Nik Sakellariou: „Landesregierung will eigene Abschiebungspolitik mit selektiven Angaben über die Menschenrechtslage rechtfertigen“

Die SPD-Landtagsfraktion ist empört über den Umgang der Landesregierung mit Informationen des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) zur Situation der Roma im Kosovo. Offensichtlich würden diese Informationen verkürzt dargestellt, um künftig Abschiebungen zu rechtfertigen. „Die Landesregierung muss die vom UNHCR geschilderte Schutzbedürftigkeit der Roma beachten und entsprechend auf ihre Rückführung in den Kosovo grundsätzlich verzichten“, forderte Nik Sakellariou, Integrationspolitischer Sprecher der Fraktion.

Innenminister Rech will dagegen mit Abschiebungen von Roma in den Kosovo beginnen und verweist in seiner Antwort auf eine Anfrage Sakellarious (Drucksache 14/4839) auch auf ein Schreiben des Hohen Flüchtlingskommissars. Danach plädiere der UNHCR dafür, „die Rückführung vorsichtig zu gestalten und angemessen zu begrenzen“. Sakellariou betonte aber, dass dieses Zitat keine Abschiebung von Roma rechtfertige. Denn die Aussage beziehe sich nur auf nicht oder nicht länger schutzwürdige Personen, wie der UNHCR in einem Schreiben an Sakellariou versicherte. Dagegen stuft der UNHCR die Angehörigen der Roma ausdrücklich nach wie vor als schutzbedürftig ein. Der Hohe Flüchtlingskommissar hatte der Landesregierung auch mitgeteilt, dass nach seiner Auffassung Angehörige der Roma „nichts zwangsweise“ in das Kosovo zurückgeführt werden. Dies wurde in der Antwort des Innenministers unterschlagen. „Die Antwort Rechs zeugt von einer ausgesprochen selektiven Wahrnehmung“, sagte der SPD-Abgeordnete.

Das werde auch bei dem Verweis Rechs auf einen Bericht des Menschenrechtskommissars des Europarats deutlich. Der Minister verweist auf einen Halbsatz in diesem Bericht, wonach sich die Sicherheitslage im Kosovo hinsichtlich der ethnischen Minderheiten gebessert habe. Verschwiegen werde aber der zweite Satzteil mit der Feststellung, dass sich die inter-ethnischen Spannungen im Kosovo verstärkt hätten. Genau dies sei aber wichtig, um die Sicherheitslage für die Roma richtig beurteilen zu können, erklärte der Abgeordnete. Auch die folgenden Kapitel des Berichts beschäftigten sich explizit mit der Situation der Roma. Der Menschenrechtskommissar empfehle schließlich, dass die Regierungen Europas darauf verzichten sollten, Minderheiten in den Kosovo abzuschieben, bis die Situation für sie sicherer geworden sei. Auch dies werde in der Antwort der Regierung nicht erwähnt.

Demgegenüber beruft sich Rech darauf, dass sich die Republik Kosovo bereit erklärt , ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen gegenüber den eigenen Staatsbürgern nachzukommen. Wie das in einem Land passieren solle, in dem die serbische Minderheit parallele Staatsstrukturen aufgebaut habe, bleibe offen, erklärte Sakellariou. Und auch der Verweis darauf, dass die Republik Kosovo die Europäische Menschenrechtskonvention in die eigene Verfassung übernommen habe, sei angesichts der ethnischen Spannungen lediglich reine Rhetorik, sagte der Abgeordnete.

Sakellariou äußert sich deshalb sehr verärgert über die Informationspolitik der Landesregierung: „Offensichtlich ging es hier nur darum, die eigene Abschiebungspolitik zu rechtfertigen.“ Dies sei alles andere als eine umfassende Information über die Entscheidungsgrundlagen der Regierung und zeuge von einer Ignoranz, die in diesem Fall klar gegen die international anerkannte Schutzbedürftigkeit der Roma verstoße.

Der Abgeordnete plädierte dafür, das derzeitige Ausweisungsverfahren aufrechtzuerhalten. Danach dürften Angehörige der Roma nur dann in den Kosovo abgeschoben werden, wenn sie sich erheblich strafbar gemacht haben. Dies betraf zwischen 2007 und Juni 2009 insgesamt 16 Personen.

Stuttgart, 30. August 2009
Dr. Roland Peter, Pressesprecher