Claus Schmiedel: „Die SPD will mit einer sicheren Energiewende den Ausstieg aus der Atomkraft bis spätestens 2020 erreichen und dabei den Strompreis für die Verbraucher stabil halten“

Thomas Knapp: „Wenn das Land günstigeren Strom haben will, muss es auf Sonne, Windkraft und Biomasse setzen“

Atomausstieg noch in diesem Jahrzehnt, starker Ausbau der erneuerbaren Energien, Unterstützung der Wirtschaft beim Ausbau der Energieeffizienz und Stärkung der kommunalen Energiekonzepte: Mit diesem Vier-Punkte-Programm strebt die SPD-Fraktion die Energiewende nach der Atomkatastrophe von Japan an. „Die SPD will mit einer sicheren Energiewende bis spätestens 2020 den Ausstieg aus der Atomkraft erreichen und dabei den Strompreis für die Verbraucher stabil halten“, erklärt Claus Schmiedel, Fraktionschef und im SPD-Regierungsteam vorgesehen als Wirtschaftsminister. Das Konzept zielt darauf ab, Neckarwestheim I und Philippsburg I im Land sofort endgültig stillzulegen und die neueren Meiler bis spätestens 2020. Sie sollen ersetzt werden durch Strom aus Windkraft, Sonne, Kraftwärmekoppelung und Biomasse sowie durch eine deutlich bessere Ausnutzung der Energie. Die SPD will dabei Anreize für Wirtschaft und Kommunen schaffen, neue Methoden zur Energieeinsparung und zum Klimaschutz zu entwickeln und voranzubringen. Insbesondere die EnBW soll künftig zum Vorzeigeunternehmen für erneuerbare Energien werden. „Allen Unkenrufen der Atomlobbyisten zum Trotz ist es möglich, im Land auf diese menschenfeindliche Technologie zu verzichten und dennoch kostengünstigen Strom zu erhalten – wir müssen aber jetzt den unter Rot-Grün begonnenen Umstieg fortsetzen“, sagt Schmiedel.

1. Atomausstieg so schnell wie möglich
Die SPD hält es angesichts der riskanten und etwa vor Flugzeugabstürzen und Terrorangriffen kaum geschützten alten Meiler für unabdingbar, sowohl Neckarwestheim I als auch Philippsburg I auf Dauer abzuschalten. Sie hält die plötzliche Einsicht von CDU und FDP zur Atomkraft für unglaubwürdig und lediglich hervorgerufen durch die Angst vor einer Wahlniederlage. Thomas Knapp, energiepolitischer Sprecher der Fraktion, verweist darauf, dass Schwarz-Gelb bei allen Gesetzen, die die Atomkraft begrenzen und die erneuerbaren Energien ausbauen sollten, für die Kernenergie eingetreten ist: „Die Bürger haben angesichts ihrer vielfältigen Erfahrungen mit den Pro-Atom-Parteien kein Vertrauen in die Versprechungen von Mappus und Co.“

Nun werde auch deutlich – trotz der jahrelangen gegensätzlichen Erklärungen von Schwarz-Gelb –, dass bei der Abschaltung von acht Meilern in Deutschland die Stromversorgung nicht in Gefahr gerate. Schließlich werde in Deutschland deutlich mehr Strom produziert als benötigt. Davon profitiert auch Baden-Württemberg, das regelmäßig rund 17 Prozent seiner benötigten Energie einführt. Das Land sei aber nicht von einer unsichtbaren Stromgrenze umgeben, sondern greife selbstverständlich auf die Zufuhr aus anderen Bundesländern zurück. Die Behauptung von Mappus, der jetzige Import würde bei einer Abschaltung durch Strom aus unsicheren ausländischen Meilern noch weiter verstärkt, entbehre deshalb jeder Grundlage. „Es ist offensichtlich, dass die CDU hier mit einer Angstkampagne versucht, die Atomkraft im Land zu verteidigen“, sagt Schmiedel.

Die SPD will nach der Abschaltung der beiden alten Kraftwerke auch die beiden jüngeren Anlagen Neckarwestheim II und Philippsburg II spätestens bis zum Ende des Jahrzehnts ersetzen. Sie erzeugen jährlich rund 20 TWh Strom, umfassen damit rund 25 Prozent der heute im Land verbrauchten elektrischen Energie. „Diese Menge ist bei einer konsequenten Politik für die erneuerbaren Energien und zur Steigerung der Energieeffizienz bald ersetzbar“, betont Knapp.

