Rechtsexperte Stickelberger: „Angesichts zahlreicher Klagen wollen wir wissen, ob sich Goll fragwürdiger privater Schuldeneintreiber bedient“


Die SPD-Landtagsfraktion ist beunruhigt über das neueste Pilotprojekt von Justizminister Goll. Demnach soll die Baden-Badener Firma „infoscore Forderungsmanagement GmbH“ im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Projektes die Kosten aus Gerichtsverfahren eintreiben. Die Firma hat nach den Angaben des Ministeriums zwar keine eigenen Vollstreckungsbefugnisse. Sie soll aber, wie der Justizminister erklärt, säumige Schuldner „nachhaltig“ daran erinnern, die Schulden zu bezahlen. Aufgrund zahlreicher Beschwerden auf einschlägigen juristischen Blogs und Anwaltshomepages im Internet über angeblich fragwürdige Geschäftspraktiken von infoscore verlangt die SPD in einem Parlamentsantrag genaue Auskunft vom Justizminister über das Projekt. „Angesichts zahlreicher Klagen wollen wir wissen, ob sich Goll fragwürdiger privater Schuldeneintreiber bedient“, sagte der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Rainer Stickelberger.

Private Inkassounternehmen hätten aufgrund teilweise rabiater Geschäftspraktiken bisweilen einen schlechten Ruf, erklärte Stickelberger. Umso größer müsse die Sorgfalt bei der Auswahl sein, wenn private Schuldeneintreiber im Auftrag der Justiz tätig werden sollen. „Mit fragwürdigen Inkassomethoden kann das Ansehen der Justiz auf nicht wieder gut zu machende Weise beschädigt werden.“

Stickelberger will deshalb von Justizminister Goll wissen, nach welchen Kriterien die Firma „infoscore Forderungsmanagement GmbH“ ausgewählt wurde, wie ihre Seriosität überprüft wurde, und wer die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen wie kontrolliert – zumal dieses Feld der Schuldeneintreibung durch ein privates Unternehmen im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren besonders sensibel ist. Der Rechtsexperte interessiert sich auch dafür, mit welchen Mitteln die Firma infoscore Schuldner „nachhaltig daran erinnern“ soll, die Schulden zu begleichen, wie es in einem Pressetext des Justizministeriums vom 27. Mai 2009 heißt. Ein Thema ist auch, wie die Firma infoscore für die Eintreibung von Schulden vom Land bezahlt wird. Stickelberger geht es insbesondere darum, ob dem Justizministerium die zahlreichen Warnungen im Internet vor den angeblich fragwürdigen Zahlungsaufforderungen der Firma infoscore bekannt sind und wie sie diese Beschwerden bewertet.


Zahlreiche kritische Hinweise auf die Geschäftspraktiken von infoscore stehen etwa auf „JuraBlogs.com“, einem Portal für juristische Blogs:

Eintrag vom November 2008
„Vorsicht bei Zahlungsaufforderung der infoscore Forderungsmanagement GmbH im Namen der „Mick-Haig Productions Inc.” nach Abmahnung von deren Rechtsanwälten Schutt Waetke

Derzeit erhalten viele arglose Internetnutzer eine Zahlungsaufforderung der infoscore Forderungsmanagement GmbH aus Baden-Baden wegen angeblicher Forderungen der „Mick-Haig Productions Inc.”. Hierbei handelt es sich um eine einschlägig bekannte Produktionsfirma für Pornovideos aus den Vereinigten Staaten. In dem Mahnschreiben werden Schadensersatzforderungen, Verzugszinsen, Inkassokosten und Kontoführungsgebühren von meist mehreren hundert Euro beansprucht. Das Mahnbüro behauptet dabei, dass die vermeintlichen Forderungen „längst überfällig“ seien und nun der Auftrag erfolgt sei, die offenen Ansprüche einzutreiben. Schließlich sei zuvor auch eine Abmahnung der Rechtsanwälte Schutt Waetke aus Karlsruhe erfolgt. Dies wird häufig sogar auch dann behauptet, wenn zuvor keine Korrespondenz mit den Anwälten oder Dritten erfolgte. Durch das offiziell wirkende Schreiben der Inkassofirma wird dennoch der Eindruck erweckt, dass tatsächlich eine Zahlungsverpflichtung besteht.“

Eintrag vom März 2009
„Neue Flut von Forderungsschreiben der infoscore Forderungsmanagement GmbH nach Abmahnungen der Kanzlei Schutt Waetke Derzeit erhalten wieder viele arglose Internetnutzer zweifelhafte Zahlungsaufforderungen der infoscore Forderungsmanagement GmbH aus Baden-Baden wegen angeblicher Forderungen meist völlig unbekannter Firmen wie z. B. Anime Virtual, CDV Software, Battlefront, Peppermint Jam Records, Techland, Eidos GmbH, Tobis Film, Andorfine Music, Mick-Haig Productions Inc. usw. Grund für die Forderungen sind mutmaßliche Urheberrechtsverstöße, wegen “illegaler Downloads“ von Filmen, Computerspielen, Software, Nachschlagewerken oder Erotik-Produktionen aller Art. In Tauschbörsen oder mittels peer-to-peer-Netzwerken sollen geschützte Produkte wie Computerspiele verbreitet worden sein. Durch die offiziell wirkende Mahnung des Inkassobüros wird der vorschnelle Eindruck erweckt, dass bereits eine rechtskräftige Zahlungsverpflichtung besteht. Die ist jedoch oft ein Irrtum! Keinesfalls sollten übereilte Zahlungen geleistet werden.“

Stuttgart, 15. Juni 2009
Dr. Roland Peter
Pressesprecher