Fraktionsvize Nils Schmid: „Das Land muss endlich die Konsequenzen daraus ziehen, dass auch der Datenschutz im privaten Bereich eine immer größere Bedeutung für die Bürger hat“

Datenschutzexperte Andreas Stoch: „Bislang ist der Datenschutz in Baden-Württemberg wegen der schlechten Personalausstattung im Ländervergleich allenfalls Mittelmaß“

Als erste Fraktion im Landtag legt die SPD nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes ein umfassendes Konzept für eine Neuordnung des Datenschutzes und der Datenschutzaufsicht in Baden-Württemberg vor. Vorgeschlagen wird, den Datenschutz für den öffentlichen und den privaten Bereich beim Landesbeauftragten zu konzentrieren und ihn künftig vom Landtag wählen zu lassen. Der Landtag soll diese Datenschutzbehörde mit einem parlamentarischen Kontrollgremium kontrollieren. „Wir wollen einen völlig unabhängigen Datenschutz aus einer Hand, bürgernah und effizient“, betont Nils Schmid, Fraktionsvize und designierter SPD-Spitzenkandidat. Und: „Das Land muss endlich die Konsequenz daraus ziehen, dass der Datenschutz im privaten Bereich eine immer größere Bedeutung für die Bürger hat“, sagt Schmid. Er forderte die CDU/FDP-Koalition auch angesichts der Missbrauchsfälle durch Unternehmen dazu auf, den Schutz vor Datenmissbrauch deutlich zu verstärken: „Arbeitnehmer müssen künftig sicher sein können, dass der Datenmissbrauch durch ihren Arbeitgeber in Baden-Württemberg wirksamer verfolgt wird als bisher“, verlangt der Fraktionsvize.

Auch Andreas Stoch, Datenschutzexperte der SPD-Landtagsfraktion, betont, dass Schwarz-Gelb notwendige Änderungen beim Datenschutz viel zu lange verzögert habe. Die steigende Zahl von Missbrauchsskandalen in der Wirtschaft und im Internet mache rasche und durchgreifende Lösungen notwendig.

Die SPD zieht mit ihrer neuen Konzeption die Konsequenzen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 9. März 2010. Danach verstößt der Datenschutz in Baden-Württemberg gegen EU-Recht, weil er seine Aufgaben nicht in „völliger Unabhängigkeit“ wahrnimmt. Handlungsbedarf besteht vor allem beim Datenschutz für den privaten nicht-öffentlichen Bereich, der derzeit der Aufsicht des Innenministeriums unterstellt ist. Aber auch die Datenschutzkontrollstelle für den öffentlichen Bereich muss nach dem EuGH-Urteil umgebaut werden, da der Landesbeauftragte für den Datenschutz der Dienstaufsicht des Innenministeriums untersteht und sein Haushalt im Etat des Innenministeriums und somit bei der Regierung veranschlagt ist. „Dies ist ein klarer Verstoß gegen eine unabhängige Datenschutzkontrolle“, sagt Stoch.

Beim Landtag angesiedelte Datenschutzbehörde
Vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils will die SPD den Datenschutz für den öffentlichen und den privaten Bereich beim Landesbeauftragten für den Datenschutz bündeln und die Behörde künftig als oberste Landesbehörde direkt an den Landtag angliedern. Der Landesdatenschutzbeauftragte soll unmittelbar vom Parlament gewählt werden und dem Parlament gegenüber umfassend rechenschaftspflichtig sein. „Die SPD will auch in Baden-Württemberg eine unabhängige und schlagkräftige Datenschutzbehörde schaffen, damit das Grundrecht auf Datenschutz auch tatsächlich gewährleisten werden kann“, fordert Schmid.

Als Folge des EuGH-Urteils und aus verfassungsrechtlichen Gründen erfordert dieses Modell einer „ministerialfreien Datenschutzbehörde“ aber eine ständige parlamentarische Kontrolle durch ein entsprechendes Gremium. Die SPD schlägt dazu die Einrichtung einer Datenschutzkommission beim Landtag vor, die als parlamentarisches Kontrollorgan die Aufsicht über die Behörde ausübt, ohne allerdings ihre Sachentscheidungen zu beeinflussen. Stoch weist darauf hin, dass eine parlamentarische Verantwortlichkeit des Landesbeauftragten eine stärkere Berichtspflicht gegenüber dem Parlament nach sich ziehe. Tätigkeitsberichte müssten deshalb mindestens jährlich erstattet werden. Um die Unabhängigkeit der Datenschutzbehörde zu wahren, dürfe es keine Fach- und Rechtsaufsicht geben. Und eine mögliche Dienstaufsicht dürfe ihre Entscheidungen nicht beeinflussen. Zu einer unabhängigen Amtsführung gehöre auch, dass die Behörde die Entscheidungshoheit über Personal, Haushalt und Organisation erhält und der Haushalt des Landesbeauftragten in einem eigenen Kapitel im Haushaltsplan des Landtags veranschlagt werde.

Datenschutz im Land bislang mittelmäßig
Stoch betont, dass der Datenschutz in Baden-Württemberg bislang zu wenig beachtet werde. Zwar habe die Landesregierung auf den SPD-Antrag zur Bündelung des Datenschutzes (Drs. 14/5333) im Dezember 2009 mitgeteilt, dass sie den Datenschutz für den öffentlichen und den privaten Bereich „baldmöglichst“ zusammenlegen und die Zuständigkeiten beim Landesbeauftragten für den Datenschutz bündeln wolle. „Trotz dieser Erklärung ist bisher wenig passiert“, erklärt Stoch. Dabei seien Verbesserungen dringend notwendig. „Bislang ist der Datenschutz in Baden-Württemberg wegen der schlechten Personalausstattung im Ländervergleich allenfalls Mittelmaß“, erklärt Stoch.

Die SPD fordert deshalb für die zusammengelegte Datenschutzbehörde mindestens 30-35 Stellen bis 2012. Nur dann könne die Behörde ihre Aufgaben effizient und bürgernah erfüllen. Derzeit sind beim Landesbeauftragten für den Datenschutz 17 Stellen angesiedelt, für die originäre Kontrolltätigkeit im nicht-öffentlichen Bereich stehen im Innenministerium gerade einmal sechs Stellen zur Verfügung. Demgegenüber soll der Datenschutz in Bayern bis 2012 nach bisheriger Planung auf insgesamt 41 Stellen ausgebaut werden (öffentlicher und nicht-öffentlicher Bereich).

Derzeit sind die Datenschutzkontrollstellen für den öffentlichen und nicht-öffentlichen Bereich in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg, in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein in einer Behörde zusammengefasst. Mit Ausnahme von Bremen unterliegen dabei alle diese Behörden – soweit sie auch die Datenschutzkontrolle für den nicht-öffentlichen Bereich ausüben – einer nach EU-Recht nicht mehr zulässigen Staatsaufsicht.

Stuttgart, 27. Mai 2010
Dr. Roland Peter
Pressesprecher