Verkehrsexperte Hans-Martin Haller: „Die Pendler dürfen sich nicht über die vielen unpünktlichen Züge wundern. Schließlich hilft die Landesregierung dabei kräftig mit“

Die SPD-Fraktion macht auf einen besonderen Aspekt in der Verkehrspolitik des Landes aufmerksam: Wenn ein Zug zu spät kommt, werde die Deutsche Bahn sogar noch belohnt. Das ergibt sich aus der neuen Antwort auf eine Anfrage des verkehrspolitischen Sprechers der SPD-Landtagsfraktion, Hans-Martin Haller. „Die Landesregierung macht mal wieder Verkehrspolitik auf dem Rücken der Bahnfahrer“, sagte Haller. Und: „Die Pendler dürfen sich nicht über die vielen unpünktlichen Züge wundern. Schließlich hilft die Landesregierung dabei kräftig mit.“ Haller fordert deshalb, dass die Landesregierung im anstehenden neuen Generalvertrag erheblich höhere Strafzahlungen als bisher durchsetzt.

Der Antwort von Innenminister Rech enthülle einmal mehr, dass die DB Region für den Verkehrsvertrag besonders gut und die Landesregierung besonders schlecht verhandelt habe: „Die DB Regio kann bei ihren Geschäften mit der Landesregierung anstellen, was sie will: Sie ist garantiert immer auf der Gewinnerseite“, erklärte Haller. Fahren die Züge pünktlich, bekäme die Bahn ihr Geld für jeden gefahrenen Kilometer. Fahren sie unpünktlich, müsse sie zwar Strafe bezahlen. Daraus würden sich für die Bahn aber keine Nach-, sondern sogar Vorteile ergeben: „Der Zweck von Strafzahlungen wird völlig auf den Kopf gestellt“, sagte Haller.

Zunächst lasse sich die Bahn vor Strafen durch zwei Aspekte schützen: Zum einen wird die Pünktlichkeit nur an 26 Knotenpunkten im Land gemessen. Zum anderen gilt der Zug nur dann als unpünktlich, wenn er mehr als sechs Minuten Verspätung hat. Besonders verwunderlich sei der Aspekt, wenn ein Zug ganz ausfällt. Das Motto laute dann: Ohne Zug überhaupt keine Strafe. Die Landesregierung streicht lediglich die Kilometerpauschale. „Man muss sich angesichts solcher angeblichen Strafen fragen, wessen Interessen die Landesregierung eigentlich verfolgt: die der Bahn oder die der Bürger?“, erklärte Haller. Dass schlechter Service oder kaputte Klimaanlagen kein Beschwerdegrund sind, verwundere nicht mehr.

Es komme aber noch schöner. Denn der Generalvertrag mit der Landesregierung sei letztlich so ausgelegt, dass solche Strafzahlungen überhaupt keine Sanktion für die Bahn ergeben würden, im Gegenteil. Zwar musste die Bahn 2007 über vier Millionen Euro an das Land zurückzahlen. Doch fast alles floss wieder zurück in die eigene Infrastruktur der Bahn, also in die Bahnhöfe (häufigster Eigner: DB Station&Service) sowie in die Schiene (Eigner: DB Netz). „Im Klartext heißt das: Je schlechter ihre Leistung, umso mehr Geld kann die Bahn verwenden, um ihre eigene Infrastruktur zu verbessern.“ Und: „Damit belohnt das Land die Deutsche Bahn für Zugverspätungen.“ Haller macht die Landesregierung deshalb verantwortlich für schlechte Leistungen der Bahn: „Der Landesregierung ist es offensichtlich egal, ob die Bahn sich an ihre Abmachungen hält. Dann ist sie aber auch dafür verantwortlich, wenn diese Abmachungen gebrochen werden.“

Der Verkehrsexperte erklärt zwar, dass er selbstverständlich jede Investition in die Schieneninfrastruktur begrüße. Allerdings könne dies nicht heißen, dass die Bahn sich dieses Geld über schlechte Leistungen und eigene Strafzahlungen selbst verdienen könne. Haller forderte deshalb, dass Sanktionen bei Zugverspätungen und -ausfällen erheblich wirksamer sein müssten. Im neuen Vertrag sei deshalb festzulegen, dass die Bahn als Strafe für jeden vom Land investierten Euro in ihre Infrastruktur zwei Euro zuzuschießen habe. Umso schlechter die Leistungen der Bahn, umso höher wären dann die Zahlungen und die Investitionen. Haller: „Nur so ist gewährleistet, dass die Bahn ihr Fehlverhalten auch zu spüren bekommt.“

Dr. Roland Peter, Pressesprecher