Fraktionsvize Nils Schmid: „Die SPD will dem Wunsch vieler Eltern nachkommen, den bestmöglichen Weg ihrer Kinder zum Abitur wählen zu können“

Bildungsexperte Norbert Zeller: „Die SPD unterstützt mit dem Gesetz innovative Schulentwicklung vor Ort, um den Kindern bessere Bildungschancen zu bieten“

Elternvertreterin Berndt-Mohr: „Der Lernstress im G 8 ist zu hoch. Die Eltern wollen für ihre Kinder die besten Bildungschancen, aber dafür muss die Politik den jungen Menschen auch die Zeit geben“

Die SPD-Landtagsfraktion stellt heute den Entwurf eines Schulgesetzes zum achtjährigen Gymnasium vor. Damit will sie als spätere Regierungsfraktion die Möglichkeit schaffen, innerhalb des Bildungsplans für das achtjährige Gymnasium auch einen neunjährigen Zug zum Abitur anzubieten. „Die SPD kommt damit dem Wunsch vieler Eltern nach, zum Vorteil ihrer Kinder zwischen dem acht- und neunjährigen Weg zum Abitur wählen zu können“, sagt Nils Schmid, Fraktionsvizechef und SPD-Spitzenkandidat. Dies würde der Heterogenität von Kindern und Jugendlichen und ihren unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung tragen.

Waltraud Berndt-Mohr, neue Vorsitzende des Arbeitskreises Gesamtelternbeiräte Baden-Württemberg (AK GEB), weist darauf hin, dass die Umfrage der Initiative Schule mit Zukunft jüngst erneut bestätigt habe, wie stark die Kritik der Eltern am G 8 unverändert sei. „Die Eltern klagen über die zu hohe schulische Belastung ihrer Kinder, außerschulische Aktivitäten müssen aufgegeben werden und selbst das Familienleben leidet unter dem G 8-Stress“, erklärt Waltraud Berndt-Mohr. Dass die Übergangsquoten auf das Gymnasium in den vergangenen Jahren trotzdem gestiegen seien, zeige, dass die Eltern ihren Kindern bestmögliche Bildungschancen eröffnen wollten. Sie fordert deshalb: „Das Land muss den jungen Menschen die Zeit dafür geben, das Gymnasium gut zu absolvieren.“

Die SPD reagiert mit ihrem Gesetzentwurf auf die negativen Erfahrungen vieler Eltern. Das Gesetz könne diese Situation entscheidend verändern. Außerdem erhielten mehr junge Leute die Chance, das Abitur am allgemein bildenden Gymnasium erwerben zu können. Zudem will die SPD mit einem solchen Gesetz auch den Akteuren vor Ort mehr Handlungsmöglichkeiten eröffnen: „Die SPD unterstützt damit innovative Schulentwicklung vor Ort, um den Kindern bessere Bildungschancen zu bieten“, erklärt Norbert Zeller, SPD-Bildungsexperte und Vorsitzender des Schulausschusses im Landtag.

Neue Herausforderungen für das Gymnasium
Als eine wichtige Ursache für die Unzufriedenheit mit dem G 8 sieht Zeller, dass der Unterrichtsstoff in der Unter- und Mittelstufe verdichtet werde. G 8-Schüler müssten deshalb den Stoff für die Mittlere Reife bereits nach der 9. Klasse absolviert haben. Die SPD sieht dies als unsinnig an, zumal die formale Anerkennung dieses Abschlusses tatsächlich erst am Ende der 10. Klasse erfolge. Sie fordert deshalb, diesen Lernstoff wieder auf zehn Schuljahre zu verteilen.

„Ein Umdenken in der Gymnasialpolitik ist dringend notwendig“, unterstreicht Zeller. Das zeige sich auch daran, dass die Übergangsquoten von der Grundschule in das Gymnasium in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen seien. Im Schuljahr 2009/10 wechselten landesweit 40,2 Prozent der Grundschüler auf ein Gymnasium; in einzelnen Landkreisen lag diese Quote bei weit über 50 Prozent. Damit habe auch die Heterogenität der Schüler entsprechend zugenommen – zum einen hinsichtlich ihrer Leistungen, zum anderen hinsichtlich ihrer sozio-kulturellen Herkunft. Zeller sieht deshalb neue Herausforderungen für die Gymnasien, die sich viel stärker als bisher der bestmöglichen individuellen Förderung jedes einzelnen Kindes annehmen müssten. Die Schulart müsse auch Schülern offen stehen, die zwar das Potenzial zur Erlangung der Hochschulreife mitbringen, die dafür aber eine längere Lernzeit bräuchten oder wollten, deren Eltern bei Hausaufgaben nicht helfen und die sich keine teure Nachhilfe leisten könnten.

