfgang Drexler: „Durch Umschichtungen im kommunalen Investitionsfonds und durch Immobilienverkäufe werden Landesmittel für eine unserer wichtigsten Zukunftsaufgaben frei“

Die SPD will das bisherige Schwarze-Peter-Spiel der Landesregierung beim Ausbau der Ganztagesschulen nicht länger hinnehmen und sich auch nicht auf die Versprechungen des neuen Ministerpräsidenten verlassen. Sie hat deshalb einen eigenen Vorschlag unterbreitet und ein Ausbauprogramm im Umfang von rund 400 Millionen Euro vorgestellt.

Mit diesem Geld soll nach den Angaben der SPD-Landesvorsitzenden und Spitzenkandidatin Ute Vogt sichergestellt werden, dass zumindest die Schulen, die beim Kultusministerium bereits jetzt ihren Bedarf an Ganztageseinrichtungen angemeldet haben aber vom Bundesprogramm nicht mehr profitieren, innerhalb von vier Jahren auch tatsächlich ausgebaut werden können. Nach derzeitigem Stand geht es dabei um 349 Schulen und eine Investitionssumme von rund 319 Millionen Euro. Das 400-Millionen-Programm der SPD soll jeweils zur Hälfte von Land und Kommunen gespeist werden. Das Land fördert damit kommunale Investitionen in Ganztagesschulen zu 50 Prozent.

Die SPD-Spitzenkandidatin machte deutlich, dass sich der Finanzierungsvorschlag für ein schnell greifendes Landesprogramm zum Ausbau der Ganztagesschulen zwangsläufig an den miserablen Rahmenbedingungen des von Herrn Oettinger mitbeschlossenen Landeshaushalts orientieren müsse. Konkret schlägt die SPD vor diesem Hintergrund vor, die Landesmittel durch Umschichtungen im kommunalen Investitionsfonds und durch Erlöse aus den ohnehin geplanten Immobilienverkäufen aufzubringen.

Das freiwillige Förderprogramm des Bundes (IZBB) mit rund 528 Millionen Euro für Baden-Württemberg hat nach den Worten von Ute Vogt im ganzen Südwesten eine gigantische Nachfrage ausgelöst und damit die Versäumnisse der Landesregierung in aller Deutlichkeit offen gelegt. Es grenze an Politikverweigerung, wenn die zuständige Kultusministerin nun einfach die Hände in den Schoß lege und allen Kommunen, die nicht mehr in den Genuss von Bundeszuschüssen kommen, mitteilen lasse, der Bundestopf sei leer und das Land selber habe leider kein Geld für diese Aufgabe. Ute Vogt stellte fest:

1. Es war von vornherein klar, dass es über die 528 Millionen Euro (für die Jahre 2003 bis 2007) freiwillige „Schulentwicklungshilfe“ für Baden-Württemberg hinaus keine weiteren Zuschüsse vom Bund geben wird.
2. Frau Schavan hat aus diesem Bundesgeld zum Beispiel ihr teures Elite-Internat in Schwäbisch Gmünd mit über 10 Millionen Euro finanziert. Auch die Umrüstung von Gymnasien im Zuge der Einführung des achtjährigen Gymnasiums (G8-Projekte) hat Schavan vielfach mit Bundesgeld abgewickelt und damit ihren eigenen Etat entlastet. Dieses Bundesgeld fehlt jetzt den Schulen, die ausgereifte Ganztagsschulkonzepte entwickelt haben.
3. Das von Frau Schavan verordnete Windhundprinzip bei der Zuteilung der Bundesmittel war und ist ungerecht, denn es hat diejenigen Schulen und Schulträger benachteiligt, die mit großem Zeitaufwand durchdachte Konzepte vorlegen wollten. Dazu kommt, dass die Anträge von Gemeinden und Schulen in den einzelnen Oberschulämtern völlig unterschiedlich gehandhabt wurden.
4. Das Kultusministerium hat interessierten Schulen und Schulträgern gezielt verschwiegen, dass der vom Bund für Baden-Württemberg zur Verfügung stehende Etat wegen der riesigen Nachfrage spätestens seit September 2004 ausgeschöpft war.
5. Die Union hat die Föderalismuskommission scheitern lassen, weil sie darauf pochte, dass Bildung Ländersache bleiben müsse. Dieselbe CDU verlangt nun vom Bund mehr Geld für die Bildungspolitik der Landesregierung. Und die Landesregierung weigert sich, den Ganztagsschulen (außer den 171 sogenannte Brennpunktschulen) Mittel für pädagogisches Personal zur Verfügung zu stellen.
6. Günther Oettinger und Frau Schavan haben bei ihren Regionalkonferenzen versprochen, dass Ganztagsschulen „flächendeckend entlang des Bedarfs“ ausgebaut werden sollen. Jetzt ist der Bedarf offenkundig: Dem Kultusministerium liegen schon jetzt 349 Anträge für Ganztagsschulprojekte vor, die nicht mehr von der Bundesregierung bezuschusst werden können. Insgesamt wurden seit Beginn des Bundesprogramms 914 Anträge beim Kultusministerium eingereicht.
7. Vielerorts haben die Gemeinderäte fraktionsübergreifend und mit Zustimmung der CDU Resolutionen verfasst, mit denen die Landesregierung aufgefordert wird, endlich ein eigenes Landesprogramm für Ganztagsschulen aufzulegen. Sogar in der Landeshauptstadt Stuttgart ist der Unmut über die Landesregierung so groß, dass die CDU-Fraktion zusammen mit den anderen Fraktionen eine entsprechende Resolution verabschiedet hat.

