Fraktionschef Claus Schmiedel: „Der Verbraucherschutz steckt hier oft noch in den Kinderschuhen oder wird nicht beachtet“

Der neue verbraucherpolitische Sprecher Tobias Brenner sieht dringenden Handlungsbedarf: „Die Landesregierung muss bei diesen Themen endlich über wohlklingende Ankündigungen hinausgehen, um die Menschen besser vor Betrügern zu schützen“

Der Richter Tobias Brenner ist der neue Sprecher für Verbraucherschutz der SPD-Fraktion. Die Fraktion trägt mit der neuen Konzentration auf diese Sprecherrolle auch der zunehmenden Bedeutung des Verbraucherschutzes Rechnung. „Die Menschen werden zunehmend von unseriösen und sogar kriminellen Machenschaften in allen Teilen der Wirtschaft und vor allem des Internets verfolgt“, sagte Fraktionschef Claus Schmiedel. Die SPD wolle deshalb im Land durch die Arbeit Brenners gegensteuern und neue Initiativen für den Verbraucherschutz aufgreifen. „Tobias Brenner wird als unser Mann für die Verbraucher aktuelle Entwicklungen beobachten und Missstände aufgreifen“, sagte Schmiedel. Brenner steht auch bereit, direkten Beschwerden aus der Bevölkerung nachzugehen: Telefonnummer: 0711 2063-745; tobias.brenner@spd.landtag-bw.de „Wir wollen alle Hinweise aufgreifen“, sagte Brenner.

Schmiedel erwartet, dass die Bedeutung des Verbraucherschutzes in den kommenden Jahren sogar noch zunehmen werde. Brenner solle sich zunächst vor allem um die Anlageberatung sowie um das Internet kümmern. „In diesen beiden Zukunftsbereichen steckt der Verbraucherschutz noch in den Kinderschuhen oder wird gar nicht beachtet“, sagte Schmiedel.

Der 48-jährige promovierte Jurist Brenner, der zum Jahreswechsel für Birgit Kipfer aus dem Wahlkreis Böblingen nachgerückt ist, kann bei seiner Arbeit auf seine Erfahrungen als Vorsitzender Richter einer Kammer für Handelssachen am Landgericht zurückgreifen. Zudem sammelte er berufliche Kenntnisse durch seine Arbeit im Wirtschaftsministerium unter Dieter Spöri. „Brenner ist unsere erste Wahl für eine kompetente Arbeit für den Verbraucherschutz“, betonte Schmiedel.

Anlageberatung: Immer wichtiger durch private Altersvorsorge, jedoch kaum transparent und unabhängig
Angesichts der millionenfachen Abschlüsse privater Altersvorsorgeverträge (sogenannter Riester- und Rürup-Renten) ist auch der Beratungsbedarf eminent gewachsen. Hier erkennt Brenner ein großes Defizit. Für den Verbraucher sei in aller Regel unklar, ob der Berater einer Bank oder einer Versicherung tatsächlich unabhängig ist oder ob er seine Ratschläge im Auftrag eines Unternehmens erteilt. Bekommt der Berater also grundsätzlich eine Provision bei einem Abschluss? Oder erhält er nur dann Geld, wenn bestimmte Produkte gekauft werden? In diesem Fall würde der Berater das tatsächliche Interesse des Kunden unbeachtet lassen. Offen sei zudem oft, welche Risiken jeweils mit den Anlagen verbunden seien.

Brenner fordert deshalb, dass den Klienten künftig zum einen Provisionen für den Berater offengelegt werden müssten. Zum anderen müssten Vorgaben und Mindestanforderungen geschaffen werden, um über Preise und Risiken besser aufzuklären. Die bisherige Zertifizierung von Riesterprodukten allein reiche nicht aus. „Die Leute müssen sich unbedingt darauf verlassen können, dass ein Berater sie auch wirklich unabhängig berät“, sagte der Sprecher.

