Fraktionschef Claus Schmiedel: „Die Landesregierung blockiert mit ihrer Politik gegen die Windkraft Investitionen von jährlich mehreren 100 Millionen Euro“

Energieexperte Thomas Knapp: „Mit Windenergie kann Baden-Württemberg bis 2020 rund 10 Prozent des Stroms erzeugen. Damit kommen 35 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien“

Die SPD-Landtagsfraktion will dafür sorgen, dass die Windenergie im Land endlich den Stellenwert erhält, der ihr zukomme – sowohl bei der Entwicklung der erneuerbaren Energien und der Stromversorgung als auch in der Wirtschaft. „Die Potenziale der Windkraft wurden bislang von der Landesregierung stark vernachlässigt“, sagte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. Die Fraktion legt einen Gesetzentwurf vor, der die Blockade durch die Landesregierung brechen soll. CDU und FDP müssten offen zeigen, ob sie es bei Sonntagsreden belassen oder tatsächlich den notwendigen Richtungswechsel ansteuern wollten. Wirtschaftsminister Ernst Pfister spreche zwar seit Monaten von einem Richtungswechsel in dieser Politik. „In Wirklichkeit belässt es die Landesregierung bei bloßen Ankündigungen und hat die Blockade kein bisschen gelockert“, erklärt Schmiedel.

Die SPD will das Haupthindernis für den Ausbau der Windkraft beseitigen. Seit die Regierung Teufel/Döring 2003 das Landesplanungsgesetz änderte, sind die Regionalverbände im Land verpflichtet, sogenannte Vorranggebiete für die Errichtung von Windkraftanlagen auszuweisen. Das führte dazu, dass rund 99 Prozent der Landesfläche Ausschlussgebiet sind und lediglich 1 Prozent als Vorranggebiete ausgewiesen wurden. CDU und FDP hätten somit seither das Bundesbaugesetz unterlaufen, das 1996 die Privilegierung der Windkraft im Außenbereich festlegte, erklärte der energiepolitische Sprecher Thomas Knapp.

Der SPD-Entwurf sieht vor, diesen Passus von Vorrang- und Ausschlussgebieten im Landesplanungsgesetz zu streichen. „Damit könnten die Gemeinden künftig wieder mitbestimmen, wo Windkraftanlagen errichtet werden“, betonte Schmiedel. Zudem käme die Änderung auch denjenigen Regionalverbänden entgegen, die einem Ausbau positiv gegenüberstehen. Verbandsvertreter haben bereits darauf aufmerksam gemacht, dass Appelle des Wirtschaftsministers ihnen wenig nützten, solange sie die bestehenden Regelungen anwenden müssten. Das Bekenntnis der Landesregierung „zur optischen Wahrnehmung der Windkraft“ reiche ihnen nicht aus.

Die Blockade der Windkraft in Baden-Württemberg
Der Ausbau der Windkraft in Baden-Württemberg stagniert seit langem. Seit 2005 kamen im Schnitt nur 21 Anlagen jährlich hinzu. Baden-Württemberg liegt insgesamt mit 360 Windrädern an vorletzter Stelle aller Flächenländer – gerade noch vor dem kleinen Saarland. Demgegenüber hat das gleich große aber dichter besiedelte Flächenland Nordrhein-Westfalen seit 2005 über 100 Anlagen jährlich gebaut. Insgesamt gibt es hier fast 2.800 Anlagen. Rheinland-Pfalz, gerade halb so groß wie Baden-Württemberg, brachte es seit 2005 auf 66 neue Anlagen jährlich. Heute sind hier 1021 Anlagen vorhanden. Auch andere Binnenländer wie Sachsen, Thüringen oder Sachsen-Anhalt liegen ebenfalls weit vor Baden-Württemberg, Sachsen zum Beispiel mit 800 Anlagen.

„Allein dieser Ländervergleich macht deutlich, dass die Landesregierung hier rein ideologisch vorgeht“, sagt Schmiedel. „Wenn dort die notwendigen Voraussetzungen beim Wind vorhanden sein sollen, warum nicht auch in Baden-Württemberg.“ Knapp hält es für möglich, dass im Land jährlich mindestens 200 neue Windräder errichtet werden könnten. „Mit Windenergie kann Baden-Württemberg bis 2020 rund 10 Prozent des Stroms erzeugen. Damit kommen 35 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien“, betont Knapp.

Die SPD sieht die Windkraft aber nicht nur als wichtigen Faktor für den Klimaschutz. Sie sei auch als Wirtschaftsfaktor bedeutend. Nach aktuellen Zahlen sind im Bereich der Windkraft bundesweit rund 85.000 Menschen beschäftigt, im Land aber lediglich rund 4.200, also gerade 5 Prozent. „Ein Land, das sich dem technologischen Fortschritt verschrieben hat, kann es sich nicht leisten, in diesem Zukunftsbereich derart weit hinterherzuhinken“, sagt Schmiedel. „Hier wird auch deutlich, welchen Schaden die ideologiegesteuerte Politik der Landesregierung gegen die Windkraft bereits angerichtet hat.“ Auch das wirtschaftliche Potenzial sei enorm. 2008 wurden in Deutschland rund 13 Milliarden Euro in Anlagen zur Nutzung erneuerbarerer Energien investiert, 19 Prozent mehr als im Vorjahr. In diesen Zahlen sind die Ausgaben für die Wartung der Anlagen noch nicht enthalten. Bei 200 neuen Anlagen würden im Land allein durch die Errichtung jährlich etwa 500 Millionen Euro investiert und bis zu 5000 Arbeitsplätze entstehen.