Allerdings müsse auch die EnBW-Geschäftsleitung die Zeichen der Zeit endlich erkennen, sagt Schmiedel. Dass Vorstandschef Villis immer noch davon spreche, das Moratorium der Bundesregierung nach drei Monaten wieder zurückzudrehen, zeige sein Denken alten Stils. Diese Pro-Atom-Haltung habe dazu geführt, dass das Unternehmen den rot-grünen Atomkompromiss von Beginn an bekämpfte, obwohl die Konzernleitung den Ausstiegsvertrag selbst unterschrieben hatte. „Die EnBW muss jetzt dafür büßen, dass sie seit Jahren die Chance verpasst, sich in großem Stil auf das große wirtschaftliche Potenzial der erneuerbaren Energien einzulassen“, betont Knapp. Es sei deshalb auch kein Wunder, dass 57 Prozent des EnBW-Stroms in Kernkraftwerken erzeugt werde, aber nur 10 Prozent durch erneuerbare Energien. Und selbst dieser geringe Wert umfasst noch die Nutzung der traditionellen Wasserkraft.

Die SPD will die EnBW deshalb dazu drängen, die erneuerbaren Energien mit der gesamten Kraft eines Großkonzerns umzusetzen. Dieser Umbau soll dazu beitragen, den Unternehmenswert zu erhalten, damit auch die 20.000 Arbeitsplätze zu schützen und finanzielle Verluste für das Land zu reduzieren. „Nur wenn die EnBW sich jetzt konsequent auf Windkraft, Sonnenenergie und Biomasse einlässt, kann sie die aktuellen Marktchancen nutzen – falls nicht, sind die Folgen unabsehbar“, erklärt der Wirtschaftsminister in spe, Claus Schmiedel.

Die SPD will schon deshalb schnell aus der Atomkraft aussteigen, weil die Stadtwerke bundesweit Investitionen in Höhe von zehn Milliarden Euro gestoppt hätten, um den vorhandenen Stromüberschuss nicht noch weiter zu erhöhen. Atomstrom sei deshalb ein klares Hindernis für den wirtschaftlichen Fortschritt, das endlich überwunden werden müsse. Schmiedel verwies auch auf die große Zahl an Arbeitsplätzen, die im Land jetzt schon mit den erneuerbaren Energien verbunden seien: „Wer die Unternehmen im Land fördern will, muss sich vom Atomstrom verabschieden.“

2. Energiewirtschaft fußt auf Wind und Sonne
Die kürzlich präsentierte Untersuchung des Fraunhofer Institutes ISE aus Freiburg bestätigt einmal mehr, dass der Atomausstieg im Land mithilfe der erneuerbaren Energien möglich ist. Die Forscher übertreffen selbst das ehrgeizige Szenario der SPD, bis zum Jahr 2020 rund 40 Prozent des Stroms aus Sonne und Windkraft, Biomasse und Biogas, Wasserkraft und Kraftwärme-Koppelung zu ersetzen.

Der Anteil der im Land selbst erzeugten Energie bleibt bei einem Umstieg zunächst ungefähr gleich hoch. Nachdem in der Vergangenheit lediglich rund 85 Prozent des gesamten Strombedarfs in Baden-Württemberg erzeugt wurden, soll aber auf mittlere Sicht der gesamte Eigenbedarf hier produziert werden. Das würde auch die Stromversorgung insgesamt sicherer machen.

Die SPD will das Land deshalb auch nicht vom Windstrom aus der Nordsee abhängig machen, da Entstehung und Transport hier zunächst deutlich teurer wären als bei Windrädern etwa in den Mittelgebirgen. Dass Baden-Württemberg hier ein großes ungenutztes Potenzial aufweist, hält die SPD inzwischen für oftmals nachgewiesen – auch wenn Schwarz-Gelb wider besseres Wissen nicht müde werde, das Gegenteil zu behaupten. Für die SPD ist es aber auch wichtig, zusätzlich die Energieeffizenz erheblich zu verbessern. Experten des Wuppertal-Instituts halten es für problemlos möglich, ein Fünftel des Stroms bis 2020 einzusparen. Dazu müsse der Einsatz von effizienten Haushaltgeräten, Maschinen und Motoren in der Industrie gefördert werden (siehe dazu Punkt vier).

Der Strompreis für die Verbraucher wird durch die erneuerbaren Energien nach Ansicht der SPD weitgehend stabil bleiben, selbst wenn die CDU auch hier auf Angstkampagnen setze. So besagt die ISE Studie des Fraunhofer Instituts, dass spätestens ab 2020 Strom aus erneuerbaren Energien günstiger ist als aus konventionellen Kraftwerken. Andere Studien halten sogar einen deutlich früheren Zeitpunkt für möglich. Aber auch die Atomkraft werde erheblich teurer, etwa durch Nachrüstungen der Werke, die Brennelementesteuer und die immer größeren Kosten für Uran. „Wenn das Land günstigeren Strom haben will, muss es auf Sonne, Windkraft und Biomasse setzen“, unterstreicht Knapp.

