SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel: „Die Abkehr vom starren Laufbahnrecht soll die individuelle Leistung der Beamten deutlich fördern“

Rainer Stickelberger: „Wenn die Landesregierung bei den Leistungsanreizen für Beamte tatsächlich Fortschritte erzielen will, muss sie ihre bisherigen Pläne auf eine solide finanzielle Grundlage stellen“

Die SPD-Landtagsfraktion fordert die Landesregierung auf, bei der Neuregelung des Beamtenrechts einen stärkeren Reformeifer zu zeigen als bisher. „Wenn die Landesregierung ein modernes und zeitgemäßes Dienstrecht schaffen will, muss sie ihre vorgelegten Eckpunkte deutlich nachbessern“, sagte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. Er forderte den designierten Ministerpräsidenten Stefan Mappus auf, die Regelungskompetenz, die die Föderalismusreform I den Ländern im Besoldungs-, Versorgungs- und Laufbahnrecht gebracht hat, optimal zu nutzen. „Wenn die Landesregierung jetzt keinen Mut zeigt, wird der öffentliche Dienst den Herausforderungen der Zukunft nicht gerecht werden können“, erklärte Schmiedel. Zu den notwendigen Schritten gehöre deshalb eine Abkehr vom starren Laufbahnrecht.

Gestaltungsräume nutzen trotz schwierigen Rahmenbedingungen
Bei allen Reformwünschen erkennt die SPD-Landtagsfraktion an, dass insbesondere die finanziellen Rahmenbedingungen für ein neues Dienstrecht schwierig sind. Der Landeshaushalt setze vielen gewünschten Maßnahmen enge Grenzen, etwa der Einführung einer Altersteilzeit für alle Beamten. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass in den nächsten 20 Jahren viele Beamte des Landes in ihren wohlverdienten Ruhestand gingen. Dadurch stiegen die Versorgungslasten für den Haushalt deutlich an. Ungeachtet dessen müsse der öffentliche Dienst besser auf zukünftige Herausforderungen vorbereitet werden.

Modernisierung der Verwaltung
Der SPD geht es zum einen darum, qualifizierte Bewerber als Beamte zu gewinnen. Dabei müsse der öffentliche Dienst für Menschen mit Berufserfahrung weiter geöffnet werden. Die SPD begrüßt deshalb die geplanten Neuregelungen der Versorgungssysteme für einen Wechsel in und aus dem öffentlichen Dienst. Zum anderen müssten Leistungsanreize dafür sorgen, dass die Motivation und Arbeitsleistung vom Beginn der Beschäftigung bis zum Eintritt in den Ruhestand auf höchstem Niveau gehalten werden. Hier seien moderne Konzepte der Personalentwicklung und umfassenden Fortbildungen erforderlich. Rainer Stickelberger, Sprecher der Fraktion für den öffentlichen Dienst, sieht hier erheblichen Nachholbedarf: „Das neue Dienstrecht muss den Hebel bei der Leistung ansetzen und den Beamten Chancen bieten.“

Leistungsanreiz 1: Öffnung der Laufbahnen
Die Betonung der Leistung macht für Schmiedel eine Abkehr vom starren Laufbahnrecht unumgänglich. Die SPD will zum einen den Zugang zum öffentlichen Dienst nicht mehr allein von der Prüfungsnote abhängig machen. Zum anderen soll auch die Karriere nicht mehr lebenslang an einen bestimmten Bildungsabschluss gekoppelt werden. „Künftig sollen individuelle Leistungsstärken der Bewerber stärker berücksichtigt werden“, forderte Schmiedel: „Die Beamten müssen unabhängig von starren, formalen Grenzen gefördert werden.“ Die SPD will dafür den Aufstieg über die Laufbahngruppen hinweg erleichtern und fordert, dass das berufliche Fortkommen aktiv vom Arbeitgeber unterstützt wird. Stickelberger setzt dabei auch auf die Budgetierung der Personalausgaben. Hierdurch erhielten die Führungskräfte personalwirtschaftliche Verantwortung, der sie allerdings mit fachlicher und persönlicher Kompetenz gerecht werden müssten.

Der SPD-Politiker baut in solchen wichtigen Fragen auf die Einbindung des Landespersonalausschusses. Die sehr kompetenten Mitglieder des Gremiums könnten bei diesen grundlegenden Reformen einen wichtigen, stabilisierenden Beitrag leisten. Stickelberger lehnt damit die Absicht der Landesregierung, den Ausschuss abzuschaffen, ab.

Leistungsanreiz 2: Beförderung
Die SPD-Fraktion begrüßt zwar die Absicht der Regierung, die Beförderung als zentrales Element für die Honorierung von Leistung zu betonen. Grundvoraussetzung dafür sei aber, dass tatsächlich Beförderungsstellen zur Verfügung stehen. „Allein die theoretische Möglichkeit einer Höherstufung hilft nicht weiter“, mahnt Stickelberger. Er erwartet aber angesichts der vorhandenen Beförderungsstaus in naher Zukunft keine allzu großen Verbesserungen.

