Wolfgang Drexler: „Bessere Kinderbetreuung – jetzt! Keine faulen Kompromisse auf dem Rücken unserer Kinder“

Marianne Wonnay: „Teufel beklagt ständig die geringe Geburten-rate, gründet aber genau darauf sein Finanzierungskonzept“

Die SPD fordert die Landesregierung auf, über die Weiterentwicklung des Kinderbetreuungsangebots mit den Kommunen neu zu verhandeln. Nach den Worten des SPD-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Drexler ist die bisherige Weigerung der Landesregierung, die Kommunen beim dringend erforderlichen Ausbau des Kinderbetreuungsangebotes finanziell zu unterstützen, angesichts der dramatischen Haushaltsentwicklung der Kommunen ein familienpolitischer Offenbarungseid. Drexler appellierte an die kommunalen Landesverbände, dem bisherigen Zwischenergebnis der Verhandlungen zur Weiterentwicklung des Kinderbetreuungsangebots, das von kommunaler Seite ausdrücklich unter Gremienvorbehalt gestellt wurde, vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen nicht zuzustimmen.

Drexler: „Während die Bundesregierung trotz der schwierigen Haushaltslage des Bundes bereit ist, die Kommunen bei Ganztagsschulen und bei der Kleinkindbetreuung mit Milliardenbeträgen zu unterstützen, stiehlt sich das Land aus seiner familienpolitischen Verantwortung und lässt die Kommunen mit dieser gesamtgesellschaftlichen Zukunftsaufgabe finanziell im Regen stehen.“ Es sei bezeichnend, so Drexler weiter, dass der Finanzausschuss des Städtetages das bisher erzielte Zwischenergebnis nicht gebilligt hat. Auch die Bischöfe hätten entgegen Teufels ausdrücklichem Wunsch das Verhandlungsergebnis vom 31. Oktober 2002 aus gutem Grund nicht unterschrieben.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende forderte die Landesregierung und die kommunalen Landesverbände deshalb auf, erneut über die Weiterentwicklung des Kinderbetreuungsangebotes zu verhandeln. Drexler: „Die Familien im Land brauchen ein besseres Kinderbetreuungsangebot – jetzt! Nichts ist für die Zukunft unseres Landes schlimmer, als faule Kompromisse auf dem Rücken von Familien und Kindern zu schließen.“ Das bisherige Verhandlungsergebnis jedenfalls werde an der Schlusslichtposition des Landes bei der Kinderbetreuung nichts ändern.

Bei neuen Verhandlungen, so Drexler weiter, müssten auch alle Fragen auf den Tisch, in denen sich die Landesregierung bisher vor klaren Entscheidungen drücke. Drexler: „Wir brauchen ein Sprachförderkonzept für unsere Kindergärten. Und wir brauchen für alle Fünfjährigen verpflichtende, vom Land zu finanzierende Sprachstandsdiagnosen, auf deren Grundlage Kindergärten und Schulen abgestimmte Sprachförderkonzepte anbieten.“

Der SPD-Fraktionsvorsitzende forderte die Landesregierung auf, sich nicht in einer abstrakten Zuständigkeits- und Instrumentendebatte zu verzetteln: „Die Familien im Land interessiert nicht, ob das Land oder die Kommune für die Kinderbetreuung verantwortlich ist, sie interessiert einzig und allein die Frage, ob in den nächsten Jahren Verbesserungen bei der Kinderbetreuung erreicht werden können.“

Wonnay: Schlusslichtposition bei der Kinderbetreuung rasch überwinden
Nach den Worten der stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden und familienpolitischen Sprecherin, Marianne Wonnay, ist bereits jetzt absehbar, dass die Kommunen ohne zusätzliche finanzielle Unterstützung durch das Land nicht in der Lage sein werden, die eklatanten Defizite bei Kleinkind-, Ganztags- und Schulkindbetreuung rasch abzubauen.

Marianne Wonnay: „Zurückgehende Kinderzahlen bedeuten für die Kommunen nicht automatisch weniger Kosten. Diese Entwicklung wird vielmehr dazu führen, dass die in Baden-Württemberg ohnehin zu großen Kindergartengruppen endlich kleiner werden.“ Gespart werden könne also nur, wenn man größere Gruppen und damit weitere massive Abstriche bei der Angebotsqualität bewusst in Kauf nehme. Dies sei jedoch gerade angesichts der durch die PISA-Studie erneut verdeutlichten Bedeutung der frühkindlichen Erziehung für den zukünftigen Bildungserfolg unserer Kinder nicht zu vertreten. Zudem seien die Defizite bei der Kleinkind-, Ganztags- und Schulkindbetreuung im Land so eklatant, dass diese Mängel allein mit den aufgrund zurückgehender Kinderzahlen frei werdenden Mitteln in absehbarer Zeit auf keinen Fall abgebaut werden könnten.