3. Anreize für Kommunen mit Klimaschutzkonzepten
Die SPD will die Energiewende auch auf der kommunalen Ebene vorantreiben: „Anreize sollen die Kommunen dazu bringen, vor Ort stärker auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu setzen“, erklärt Schmiedel. Er will Kommunen, die ein eigenes Klimaschutzkonzept vorlegen, bei der Verteilung der Städtebauförderung belohnen. Ihre Projektvorschläge würden dabei auf der Prioritätenliste nach oben rutschen, sie könnten damit Fördermitteln zur Stadtentwicklung deutlich schneller erhalten. Die SPD setzt auf das Beispiel vieler vorbildhafter Kommunen im Land, die bereits örtliche Klimaschutzprojekte entwickelt haben. So griffen seit dem Jahr 2008 bereits 147 Städte und Gemeinden aus dem Land auf Fördermittel des Bundes zurück.

Damit soll die Entwicklung eigener kommunaler Klimaschutzkonzepte vorangetrieben werden. Die SPD strebt neben einer besseren Nutzung regenerativer Energien auch eine gesteigerte Energieeffizienz an. Beides soll dazu dienen, das klimaschädliche CO2 einzusparen. „Die Kommunen können so einen großen Beitrag dafür leisten, dass Baden-Württemberg noch schneller auf Atomenergie verzichten kann“, unterstreicht Schmiedel.

4. Energieeinsparung durch Effizienzsteigerung
Schon bisher wird die Effizienzsteigerung theoretisch immer wieder als wichtiges Instrument dafür genannt, um den Stromverbrauch im Land zu senken. Auch das von der SPD-Landtagsfraktion im vergangenen Herbst vorgelegte „Energieleitszenario 2050“ sieht vor, bis 2020 den Gesamtverbrauch an Strom um rund 10 Prozent zu reduzieren. Allerdings gibt es bisher auf Landesebene wenige konkrete Instrumente, um Anreize für die Energieeinsparung zu setzen. Diesen Mangel soll ein neues Förderpaket bei der Landeskreditbank schließen. Die SPD setzt dabei auf die innovativen Ansätze baden-württembergischer Unternehmen, die sich in vielen Umwelttechnologien eine starke Position am Weltmarkt erarbeitet haben. Geplant sind:

– eine Investitionsförderung über 20 Millionen Euro für die Umsetzung von neuen Energie-, Rohstoff- und materialeffizienten Produktionsverfahren in kleinen- und mittelgroßen Unternehmen.
– ein Fonds über zwei Millionen Euro für Existenzgründer, die mit ihren Unternehmen Innovationen bei der Energieeffizienz umsetzen. Die SPD will damit Ideen aus den Labors herausholen und für die Praxis nutzbar machen. Schließlich werden in den Universitäten und Forschungseinrichtungen des Landes herausragende Verfahren für die Energie-, Rohstoff- und Materialeffizienz entwickelt.
– ein Programm über drei Millionen Euro für Angebote zur Effizienzberatung. Damit soll vor allem der ineffiziente Einsatz von Energie bei kleinen- und mittelgroßen Unternehmen verbessert werden.

Dass die SPD damit richtig liegt, die Stromeffizienz gerade bei Unternehmen zu verbessern, zeigt eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger für den Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) aus dem Jahre 2009 zur Energieeffizienz in dieser Branche. Danach handelt es sich um ein ausgesprochen großes Potenzial. Die Studie summiert die Einsparungen mithilfe von Technologien des Maschinen- und Anlagenbaus auf eine Größenordnung, die den Strombedarf aller Haushalte in Baden-Württemberg decken würde.

Die SPD will mit ihrem Vier-Punkte-Programm die wichtigsten Faktoren für eine Energiewende vorantreiben. Besonders wichtig sei es, neben den Kommunen auch die Unternehmen einzubeziehen. „Nur wenn das Land es schafft, auch die Verbesserungschancen beim Stromeinsatz in den mittelständischen Unternehmen einzubeziehen, lässt sich die Energiewende entscheidend voranbringen“, betont Schmiedel. Und: „Klar ist damit trotz aller Abwehrversuche der Atomanhänger: Die Energiewende in Baden-Württemberg ist mit der SPD bald möglich.“

Stuttgart, 21. März 2011
Dr. Roland Peter
Pressesprecher