Brenner fordert deshalb, über eine detailliert vorgeschriebene Kurzinformation für jede Anlageart Transparenz vor allem über die Kosten, kurzfristige Verfügbarkeit und das Risiko eines Totalverlustes zu schaffen. Ein Beispiel sei die neue Muster-Kurzinfo des Verbands deutscher Privatbanken. Brenner hält sie bisher allerdings für noch lückenhaft. Wichtig sei, dass der Verbraucher einen schnellen und guten Überblick auf einer Seite erhalte. Zudem forderte Brenner, diese Kurzinfo zu standardisieren: „Für alle Institute müssen einheitliche Vorgaben gelten.“ Wichtig sei auch, die Beratung verpflichtend zu dokumentieren. Brenner forderte deshalb, die anbieterunabhängige Finanzberatung etwa in den Verbraucherzentralen zu stärken. Darüber hinaus verlangte er, bestimmte, hoch-riskante und intransparente Geschäftsmodelle völlig zu untersagen.

Bislang seien die Möglichkeiten auf Landesebene, die Anlageberatung zu verbessern, bei weitem nicht ausgeschöpft worden, sagte Brenner. Peter Hauk habe als bisheriger Minister für Landwirtschaft und Ernährung Maßnahmen lediglich auf Bundesebene angemahnt. Die SPD fordert aber, dass im Verbraucherschutzministerium eine einheitliche Stelle geschaffen werde, um im Land eine Marktaufsicht für die Anlageberatung einzuführen. „Die Menschen müssen wissen, dass sie im Verbraucherschutzministerium eine klare und auch rechtlich relevante Auskunft über Anlageprodukte erhalten“, sagte Brenner. Er sei auch darauf gespannt, ob sich die Landesregierung und der neue Minister daran beteiligen oder ob sie nur wohlfeile Forderungen nach Berlin adressierten.

Brenner verlangt insgesamt drei Schritte, um den Verbraucherschutz im Bereich der Finanzvermittlung und Anlageberatung auf solide Beine zu stellen:
1. einen gesetzlichen Rahmen für das Berufsbild des „Finanzberaters“ hinsichtlich Qualifikation, Registrierung und Berufshaftpflicht, 2. den Verbraucherschutz gesetzlich als Ziel und Aufgabe der Finanzaufsicht festzuschreiben (was bisher nicht der Fall ist) und 3. eine eigenständige Marktaufsicht zu etablieren. Diese auf Landesebene angesiedelte Marktaufsicht muss eng mit den Verbraucherorganisationen zusammenarbeiten und mit Sanktionsrechten ausgestattet werden.

Internet: Für Verbraucher zu oft ein gefährlicher Dschungel
Auch bei den Themen Internet und Web 2.0 sieht Brenner großen Handlungsbedarf. „Ob Datenschutz oder Handel: die Gesetzeslage hinkt der Entwicklung hinterher“, betonte der Sprecher. „Dubiose Anbieter machen den Einkauf und den vermeintlichen kostenlosen Download im Internet für weniger erfahrene Nutzer zu einem großen Risiko“, sagte Brenner. Tagtäglich tappten auch gewiefte Online-Surfer in die Leimfallen der Online-Abzocker, erklärte Brenner. Sein deutliches Fazit: „Die Menschen sind diesen Abzockern ausgeliefert, die Landesregierung lässt sie mit diesem Problem allein.“

Brenner forderte deshalb das Verbraucherschutzministerium zu einer neuen Öffentlichkeitsarbeit auf. Künftig müssten schwarze Listen über unseriöse Anbieter im Internet sowie über Rechtsanwaltskanzleien veröffentlicht werden, die lediglich als Geldeintreiber für solche Anbieter fungierten.

Darüber hinaus müssten klare Vorgaben für den transparenten Einkauf im Internet geschaffen werden: „Die bisherigen Regelungen öffnen dem Betrug im Internet Tür und Tor.“ Als Beispiel nennt er Abzocker, die dem Seitenbesucher durch geschickte Verlin-kung vorgaukelten, eine kostenlose Software herunterzuladen. Die Eingangsseite mit der Preisangabe hat der Kunde dabei nicht zu Gesicht bekommen. Er meint dann, sich durch Bestätigung des Buttons lediglich zu registrieren. Dadurch erhält aber der Anbieter die Adresse und schickt später eine saftige Gebührenrechnung. „Abertausende geprellte Internetuser müssen im Nachgang einzeln vor Gericht ihr Recht erkämpfen, weil die Gesetze schwammig sind“, kritisierte Brenner. Im Übrigen gerieten auch die vielen seriösen Anbieter im Internet durch diese Praktiken in Verruf.

