Bildungssprecher Mentrup: „Jetzt wird deutlich, dass die Landesregierung die frühkindliche Förderung entgegen ihren Ankündigungen weiter erheblich vernachlässigt“

Das Land fördert mit seinem Sprachhilfe-Programm 30 Prozent weniger Kinder als im vergangenen Jahr

Die SPD-Landtagsfraktion kritisiert die massiven Einschnitte beim Sprachförderprogramm „Sag´ mal was“, die durch eine neue SPD-Parlamentsinitiative (Drucksache 14/5760) offengelegt werden. Danach fördert das Land im Rahmen des Programms im laufenden Kindergartenjahr 30 Prozent weniger Kinder als ein Jahr zuvor. Nach einer Umfrage der Caritas Freiburg unter den Leitungskräften der katholischen Kindergärten in Baden erhält in diesen Einrichtungen nicht einmal jedes zweite Kind die notwendige Sprachförderung. „Die Landesregierung setzt damit die Bildungschancen der Mädchen und Jungen in un-verantwortlicher Weise aufs Spiel“, kritisierte der bildungspolitische Fraktionssprecher Frank Mentrup. Und: „Jetzt wird deutlich, dass die Landesregierung die frühkindliche Förderung entgegen ihren Ankündigungen weiter erheblich vernachlässigt.“ Dies zeige einmal mehr, dass die Landesregierung sich in der Bildungspolitik stark auf eine bloße Verkaufs- und Verkündungsstrategie konzentriere, während sie die wirklichen Probleme meist unangetastet lasse.

Den Angaben der Landesregierung zufolge werden im Kindergartenjahr 2009/10 landes-weit rund 8.100 Kinder über das „Sag´ mal was“-Programm der Landesstiftung gefördert. Im Jahr zuvor waren es noch mehr als 11.500 Kinder. Damit profitieren derzeit rund 3.400 Kinder oder 29,6 Prozent weniger von der staatlichen Unterstützung.

Für Mentrup bewahrheitet sich mit diesem Ergebnis die Befürchtung, dass die verschärften Förderrichtlinien der Landesregierung zum aktuellen Kindergartenjahr zu Lasten der individuellen Sprachförderung gingen. Er sieht dafür vor allem drei Ursachen:

1.Konnten zuvor Mädchen und Jungen ab vier Jahren in den Tageseinrichtungen unterstützt werden, fördert die Landesregierung derzeit nur noch Kinder, die vor dem 30. September 2004 geboren sind – also fünf Jahre alt sind – und zugleich ein Jahr vor der Einschulung stehen. Die Auswirkungen sind so offensichtlich, dass die Landesregierung in ihrer Antwort auf den SPD-Antrag selbst einräumen muss: „Dies veränderte die Menge der antragsberechtigten Kinder.“ Die Förderung jüngerer Kinder unterbleibt, obwohl die Kindertageseinrichtungen durch eigene Testverfahren einen Bedarf an Sprachförderung festgestellt haben.

2.Eine zweite Folge der neuen Rahmenbedingungen ist, dass die Mädchen und Jungen nur dann gefördert werden dürfen, wenn in ihrer Einrichtung mehr als drei Kinder Bedarf haben. Dies führt dazu, dass die Förderung in vielen Kindergärten ausfiel.

3.Besonders groß sind die Schwierigkeiten mit der neuen Einschulungsuntersuchung (ESU). Die Landesregierung schaffe es nicht, sie flächendeckend umzusetzen, betont Mentrup. Das ist deshalb gravierend, da die ESU als Zugangsvoraussetzung für die Sprachförderung gilt. Nur das dabei verwendete Sprachstandsverfahren SETK 3-5 (SprachEntwicklungsTest für drei- bis fünfjährige Kinder) ist für die Antragsstellung beim „Sag´ mal was“-Programm zulässig. Damit sind große regionale Unterschiede bei der Umsetzung der ESU vorprogrammiert, zumal Sozialministerin Stolz bereits im Juni 2009 einräumen musste, dass landesweit nur 90 Prozent der Kinder danach untersucht werden könnten. Diese Angabe stellt sich aber jetzt als eine große Übertreibung heraus. Nach einer Umfrage der Caritas in der Erzdiözese Freiburg (siehe Angaben unten) gab es in Baden erhebliche Unterschiede zwischen den Landkreisen. Vertreter des Gesundheitsamtes besuchten zwar in den Kreisen Konstanz und Mannheim alle Einrichtungen, im Schwarzwald-Baar-Kreis aber nur 30 Prozent, in der Stadt Karlsruhe sogar nur 12 Prozent. Hier hatten demnach von vornherein die Mädchen und Jungen an 88 Prozent der Einrichtungen keine Chance auf Sprachförderung. Die Ursache sind personelle Engpässe bei den öffentlichen Gesundheitsämtern. „Es ist paradox: Die Landesregierung schreibt eine Hürde für die Förderung vor, die gar nicht überall übersprungen werden kann“, betont Mentrup. Damit würden viele Kinder erheblich benachteiligt. „Die Landesregierung hätte eine solche Vorgabe nur machen dürfen, wenn klar gewesen wäre, dass sie die Umsetzung auch gewährleisten kann“, betont der Bildungsexperte.