Die SPD-Familienpolitikerin warf der Landesregierung in diesem Zusammenhang familienpolitisches Versagen vor: „Rahmenbedingungen zu schaffen, damit junge Familien Beruf und Familie miteinander vereinbaren können, ist die gesellschaftspolitische Zukunftsaufgabe schlechthin. Viele, vor allem viele gut ausgebildete junge Menschen, werden sich nur dann für Kinder entscheiden, wenn wir ihnen durch ein vernünftiges Kinderbetreuungsangebot die Möglichkeit bieten, Beruf und Familie tatsächlich miteinander zu vereinbaren. Tun wir das nicht, dann steuern wir auf eine Gesellschaft ohne Kinder zu. Eine kinderlose Gesellschaft ist jedoch eine Gesellschaft ohne Zukunft.“

Vor diesem Hintergrund sei es geradezu zynisch, dass Erwin Teufel ständig die geringe Geburtenrate in unserer Gesellschaft beklage, gleichzeitig aber aus kurzsichtigen finanziellen Erwägungen sein Finanzierungskonzept für die Kinderbetreuung ausdrücklich auf zurückgehenden Kinderzahlen aufbaue, sagte Wonnay.

Verhandlungsangebot der Landesregierung völlig unzureichend
Wonnay kritisierte das Verhandlungsangebot der Landesregierung zur Novellierung des Kindergartengesetzes als völlig unzureichend und konzeptionslos: „Statt des angekündigten ‚großen Wurfs’ bekommen die Kindergärten und Kommunen im Land lediglich ein neues Finanzierungsverfahren beschert, bei dem völlig unklar ist, ob in allen Kommunen das jetzige Betreuungsangebot dann überhaupt noch aufrechterhalten werden kann. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass es unter den Kommunen ‚Gewinner’ und ‚Verlierer’ geben wird und dass sich manche Städte durch die Neuregelung schlechter stellen werden – kein gutes Omen für die Zukunft der Kinderbetreuung im Land.“

Betrachte man die von der Landesregierung vorgelegten Eckpunkte, so finde man keinerlei inhaltliche Weiterentwicklung des Betreuungsangebotes, wie sie beispielsweise in den Leitsätzen des Städtetages zur Bildung, Erziehung, Betreuung und Integration vom 07. Oktober 2002 gefordert worden waren.
Wonnay: „Die Kleinkindbetreuung bleibt weiter eine Betreuungsform zweiter Klasse, dessen Finanzierung außerhalb des Gesetzes geregelt wird und bei dem das Land sich nur mit einem lächerlich geringen Betrag in Höhe von rund sieben Millionen Euro beteiligen will. Angesichts von derzeit nur 27 Betreuungsplätzen je 1.000 Kinder unter drei Jahren im Land ist dies nicht einmal der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein.“

Auch ihrer Verantwortung für die Sprachförderung habe sich die Regierung entzogen. Anstatt diese Aufgabe für Familien und Kommunen verbindlich und dauerhaft zu regeln, sei sie auf die Landesstiftung abgewälzt worden. Niemand wisse, wie es mit der Sprachförderung weitergehen soll, wenn die Förderung durch die Landesstiftung ausläuft. „Nicht erst seit der PISA-Studie wissen wir, welche Bedeutung die frühkindliche Erziehung für den späteren Bildungserfolg unserer Kinder hat. Bildung beginnt nicht erst in der Schule.

Kindertageseinrichtungen haben einen Bildungsauftrag und müssen unsere Kinder auf die Schule vorbereiten. Die Kommunen fordern deshalb völlig zu Recht, dass sich das Land entsprechend seinen Verpflichtungen im Bildungsbereich an der Stärkung des Bildungsauftrags finanziell beteiligt.“

Gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung nötig
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende sprach sich für eine gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung zur Weiterentwicklung des Kinderbetreuungsangebots aus, wobei Bund, Land und Kommunen zusammenwirken sollten. Die Ziele umriss Wonnay wie folgt: „Wir brauchen rasch mehr Betreuungsplätze für Kleinkinder und Schulkinder und mehr Ganztagsbetreuungsplätze. Wir müssen den Bildungsauftrag der Kindertageseinrichtungen stärken und vor allem die frühkindliche Sprachförderung ausbauen. Damit Tageseinrichtungen ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag gerecht werden, müssen wir die pädagogische Qualität nicht nur sichern, sondern verbessern.

Helmut Zorell

Pressesprecher