Fraktionschef Claus Schmiedel: „Hier zeigt sich, dass Mappus letztlich Angst vor einer Entscheidung des Volkes hat“

Die SPD-Fraktion weist die heute von den Gutachtern der Landesregierung vorgebrachten Ergebnisse zum SPD-Antrag für eine Volksabstimmung über „Stuttgart 21“ zurück. Ihre Erklärung stützt sich auf die rechtliche Einschätzung von Prof. Dr. Georg Hermes, Institut für öffentliches Recht, Fachbereich Rechtswissenschaft, Universität Frankfurt, und Prof. Dr. Joachim Wieland, Professor für öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. „Das Ergebnis zeigt, dass das Gutachten von vornherein als Alibi für die Regierung gedacht war“, erklärt SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. Die SPD wird ihren Antrag Ende Oktober im Landtag einbringen und ihn dabei mit neuen rechtlichen Gutachten unterstützen. „Letztlich geht es nicht um rechtliche Einschätzungen, sondern darum, ob die Regierung einen Volksentscheid politisch will oder nicht“, sagt Schmiedel. Und: „Hier zeigt sich, dass Mappus letztlich Angst vor einer Entscheidung des Volkes hat.“

Zu 1.
Die Kompetenz des Bundes in Angelegenheiten der Eisenbahn-Infrastruktur ist unbestritten. Ziel der SPD-Fraktion war es zu keinem Zeitpunkt, in diese Kompetenz des Bundes einzugreifen. Vielmehr geht es um den Ausstieg aus dem Finanzierungsvertrag, in dem das Land als Vertragspartner fungiert.
Zu 2.
Artikel 60 Absatz 3 der Landesverfassung sieht ein förmliches Abstimmungsverfahren unter Beteiligung der Landesregierung und des Landtags vor. Es liegt in der Hand der Landesregierung, durch einen entsprechenden Gesetzentwurf eine Volksabstimmung im Land herbeizuführen. Entgegen der Ansicht der Regierungsgutachter genügt dieses Motiv.
Zu 3.
Auch Artikel 60 Absatz 6 der Landesverfassung, der grundsätzlich keine Abstimmung über das Staatshaushaltsgesetz erlaubt, widerspricht nicht dem Antrag. Nach der derzeitigen Rechtslage sind Volksabstimmungen über finanzwirksame Gesetze durchaus möglich.
Zu 4.
Verträge, die das Land und den Steuerzahler über viele Jahre in der Größenordnung vieler Millionen verpflichten, gehören nicht in die exklusive Zuständigkeit der Regierung. Das Parlament und das Volk als Gesetzgeber haben hier ein Zugriffsrecht. Das folgt aus den grundlegenden Geboten des Rechtsstaats (Vorrang des Gesetzes vor dem Vertrag) und der Demokratie. Berechtigten Belangen des Vertrauensschutzes seitens der Vertragspartner wird durch Entschädigungsregelungen Rechnung getragen.
Zu 5.
Ein Recht auf Beendigung des Vertrags wäre aus Gründen der Demokratie geboten. Wenn das Parlament und das Volk feststellen sollten, dass „Stuttgart 21“ schwere Nachteile für das Gemeinwohl mit sich brächte, die es zu verhüten gälte, dann spräche vieles dafür, dass die Landesregierung ein Kündigungsrecht nach § 60 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes hätte. Jedenfalls würde dann eine Aufhebung des Vertrages durch Gesetz in Betracht kommen. Die Vertragspartner wären gegebenenfalls zu entschädigen.

Stuttgart, 5. Oktober 2010
Dr. Roland Peter
Pressesprecher