Datenschutzexperte Stoch: „Es kann nicht sein, dass hochsensible Justizunterlagen im Müll landen, weil niemand den privaten Postdienstleistern auf die Finger schaut“

Justizminister Goll will endlich Konsequenzen ziehen aus den Problemen mit privaten Postzustellern bei der Justiz. Dies teilte er in seiner Antwort auf einen Antrag des SPD-Datenschutzexperten Andreas Stoch jetzt mit. „Es wird höchste Zeit, dass der Justizminister die negativen Folgen seines Privatisierungswahns endlich zur Kenntnis nimmt und private Zusteller wirksam kontrolliert“, sagte Stoch. Und: „Es kann doch nicht sein, dass hochsensible Justizunterlagen im Müll landen, weil niemand den privaten Postdienstleistern auf die Finger schaut.“

Der SPD-Abgeordnete hatte den Justizminister gefragt, weshalb in Horb (Kreis Freudenstadt) ungeöffnete Dokumente von Amtsgerichten und Staatsanwaltschaften im Müll lan-deten. Dort wurden sie von einem Bürger gefunden. Stoch wollte auch wissen, welche Konsequenzen Goll aus diesem Vorgang für die Zustellung von Justizdokumenten durch private Dienstleister zieht.

Tatsächlich wurden nach den Angaben von Goll in Horb bislang insgesamt 298 nicht zugestellte Dokumente bei einem Postzusteller entdeckt, der für ein privates Unternehmen arbeitet. Gefunden wurden diese unterdrückten Sendungen in einem öffentlichen Mülleimer sowie im PKW und in der Wohnung des Postzustellers. Die Schriftstücke stammten etwa von Verwaltungs- und Justizbehörden aus verschiedenen Bundesländern, waren also datenschutzrechtlich sensibel. Ob auch den Firmenchefs strafrechtliche Folgen drohen, ist bislang offen.

Dieser Fall bestätigt die bereits schon vorher aufgetretenen Schwierigkeiten. Goll musste in seiner Antwort eingestehen, dass Justizbehörden wegen „verschiedentlich aufgetretener Probleme“ Verträge mit privaten Zustellern gekündigt hätten und zur Deutschen Post AG gewechselt seien. „Damit zeigt sich, dass Goll die Probleme mit Privatfirmen in einem solch sensiblen Bereich vollkommen unterschätzt hat“, sagte Stoch.

Aus dem Fall Horb zog der Justizminister direkte Konsequenzen für die laufende Ausschreibung der Zustellungsaufträge in den Oberlandesgerichtsbezirken Karlsruhe und Stuttgart. Künftig müssen Bewerber die Qualität ihrer Arbeit „aussagekräftig belegen“. Dabei geht es um nachprüfbare Angaben etwa zur Auswahl der Mitarbeiter (Einstellungsvoraussetzung, Kriterien für Auswahlentscheidung, Auswahltest, Probezeiten, Betreuung in der Anfangsphase), zur fachlichen Erstschulung und laufenden Qualifizierung der Zusteller. Zudem muss nachvollzogen werden können, wo sich die Sendungen befinden.

„Goll muss endlich erkennen, dass die Privatisierung nicht das Maß aller Dinge ist“, sagte Stoch. Nur weil der Staat Aufgaben an Privatfirmen vergebe, heiße das noch nicht, damit bessere Ergebnisse zu erzielen. „Das Mindeste ist doch, dass auch die Privaten ihre Arbeit nachprüfbar belegen müssen.“

Erst zu Beginn dieses Jahres hatte das Justizministerium gegenüber der SPD-Landtagsfraktion auf eine entsprechende Nachfrage „verschiedentlich auftretende Probleme“ durch private Postdienstleister auch in den Notariaten einräumen müssen. Betroffen war der Bezirk des Oberlandesgerichts Stuttgart. Die Behörden hatten daraufhin bei privaten Postdienstleistern „auf eine vertragsgemäße Zustellung“ hingewirkt. Außerdem seien bei den Notariaten „in Einzelfällen“ auch bestehende Verträge gekündigt worden, teilte das Justizministerium damals der SPD mit.

Stuttgart, 12. Juli 2009
Dr. Roland Peter
Pressesprecher