Hochschulexperte Martin Rivoir: „Oettinger und Frankenberg wollten die Hochschulen wie Unternehmen organisieren und sind daran gescheitert“

Die SPD-Landtagsfraktion solidarisiert sich ausdrücklich mit den Protesten der Studierenden gegen die Misere an den Hochschulen. „Trotz aller Lobeshymnen von CDU und FDP für die Hochschulen ist die Situation dort inzwischen dramatisch“, sagte Martin Rivoir, hochschulpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Das zeige die Haltung des Vorsitzenden der Landesrektorenkonferenz der Universitäten, Professor Liebig, der sogar Hörsaalbesetzungen „in Ordnung“ finde. Rivoir sieht in diesem ungewöhnlichen Schritt einen Hilferuf des LRK-Vorsitzenden an die Studierenden.

Denn die Hochschulleitungen seien angesichts der schwerwiegenden Probleme am Ende mit ihrem Latein: „Die Konsenssucht der Rektoren mit Oettinger und Frankenberg ist krachend gescheitert“, sagte Rivoir. Schließlich sei die dramatische Unterfinanzierung der Hochschulen auf die beiden bestehenden Solidarpakte mit der Landesregierung zurückzuführen. Inzwischen versuche die Landesregierung trotz dieser Verträge sogar, im Haushaltsentwurf 2010/11 Kürzungen umzusetzen. „Die Landesregierung verspielt mit diesem Bruch des Solidarpaktes endgültig das Vertrauen von Studenten und Professoren“, unterstrich Rivoir.

Die SPD-Fraktion fordert in einer neuen Großen Anfrage zur „aktuellen Situation der Studierenden an unseren Hochschulen und im Vorfeld des doppelten Abiturjahrgangs im Jahr 2012“ zum einen erneut, die Studiengebühren abzuschaffen. Zum anderen kritisiert sie, dass die Hochschulen durch ihre schlechte Finanzlage gezwungen seien, zunehmend Mittel der Studierenden für Aufgaben der Grundfinanzierung zu verwenden. Demgegenüber habe die Landesregierung ursprünglich zugesagt, für die Grundfinanzierung selbst aufzukommen und dafür keine Mittel aus den Gebühren zu verwenden. „Dass die Landesregierung ihre Zusage bricht, zeigt einmal mehr, wie problematisch die Situation der Hochschulen derzeit ist“, sagte Rivoir.

Die SPD drängt zudem darauf, die Bachelorstudiengänge zu revidieren. Damit verliere das Studium seinen ursprünglichen wissenschaftlichen Charakter und diene lediglich dazu, die Studierenden dem Arbeitsmarkt anzupassen. Selbst ein Auslandsstudium könne kaum mehr wahrgenommen werden. Der Bologna-Prozess sei den Hochschulen in einer Art Automatismus übergestülpt worden sei. Dies zeige, dass es der Landesregierung nicht darum gegangen sei, das Studium zu verbessern. „Oettinger und Frankenberg wollten die Hochschulen wie Unternehmen organisieren und sind daran gescheitert“, sagte Rivoir. Zudem müsse es den Hochschulen zusätzlich finanziert werden, dass für die Bachelor-Studiengänge ein 15 Prozent höherer Mehraufwand notwendig sei.

Rivoir forderte zudem, dass der doppelte Abi-Jahrgang 2012 nicht dazu führen dürfe, die Zulassung an den Hochschulen weiter zu beschränken. Es zeichne sich jetzt schon ab, dass sich die Studierenden-Ströme nicht so lenken ließen, wie von der Landesregierung geplant. Die SPD verlangt zudem die Wiedereinführung einer Verfassten Studierendenschaft, damit die Studierenden wieder als ernstzunehmende Verhandlungspartner am Tisch der Hochschulleitung vertreten seien.

Rivoirs Fazit angesichts der Vielzahl unerledigter Baustellen: „Obwohl die Landesregierung die guten Ergebnisse der Hochschulen gerne für sich in Anspruch nimmt, behandelt sie Unis, FHs und PHs in Wahrheit sehr stiefmütterlich.“

Stuttgart, 16. November 2009
Dr. Roland Peter
Pressesprecher