Knapp verweist zudem darauf, dass sowohl Landwirte als auch Gemeinden erheblich von der Verpachtung an Windkraftbetreiber und von der Gewerbesteuer profitieren könnten. Deshalb sollten die Kommunen sich stärker für die Ansiedlung von Windrädern einsetzen. „Hier gibt es große Chancen, um die eigene Finanzkraft zu verbessern“, sagt der Sprecher.

Ziel ist zudem, weitere planungsrechtliche Hindernisse für die Windkraft zu beseitigen. Zum einen geht es um den Windkrafterlass von 2003. Damit legte die Landesregierung alle Windkraftprojekte über 50 Meter Nabenhöhe (das sind praktisch alle modernen Anlagen) oder ab drei Anlagen in die Planungshoheit der Regionalverbände. Die SPD will künftig die Kompetenz der Regionalverbände auf Windanlagen mit einer Nabenhöhe von über 120 Meter begrenzen. Konsequenz wäre, dass danach wieder die Kommunen für fast alle Anlagen zuständig wären.

Zum anderen will die SPD den bestehenden Katalog an Abstandsvorschriften zu den Windanlagen verändern. „Mit unsinnigen bürokratischen und restriktiven Vorschriften haben CDU und FDP im Land den Ausbau der Windenergie im Verborgenen hintertrieben“, erklärt Knapp. Ein Mindestabstand von 200 Metern zu einem Wald etwa sei ebenso vollkommen unnötig wie zu Denkmälern. „Wir brauchen hier klare Angaben“, fordert etwa die Direktorin des Regionalverbandes Neckar-Alb in der Presse. Dieser Katalog soll im Gefolge der Gesetzesinitiative windkraftfreundlich durchforstet werden.

Für hinderlich hält die SPD auch die Datengrundlage zu den Windverhältnissen im Land, die völlig veraltet und unzulänglich sei. Der Regionalverband Nordschwarzwald verlangt etwa verlässliche Daten, bevor eine neue Fläche für Windräder ausgewiesen werden könne. Das Land solle sich deshalb an der Erstellung eines neuen Windatlasses auf Basis aktueller wissenschaftliche Erkenntnisse beteiligen, forderte die SPD bereits im November. Schließlich seien einzelne Investoren oder auch Gemeinden damit überfordert. Das von Pfister beabsichtigte Gutachten reiche nicht aus, da kein Windatlas erarbeitet werden solle. Die Regionalverbände bräuchten deutlich mehr Erkenntnisse, sagt Knapp.

Wie wichtig den Regionalverbänden Änderungen bei der Abstandsregelung und bei den Daten sind, habe Wirtschaftsminister Pfister bei einem Treffen mit Verbandsvertretern am 28. Januar 2010 erfahren. Die Verbände hätten in diesem vertraulichen Gespräch gegenüber Pfister heftig darauf gedrängt, dass sich die Landesregierung hier deutlich stärker engagierte. Den Worten des Ministers seien bislang keine Taten gefolgt.

Förderung des „Windrads für den Bürger“
Im Zuge der Technologieentwicklung will die SPD auch die sogenannte „kleine Windkraft“ mit einer parlamentarischen Initiative voranbringen. Dabei werden neuartige Vertikalrotoren auf Hausdächern installiert, die den Strom aus Wind ins Netz speisen – ähnlich wie Photovoltaikanlagen. Das Spektrum dieses „Windrads für den Bürger“ reicht von der Anlage auf dem Dach eines Ferienhauses und des Eigenheims bis zum 20 Meter hohen Windrad etwa für einen Bauernhof.

Technisch sind die Anlagen bis 100 Kilowatt nach Ansicht Knapps weit gediehen. „Das Problem ist aber, dass die Genehmigungspraxis der Behörden erst angepasst werden muss.“ Die SPD fordert deshalb, das gesamte Regelwerk im Bau- und Planungsrecht zu prüfen, um die Technologie verwenden zu können. Bislang macht jedes Bundesland andere Vorgaben, die in Baden-Württemberg wieder einmal besonders windkraftfeindlich ausfielen. Künftig sollten Anlagen zur Eigenversorgung bis zu einer Höhe von 30 Metern im Außenbereich genehmigungsfähig sein, bislang sind es in der Landesbauordnung 10 Meter. Für Hausdächer in den Gemeinden müssten bestehende Hürden verringert wer-den, um auch kleine Anlagen auf Hausdächern rechtlich zu ermöglichen. „Baden-Württemberg könnte die neue Technologie als erstes Bundesland breit nutzen und damit seine Innovationsfähigkeit unterstreichen“, betont der Sprecher. Zudem sollte das Erneuerbare-Energien-Gesetz auf Bundesebene möglichst schon zum Jahresbeginn 2011 die Kleine Windkraft stärker fördern, da die spezifischen Investitionskosten hier höher liegen als bei der großen Windkraft.

Stuttgart, 18. März 2010
Dr. Roland Peter
Pressesprecher