Die Auswirkungen dieser restriktiven Politik für die Zukunft vieler Jungen und Mädchen ist groß, da ja eine gute Beherrschung der deutschen Sprache für die spätere Schullaufbahn besonders wichtig ist. Dabei zeigt die Umfrage der Caritas Freiburg, dass 25 Prozent aller Kinder einen Förderbedarf im Sinne des Sprachstandstests SETK 3-5 haben. Die Caritas kommt zu dem Ergebnis, dass in den katholischen Kindergärten ihrer Region nur knapp die Hälfte der Mädchen und Jungen mit großen Sprachproblemen aus Mitteln der Landesstiftung individuell gefördert wurde.

Für die SPD-Fraktion zeigt dies ein kaum fassbares Ergebnis der Regierungspolitik. „Während Ministerpräsident und Kultusministerin ständig die Bedeutung der Sprachförderung betonen, sorgen sie in Wirklichkeit selbst dafür, dass diese Unterstützung zurückgeht“, betont Mentrup. Schlechter könne das Ergebnis von Regierungsarbeit nicht ausfallen. „Hier ist ein Beschluss im Kabinett gefasst worden, der in Wirklichkeit nicht umsetzbar war.“ Sein Fazit: „CDU und FDP haben ihr Versprechen, alle Kinder mit großen Sprachproblemen individuell zu fördern, gebrochen.“


SPD fordert, Verfahren deutlich zu erleichtern
Die SPD erklärt, dass alle Kinder Anspruch auf eine individuelle Sprachförderung haben müssten, auch wenn es einzelne in einer Einrichtung seien. Mentrup fordert die Landesregierung auf, die bürokratischen Verfahren bei der Sprachförderung deutlich zu erleichtern. Zudem müsse die finanzielle Förderung individueller Sprachfördermaßnahmen von der ESU entkoppelt werden. Die SPD verlangt, künftig unterschiedliche Tests zuzulassen, um den Sprachstand der Mädchen und Jungen festzustellen. Die Erzieherinnen sollten diese Tests auch selbst übernehmen können. Dadurch gebe es drei Vorteile:

1.Es wäre möglich, die Kinder in den Einrichtungen früher zu untersuchen und die Anträge schneller zu stellen.

2.Die jünger als fünf Jahre alten Kinder mit Sprachproblemen könnten wieder gefördert werden. Das hält die SPD auch angesichts aller wissenschaftlichen Erkenntnisse für unbedingt notwendig.

3.Die Zulassung zur Sprachförderung hinge nicht mehr davon ab, ob die Gesundheitsämter personell ausreichend besetzt sind.

Mentrup kündigt eine Initiative seiner Fraktion zur Sprachförderung an. Er betont, dass im Haushalt ausreichend Mittel für die Sprachförderung zur Verfügung stünden.

Anmerkung:
Umfrage der Caritas Freiburg: Die Caritas in der Erzdiözese Freiburg verschickte im Oktober 2009 einen quantitativen Fragebogen an alle katholischen Einrichtungen der Erzdiözese zur Einschulungsuntersuchung. Befragt wurden 861 Leitungskräfte. Insgesamt gaben lediglich 582 an, also 68 Prozent, dass es eine ESU an ihrer Einrichtung gab.

Stuttgart, 31. März 2010
Dr. Roland Peter
Pressesprecher