Brenner forderte deshalb: „Der Staat muss zusammen mit den Verbraucherorganisationen klare Standards schaffen, die Verkäufer im Internet einhalten müssen.“ Ein solches Zertifizierungssystem könne seriöse von anderen Angeboten trennen. Der Sprecher wies auch darauf hin, dass ein Betrug schon von vornherein einfach ausgeschlossen werden könne. Dazu müsse der Gesetzgeber lediglich vorschreiben, dass ein Kauf durch eine E-Mail mit verpflichtender Angabe aller Kosten bestätigt werden müsse. Die SPD-Fraktion will dazu im Landtag eine Bundesratsinitiative des Landes einbringen.

Verbraucherinformationsgesetz: Jetzt nachbessern
Brenner forderte, das 2008 beschlossene Verbraucherinformationsgesetz nachzubessern. Bisher würden die betreffenden Hersteller oder Händler kaum genannt, obwohl dies nach der Soll-Vorschrift in Paragraf 40 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs möglich wäre. Brenner forderte deshalb, diese Vorschrift in eine Informationspflicht umzuwandeln. „Nur wenn Lebensmittel-Händler mit Gammelfleisch oder unhygienische Restaurants endlich namentlich genannt werden, kann dieser Unsitte ein Ende gemacht werden“, sagte Brenner. Die SPD werde bei der für April vorgesehenen Evaluation des Gesetzes auf diese Änderung drängen und im Ausführungsgesetz eine dementsprechende Stärkung der Aufklärungs- und Informationspflicht verankern.

Brenner fordert zudem einen gesetzlichen Informationsanspruch der Verbraucher gegenüber Unternehmen. „Nur wenn Verbraucher die Unternehmen zur Herausgabe von Informationen zwingen können, ist auch gewährleistet, dass es weniger Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben gibt“, sagte Brenner. Er fordert zudem, das Verbraucherinformationsgesetz auf technische Produkte und Dienstleistungen auszuweiten. Bislang würden lediglich Lebens- und Futtermittel sowie Bedarfsgegenstände erfasst. Künftig müssten auch technische Geräte einbezogen werden. Die SPD-Fraktion wird die Änderungen im Landtag beantragen.

Viele andere Baustellen im Verbraucherschutz
Brenner sieht darüber hinaus zahlreiche weitere Baustellen im Verbraucherschutz. Ein Beispiel für Defizite sei die unzureichende Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen bei den Autohändlern. Dort erbrachten Stichproben der Verbraucherzentrale, dass an nicht einmal der Hälfte aller Fahrzeuge vorschriftsmäßige Angaben über den Treibstoffverbrauch und die CO2-Emissionen angebracht seien. Ebenso mangelhaft sei die Kennzeichnung von Haushaltgeräten im Handel.

Brenner sieht diese Probleme auch als Folge mangelnder Kontrolle. Ein SPD-Antrag zeigte zur Jahreswende auf, dass über 200 Amts-Veterinäre im Land fehlen. Das führe dazu, dass die Verbraucherschutzämter auf Landkreisebene kaum ihren gesetzlichen Aufgaben nachkommen könnten. „Wenn der Verbraucherschutz im Land nicht gestärkt wird, verkommen schöne und sinnvolle Vorschriften zum toten Papier“, sagte Brenner. Die Landesregierung müsse deshalb endlich über die oft lediglich wohlklingenden Ankündigungen des seitherigen Ministers hinausgehen und dem Verbraucherschutz mehr Aufmerksamkeit widmen.

Stuttgart, 3. März 2010
Dr. Roland Peter
Pressesprecher