Leistungsanreiz 3: Prämien
Die SPD beurteilt die Pläne der Regierung, Leistungsprämien aus Effizienzgewinnen der dezentralen Budgetierung zu finanzieren, überaus skeptisch. Schließlich sei bisher noch nicht absehbar, welche Einsparungen sich aus der Budgetierung der Personalausgaben erzielen ließen. „Sich auf solche Kostenreduzierungen zu verlassen, wäre vollkommen unsicher und unrealistisch“, sagte Stickelberger. Sein Schluss deshalb zu den Leistungsanreizen: „Wenn die Regierung hier tatsächlich Fortschritte erzielen will, muss sie erheblich nachlegen und die bisherigen Pläne auf eine solide finanzielle Grundlage stellen.“

Erhöhung des Pensionseintrittsalters
Die SPD-Landtagsfraktion begrüßt, dass die Landesregierung ihre Pläne gestrichen habe, das Einstiegsalter in die Pension schneller zu erhöhen als bei der gesetzlichen Rentenversicherung. „Oettinger musste angesichts der Proteste von DGB, Beamtenbund und SPD anerkennen, dass er die Beamten dadurch mit einem Sonderopfer bestraft hätte“, sagte Stickelberger. Er bezweifle zudem, dass die Initiative zur freiwilligen Längerarbeit tatsächlich die erhofften Einsparungen bringe. Schließlich liege das derzeitige durchschnittliche Pensionseintrittsalter in Baden-Württemberg bereits bei gut 62 Jahren. „Es ist doch blauäugig zu glauben, die Beamten würden im jetzigen System einfach so zwei Jahre länger arbeiten“, unterstrich Stickelberger. Schließlich gingen die Beamten heute in der Regel wegen gesundheitlicher Probleme vorzeitig in den Ruhestand. Stickelberger forderte deshalb, die Neuregelung zu flankieren. Die Landesregierung müsse die Gesundheitsprävention und die Gestaltung des Arbeitsplatzes verbessern sowie individuelle Gesundheitsprogramme anregen – ansonsten wäre diese Initiative eine Einsparmaßnahme durch die Hintertür.

Sonderaltersgrenzen für Polizei und Feuerwehr
Deutliche Kritik übt die SPD-Fraktion an der Absicht der Landesregierung, die Sonderaltersgrenzen für Beamte der Polizei, der Feuerwehr und des Justizvollzugs von 60 auf 62 Jahre anzuheben. „Das Land muss unbedingt die körperliche Leistungsfähigkeit für Beamte im Einsatzdienst beachten“, sagte Stickelberger. Er forderte deshalb, insbesondere bei Feuerwehrbeamten im Einsatzdienst sowie bei Polizei- und Justizvollzugsbeamten, die viele Jahre im Schicht- und Wechselschichtdienst eingesetzt wurden, die Altersgrenze bei den derzeit geltenden 60 Jahren zu belassen. Schließlich führe die mit dem Alter sinkende körperliche Belastbarkeit nicht nur für die betroffenen Beamten selbst zu einer Überforderung. Eine höhere Altersgrenze bürde auch den Kollegen die übermäßige Pflicht auf, diese Defizite zu kompensieren. „Hier muss die Landesregierung dringend nachbessern“, fordert Stickelberger.

Gleichstellung von Beamten in eingetragener Lebenspartnerschaft
Darüber hinaus vermisst die SPD-Fraktion in den Eckpunkten der Landesregierung das Ziel, verpartnerte Beamte mit ihren verheirateten Kollegen im Beamtenbesoldungs- und -versorgungsrecht gleichzustellen. Hier hinke Baden-Württemberg den meisten Bundesländern und mittlerweile sogar Bayern hinterher. Mehrere Beamte aus dem Land hätten bereits Gerichtsverfahren auf Zahlung des Familienzuschlags angestrengt, etwa der Heidelberger Bürgermeister und ein Stuttgarter Oberstudiendirektor. „Es ist ein Armutszeugnis, dass die Landesregierung hier so sehr zum Jagen getragen werden muss“, sagte Schmiedel: „Nach der neueren Rechtsprechung muss doch auch der Landesregierung klar werden, dass sie sich mit ihrer Verweigerungshaltung verrannt hat.“ Für die Parlamentsberatungen kündigt er entsprechende Änderungsanträge seiner Fraktion an.

Die Zeit ist reif für eine Reform
Schmiedel stellte fest, dass die Eckpunkte der Landesregierung zur Dienstrechtsreform zwar nicht den Erwartungen, die Ende 2006 vom Ministerpräsidenten geweckt worden seien, Rechnung getragen hätten. Er begrüße aber dennoch, dass endlich Bewegung in dieses Reformprojekt kommt. „Es ist wichtig, die Unsicherheit bei den Beamten im Land über die Ausgestaltung ihres Dienstverhältnisses rasch zu beenden.“ Seine Fraktion werde sich im Parlament dafür stark machen, dass der öffentliche Dienst in Baden-Württemberg ein attraktiver Arbeitgeber bleibe. Die Bürger im Land sollen allen Grund haben, mit den Beamten zufrieden zu sein.

Stuttgart, 1. Februar 2010
Dr. Roland Peter
Pressesprecher