Auch die im Städtetag Baden-Württemberg organisierten Oberbürgermeister der Großen Kreisstädte fordern vom Land mit dem Argument „Bildungspolitik ist eine originäre Landesaufgabe“ mehr Geld zur Finanzierung schulischer Ganztagesangebote.

Ute Vogt: „Bildungspolitik ist in der Tat eine originäre Landesaufgabe. Ohne die freiwillige Hilfe durch den Bund würden die eklatanten Versäumnisse der Ära Teufel/Oettinger/Schavan noch viel krasser zu Tage treten. Mit einer Politik des ‚Weiter so’ muss jetzt Schluss sein.“

Baden-Württemberg brauche dringend mehr Ganztagesschulen, um die Qualität des Unterrichts und die individuelle Förderung jedes einzelnen Schülers zu verbessern und den Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern.

Wolfgang Drexler: Einzelheiten zur Finanzierung
Zur Finanzierung des Landesanteils am 400-Millionen-Programm zum Ausbau der Ganztagesschulen schlägt die SPD nach Darstellung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Drexler zwei Maßnahmen vor: Umschichtungen im kommunalen Investitionsfonds und Verkäufe von Landesimmobilien.

1. Die Landesregierung hat vor kurzem in einem so genannten kommunalen Entlastungspaket ein Abwassermoratorium beschlossen. Damit werden auch die Landesmittel im kommunalen Investitionsfonds für kommunale Abwasseranlagen teilweise frei. Im Doppelhaushalt 2005/06 sind für diesen Zweck insgesamt rund 119 Millionen Euro veranschlagt. Die SPD schlägt vor, dass daraus vier Jahre lang von 2005 bis 2008 jährlich 25 Millionen Euro, insgesamt also 100 Millionen Euro, in die Schulbauförderung umgeschichtet werden.
2. Die Landesregierung hat beschlossen, über die Ansätze im laufenden Doppelhaushalt hinaus zusätzliche Landesimmobilien im Wert von mindestens 300 Millionen Euro zu verkaufen. Soweit tatsächlich nicht mehr benötigte Liegenschaften des Landes abgestoßen werden, kann nach Auffassung der SPD ein Teil des Erlöses wieder reinvestiert werden in dringend benötigte Infrastruktur in Baden-Württemberg. Deshalb schlägt die SPD vor, von den zusätzlichen Verkäufen nicht mehr benötigter Landesimmobilien vier Jahre lang jeweils 25 Millionen Euro, insgesamt also 100 Millionen Euro, für ein „Landesprogramm Ganztagesschulen“ für die Städte und Gemeinden des Landes zur Verfügung zustellen.

Drexler: „Damit werden Liegenschaften des Landes getauscht in künftige Schulbauten der Kommunen, für die das Land eine hohe Mitverantwortung trägt.“ Die von der Landesregierung im Rahmen ihrer Immobilienverkäufe ebenfalls beabsichtigten Verkauf- und Rückmiet-Modelle über die neue Landesimmobiliengesellschaft will die SPD-Fraktion nach den Worten von Wolfgang Drexler ausdrücklich nicht in ihr „Landesprogramm Ganztagesschulen“ miteinbeziehen. Diese Vorhaben würden von der SPD kritisch beurteilt, weil durch die damit verbundenen künftigen Mietverpflichtungen kommende Haushalte vorbelastet würden.

Der SPD-Fraktionschef wies darauf hin, dass mit dem Landesprogramm Ganztagesschulen – neben der Finanzierung einer zentralen landespolitischen Zukunftsaufgabe – auch ein für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt des Landes hilfreiches Konjunkturprogramm auf den Weg gebracht werde.

Drexler: „Allein für das Baugewerbe und das Handwerk bringt unser Landesprogramm zusammen mit dem Bundesprogramm Aufträge mit einem Volumen von über einer Milliarde Euro.“

Andreas Reißig
Pressesprecher des SPD-Landesverbands
Helmut Zorell

Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion