SPD-Obmann Andreas Stoch: „Die Landesregierung und Mappus persönlich haben mit ihrem Kurs bewusst eine Eskalation in Kauf genommen, die letztlich zu den schlimmen Vorfällen vom 30. September führte“

Grünen-Obmann Uli Sckerl: „Mappus kann sich nicht herausreden, nicht beteiligt gewesen zu sein“

Auch nach der neuen Antwort der Landesregierung auf die parlamentarische Anfrage der SPD bleiben für SPD und Grüne mehr offene Fragen als Antworten, eines mache sie aber deutlich: „Ministerpräsident Mappus hat den Einsatz der Wasserwerfer im Schlossgarten gebilligt und ist damit politisch für die Folgen verantwortlich“, erklärt Andreas Stoch, Obmann der SPD im Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des Polizeieinsatzes. Und Grünen-Obmann Hans-Ulrich Sckerl unterstreicht: „Mappus kann sich endgültig nicht mehr damit herausreden, nicht beteiligt gewesen zu sein.“

SPD und Grüne sehen diesen Einsatz als Bestandteil einer Strategie, die die Landesregierung seit Mitte September verfolgte. Seitdem habe Mappus auf Konfrontation umgeschaltet und die Tonlage deutlich verschärft. Beispiel sind der „Fehdehandschuh“, den der Ministerpräsident angeblich aufgenommen habe oder auch das Zitat der „Berufsdemonstranten“, bei denen "Aggressivität und Gewaltbereitschaft" zunähmen.

In diesem Zusammenhang wollen SPD und Grüne genauer wissen, welche Aufgabe der Medienberater Dirk Metz beim Projekt Stuttgart 21 tatsächlich hat.

Klar sei aber, dass die Polizei als Folge der veränderten Politik der Landesregierung ebenfalls ihre Strategie geändert habe. Schließlich lehnte Polizeipräsident Stumpf noch am 29. Juni die Anforderung von Wasserwerfern kategorisch ab: „Vom Einsatz solcher Mittel halte ich gar nichts.“ Er verwies selbst darauf, dass die Stuttgarter Polizei ihre Wasserwerfer schon vor 30 Jahren aussortierte. Und Wasser sei hier letztmals vor 40 Jahren gegen Menschen eingesetzt worden.

SPD und Grüne halten auch die jetzt vorliegenden Argumente der Polizei für den Einsatz der Wasserwerfer „für äußerst dünn und erkennbar für vorgeschoben“. Die Polizeiführung begründet ihre Taktik zum einen mit einer „Bewertung der zurückliegenden Ereignisse und Einsatzlagen“. Für SPD und Grüne ist dies aber völlig unklar. Schließlich habe es vor dem 30. September – mit offenbar einer Ausnahme – keine gewalttätigen Aktionen der Demonstranten gegeben. Zum anderen wird von der Polizei auf eine „deutlich erhöhte Emotionalisierung und daraus resultierende Aktionsformen“ verwiesen. Die dann beispielhaft aufgeführten Ankettungs- und Baumbesetzungsaktionen sowie Straßenblockaden aber hätten ohne Probleme auch anders gelöst werden können. „Diese Erklärungen für den Einsatz von Wasserwerfern reichen auf keinen Fall aus“, sagt Stoch. Und Sckerl ergänzt: „Es wird immer deutlicher, dass der Polizeieinsatz gegen friedliche Demonstranten und eine angemeldete Schülerdemonstration keinesfalls verhältnismäßig war.“

Offensichtlich habe die Polizei beschlossen, die Wasserwerfer bereitzustellen, davon habe Mappus gewusst. Wer aber solche Mittel bereitstelle, sei auch mit ihrem Einsatz einverstanden. Dass Mappus diesen Schritt nicht unterbunden habe, markiere deshalb seine politische Verantwortung. „Ein Ministerpräsident, der über den denkbaren Einsatz von Wasserwerfern unterrichtet wird und keinen Einspruch erhebt, ist für die Folgen politisch eindeutig verantwortlich“, betont Stoch. Für Sckerl sind damit die Vorwürfe gegen die Landesregierung offensichtlich: „Mappus kann sich nicht mehr aus der Verantwortung stehlen.“

SPD und Grüne sehen eine Reihe von Zeugenaussagen für den politischen Einfluss. So verweisen sie auf die Äußerung von Gewerkschaftern, der Wasserwerfer sei der Polizeiführung „aufgeschwätzt“ worden. Der Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes vertritt die These, die Eskalation sei kalkuliert herbeigeführt worden: "Polizeieinsätze in dieser Dimension und mit diesem politischen Hintergrund können nicht ablaufen, ohne dass sie vorher politisch abgestimmt worden sind. Und es ist für mich im Grunde genommen nachvollziehbar und relativ eindeutig, dass hier im Vorfeld eine bestimmte politische Linie vorgegeben worden ist, um eben Macht zu zeigen, um Stärke zu zeigen." Und: “Man hat das Gefühl, die Politik wollte diesen Konflikt.”

Wie sehr die Polizisten durch die Äußerungen aus der Politik beeinflusst wurden, zeigen zwei Zitate vom Einsatztag. Die SPD ist darüber von den Gewerkschaften informiert worden: „Jetzt ist Schluss mit dem Kuschelkurs“, wird am 30. September über Funk erklärt. Und vom Fahrer eines Wasserwerfers heißt es: „Wir schießen sie aus den Bäumen heraus.“

Damit ist der Schluss für SPD und Grüne offensichtlich: „Die Landesregierung und Mappus persönlich haben mit ihrem Kurs bewusst eine Eskalation in Kauf genommen, die letztlich zu den schlimmen Vorfällen vom 30. September führte“, sagt Stoch. Und Sckerl: „Der Untersuchungsausschuss muss Licht ins Dunkel bringen.“

Wie sehr die Landesregierung die Aufklärung befürchtet, zeige ein kurzfristig anberaumtes Treffen der Leiter der Polizeidirektionen von Anfang Oktober. Hier sei es offensichtlich darum gegangen, die Polizeichefs an die kurze Leine zu nehmen. Diesem Ziel diene auch das Vorgehen gegen kritische Polizeigewerkschafter. Letztlich sei dies aber auch der Ausdruck eines vordemokratischen Denkens, das Ministerpräsident Mappus gerne pflege.

Stuttgart, 4. November 2010
Wolfgang Schmitt
Pressesprecher Grüne

Dr. Roland Peter
Pressesprecher SPD-Fraktion