MdL Peter Hofelich: „Der Einstieg der Privatwirtschaft in kommunale Unternehmen bedroht im Zusammenspiel mit der EU unsere Wasserversorgung“

MdL Walter Heiler: „Wasser muss ein öffentliches Gut bleiben, deshalb muss die Landesregierung endlich gegensteuern“

Die SPD-Landtagsfraktion sieht die hohe Qualität und die öffentliche Kontrolle der Wasserversorgung in Baden-Württemberg in akuter Gefahr. Die Sprecher der Fraktion für Europa- und für Kommunalpolitik, Peter Hofelich und Walter Heiler, schlagen Alarm und fordern die Landesregierung in einem Parlamentsantrag auf, endlich tätig zu werden. Die Abgeordneten sprechen von einer bedrohlichen Gefahrenspirale, da die Qualität der Wasserversorgung gleich von mehreren Seiten bedroht werde. Schwierigkeiten drohten demnach vor allem von der EU-Kommission, aber auch von der Landesregierung – und die Kommunen säßen in der Zwickmühle.

Hofelich und Heiler werfen der Regierung vor, die notwendigen Schritte zur Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge seit Jahren zu verschleppen.

Vor diesem Hintergrund präsentiert die SPD ein landespolitisches Maßnahmenbündel, damit das hohe Niveau der Wasserversorgung und deren öffentliche Kontrolle erhalten bleiben und nicht auf dem Altar reinen Profitdenkens geopfert werden.

Eine weitere Privatisierung der Wasserversorgung lehnen Hofelich und Heiler angesichts der Erfahrungen in anderen Ländern, insbesondere in Großbritannien, strikt ab. Bei einer Übernahme der Wasserversorgung durch privatwirtschaftliche Unternehmen spiele der Renditeaspekt gegenüber der Qualität der Versorgung notwendigerweise eine dominante Rolle. Bislang hätten Kommunen die Wasserversorgung oftmals als Nebensparte der Stadtwerke eher nebenbei an Private verkauft, vor allem beim Verkauf ihrer kommunalen Strom- und Gasversorgung.

Hofelich: Die Pläne der EU-Kommission für den europäischen Wassermarkt stehen im Widerspruch zum europäischen Grundlagenvertrag

Peter Hofelich wertet die aktuelle Mitteilung der EU-Kommission zur Anwendung des Gemeinschaftsrechts bei Aufträgen und Konzessionen bei institutionalisierten Öffentlich Privaten Partnerschaften (IÖPP) vom Februar 2008 (siehe Anlage) als weiteren Baustein, um die traditionellen Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge in Deutschland dem europäischen Wettbewerbsregime zu unterwerfen. Die EU-Kommission wolle damit auch die Wasserkonzessionen als binnenmarktrelevante Dienstleistungen behandeln.

Ziel der EU-Kommission sei ein liberalisierter und privatisierter europäischer Wassermarkt, bei dem die Vergabe von Konzessionen und Aufträgen generell europaweit ausgeschrieben werden muss. Nach dem Willen der Kommission soll dies nicht nur dann gelten, wenn öffentliche Träger die Wasserversorgung zusammen mit privaten Unternehmen betreiben. Vielmehr wolle die Kommission die Wasserversorgung selbst dann dem europäischen Wettbewerbsrecht unterwerfen, wenn sie von kommunalen Zweckverbänden ohne jegliche Beteiligung Privater sichergestellt wird.

Diese Haltung widerspricht nach Auffassung von Hofelich dem Geist und Buchstaben des neuen EU-Grundlagenvertrags, in dem der Schutz der regionalen und lokalen Selbstverwaltung ausdrücklich mit aufgenommen worden sei.

Nach derzeitigem Stand sieht Hofelich allerdings keine Chance mehr, die Haltung der Kommission in den Fällen zu ändern, in denen Private an der Wasserversorgung beteiligt sind. Schon deshalb müsse aber jegliche weitere Privatisierung und der Trend zu gemischtwirtschaftlichen Unternehmen in der Daseinsvorsorge gestoppt werden.

Große Hoffnung auf eine Änderung der Haltung der EU-Kommission bestehe aber dort, wo die Wasserversorgung ausschließlich durch öffentliche Träger, etwa Kommunen oder Zweckverbände, gewährleistet wird. Darauf müsse sich die Politik gegenüber der EU nun konzentrieren. Es müsse erreicht werden, dass die interkommunale Zusammenarbeit in Form von Zweckverbänden dann nicht dem europäischen Wettbewerbsrecht unterliegt, wenn keine Privaten daran beteiligt sind. „Kooperationen und Verbünde zur Erfüllung von Aufgaben der Daseinsvorsorge innerhalb der öffentlichen Hand müssen weiterhin in vollem Umfang möglich bleiben, ohne dass diese Zusammenarbeit den Wettbewerbsregeln des europäischen Binnenmarktes unterworfen wird“, sagte Hofelich.

Heiler: Kommunen in der Zwickmühle

Angesichts der 1366 selbstständigen, überwiegend kleinen Wasserversorgungsunternehmen in Baden-Württemberg ist nach Auffassung des SPD-Politikers Walter Heiler mittel- und langfristig eine Strukturbereinigung erforderlich. Denn die steigenden Anforderungen durch die neue Trinkwasserverordnung, auch an die Qualifikation des Personals, machten eine verstärkte interkommunale Zusammenarbeit in Zweckverbänden im Bereich der Wasserversorgung notwendig.