Die Möglichkeit der Gymnasien, innerhalb des G 8 auch einen neunjährigen Zug zum Abitur anzubieten, werde dieser Herausforderung gerecht. Jedoch richte sich der G 9-Zug nicht nur an weniger Leistungsstarke. Er sei auch für Eltern ein attraktives Angebot, die für Kinder und Familie weniger Lernstress und mehr Zeit für außerschulische Tätigkeiten oder ehrenamtliches Engagement haben möchten. „Befürchtungen, durch das neue Angebot könne sich innerhalb der Gymnasien eine ‚2-Klassen-Gesellschaft‘ bilden, sind unbegründet“, betont Zeller deshalb.

Die SPD sieht die Schulkonferenz als Entscheidungsgremium in dieser Frage. Sie beschließe im Einvernehmen mit dem Schulträger, ob am jeweiligen Gymnasium neben dem achtjährigen auch ein neunjähriger Zug zur allgemeinen Hochschulreife führt. Für den neunjährigen Zug müsse die Schule ein pädagogisches Konzept auf Basis des Bildungsplans für das achtjährige Gymnasium vorlegen. Das Konzept sehe insbesondere die wechselseitige Durchlässigkeit zwischen den beiden Zügen vor. Der Beschluss der Schulkonferenz werde nach Prüfung der Antragsunterlagen vom Kultusministerium bestätigt.

Gymnasium in Mosbach Beispiel für positive Schulentwicklung
Die SPD sieht das Auguste-Pattberg-Gymnasium in Mosbach als Beispiel für einen vorbildlichen Weg der Schulentwicklung an. Die Schule möchte den jetzt von der SPD vorgeschlagenen Weg gehen und habe dafür ein schlüssiges pädagogisches Konzept erarbeitet. Dabei zogen die Schule und die Kommune an einem Strang: Als die Schule die Eltern des Gymnasiums sowie der umliegenden Grundschulen befragte, sprachen sich drei von vier Eltern für einen neunjährigen Zug innerhalb des G 8 aus. Daraufhin wurde gemeinsam mit Müttern und Vätern, Schülern und Schulträger das Konzept „G 8 plus“ erarbeitet. Der Gemeinderat Mosbach sprach sich einstimmig für den Schulversuch aus. Doch trotz dieses breiten Einverständnisses wurde der Antrag der Gemeinde Mosbach, einen Schulversuch „G 8 plus“ einzurichten, von der Landesregierung abgelehnt. „Das ist ein Beispiel dafür, dass Schwarz-Gelb vorbildliches Bildungsengagement vor Ort ausbremst“, erklärt Schmid. Die Landesregierung blockiere damit einen vorbildlichen Schulentwicklungsprozess und verhindere, dass mehr junge Menschen bessere Bildungschancen erhalten, sagt Zeller.

Stuttgart, 9. Dezember 2010
Dr. Roland Peter
Pressesprecher

Anlage

Umfrage der Elterninitiative Schule mit Zukunft und des GEB Stuttgart vom November 2010

Bei der Umfrage gaben fast drei Viertel (72 Prozent) von rund 5000 Eltern an, sie seien mit dem G 8 unzufrieden. Sechs Jahre nach der Einführung von G 8 beklagen die Eltern die Belastung der Kinder durch zu umfangreiche Stundenpläne, zu große Stofffülle, Zeitdruck und Notenstress. 72 Prozent der Eltern gaben bei der Frage «Sind die Schüler erschöpft?» an, dies sei immer oder sehr häufig der Fall.

Laut der Umfrage unter 4756 Eltern wünschen sich knapp 80 Prozent, für ihre Kinder zwischen dem neunjährigen und achtjährigen Gymnasium wählen zu können.

Trotz der Vorgabe, Unterrichtsinhalte bei G 8 zu reduzieren, werde immer noch zu viel Stoff vermittelt, monieren 72 Prozent der Eltern. 55 Prozent der befragten Eltern attestierten ihrem Nachwuchs, häufig oder stets keine Lust auf Schule zu haben. Allerdings berichteten 88 Prozent auch, ihr Kind fühle sich an seiner Schule im Prinzip wohl.