Eine solche interkommunale Zusammenarbeit werde aber erheblich erschwert, wenn sich die EU-Kommission mit ihren Plänen durchsetzen sollte. Danach müssten Dienstleistungskonzessionen wie beim Wasser generell ausgeschrieben werden, sogar dann, wenn sich Kommunen ohne Private zu Zweckverbänden zusammenschließen.

Walter Heiler sieht deshalb die Kommunen in der Zwickmühle: „Wegen der hohen Anforderungen müssten sich vor allem kleinere Kommunen bei der Wasserversorgung mit anderen zusammenschließen. Aber wenn sie das tun, erst recht wenn sie Private ins Boot holen, riskieren sie, von der EU mit unsinnigen Ausschreibungspflichten bestraft zu werden.“

Die unsinnige Haltung der EU-Kommission führe deshalb letztlich dazu, dass kleinere Gemeinden eine eigentlich sinnvolle Strukturverbesserung der Wasserversorgung durch Zweckverbände unterlassen.“

Landespolitische Forderungen zur Erhaltung der öffentlichen Wasserversorgung

Angesichts der akuten Gefährdung der Wasserversorgung müsse die Landesregierung endlich aktiv werden, so Walter Heiler. Die Bundesregierung jedenfalls habe ihre Hausaufgaben gemacht und einen Gesetzentwurf zur Modernisierung des Vergaberechts vorgelegt. Die dort vorgenommene Erweiterung des öffentlichen Auftrags bei interkommunaler Zusammenarbeit gelte aber wegen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und der gegenwärtigen strikten Haltung der Kommission explizit nur dann, wenn kein privates Kapital beteiligt ist.

Vor diesem Hintergrund fordert die SPD von der Landesregierung zur Sicherung der bewährten öffentlichen Wasserversorgung drei konkrete Maßnahmen:

1.Das Gesetz zur kommunalen Zusammenarbeit Baden-Württemberg (GKZ) soll so geändert werden, dass künftig keine natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts Mitglied eines Zweckverbandes sein können. Dies fordert auch der Gemeindetag.

Nur wenn die interkommunale Zusammenarbeit so ausgestaltet werde, werde die Gründung eines Zweckverbands (oder auch der Beitritt dazu) auch von der EU-Kommission nur als innerstaatlicher Organisationsakt angesehen, der dann nicht dem Wettbewerbsregime der EU und damit den vielfältigen Vorschriften zur Ausschreibung unterliegt.

2.Geändert werden muss nach Darstellung der SPD auch die Gemeindeordnung. Der § 107 zu Energie- und Wasserverträgen soll so erweitert werden, dass dem Gemeinderat vor der Beschlussbefassung über eine Beteiligung von privatem Kapital an einem Wasserversorgungsunternehmen ein Gutachten vorgelegt werden muss.

Das Gutachten müsse die Auswirkungen der privaten Beteiligung auf künftige Vergaben und Konzessionen darlegen. Außerdem sollten in dem Gutachten auch die Auswirkungen einer privaten Beteiligung für die Wahrnehmung der gesetzlichen Kontrollpflichten der Gemeinde für die Wasserversorgung aufgrund ihrer Gewährleistungsverantwortung dargestellt werden, forderte Heiler.

3.Darüber hinaus fordert Walter Heiler, dass das derzeit gültige Leitbild „Zukunftsfähige Trinkwasserversorgung Baden-Württemberg“ aus dem Jahr 2000 schleunigst überarbeitet wird.

Ziel müsse es sein, auf die Problematik von EU-Entscheidungen zur interkommunalen Zusammenarbeit, zu „Inhouse-Geschäften“ und zu ausschreibungspflichtigen Dienstleistungskonzessionen hinzuweisen, die sich insbesondere dann ergeben, wenn privatwirtschaftliche Beteiligungen im Spiel sind.


Infos zur Struktur der Wasserversorgung in Baden-Württemberg

Die Wasserversorgung ist in Baden-Württemberg in drei Ebenen gegliedert:

1.Auf der lokalen Ebene existieren 1366 Wasserversorgungsunternehmen, davon sind 1262 öffentliche Wasserversorgungsunternehmen, also etwa pro Gemeinde eines. Der Rest verteilt sich auf kleine, historisch gewachsene Privatunternehmen in der Hand von Genossenschaften, Bauernverbünden und dgl.

2.Landesweit bestehen 193 öffentliche Zweckverbände für die überörtliche so genannte Gruppenwasserversorgung. Sie sind entstanden, weil für wasserarme Gemeinden Wasserumleitungen über Gemeindegrenzen hinweg notwendig wurden.

3.Es gibt zudem einige wenige Fernwasserversorgungen in Form von Zweckverbänden (ZV):
– der ZV Bodenseewasserversorgung für ca. 4 Mio. Menschen bei 177 Verbandsmitgliedern
– der ZV Landeswasserversorgung beliefert 2,75 Mio. Menschen bei 108 Verbandsmitgliedern
– der ZV Wasserversorgung Kleine Kinzig für 28 Gemeinden und Zweckverbände
– der ZV Wasserversorgung Nordostwürttemberg für ca. 100 Gemeinden mit rund 570.000 Menschen An den Zweckverbänden Bodenseewasserversorgung und Landeswasserversorgung ist die EnBW nach Übernahme der Neckarwerke Stuttgart (NWS) mit jeweils 33 Prozent beteiligt.

Die Fernwasserversorgungen liefern etwa 30 Prozent des im Land verbrauchten Trinkwassers. Die anderen 70 Prozent stammen von örtlichen und regionalen Vorkommen über einzelne Wasserversorgungsunternehmen und Zweckverbände.


Helmut Zorell
Pressesprecher