Wolfgang Drexler: „Der vorliegende Gesetzentwurf zur Umsetzung des EU-weiten Emissionshandels benachteiligt Baden-Württemberg in eklatanter Weise“

Brief an Franz Müntefering

In einem Brief an den Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Franz Müntefering, verlangt der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Wolfgang Drexler, Änderungen am vorliegenden Gesetzentwurf zum Emissionshandel. Nach Ansicht der SPD-Landtagsfraktion könnten in Baden-Württemberg auf Jahre hinaus keine konkurrenzfähigen Kraftwerke neu gebaut werden, wenn der vorliegende Gesetzentwurf unverändert umgesetzt würde. Ziel der von der SPD im Landtag geforderten Änderungen müsse es sein, so Drexler, dass der Kernenergieausstieg einzelne große Energieerzeuger beim Emissionshandel nicht benachteiligen darf.

Der Brief Drexlers an Müntefering hat folgenden Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Fraktionsvorsitzender,
nach Gesprächen zwischen Vertretern der Bundesregierung und der Wirtschaft hat das Bundeskabinett Ende März 2004 den Nationalen Allokationsplan zur Umsetzung des EU-weiten Emissionshandels für Deutschland beschlossen.

Nach meinen Informationen soll der entsprechende Gesetzentwurf am Mittwoch, den 5. Mai 2004 in Bundestag und Bundesrat eingebracht und dann am 28. Mai im Bundestag in dritter Lesung verabschiedet werden. Im Bundesrat soll am 9. Juli 2004 Beschluss gefasst werden. Am gleichen Tag sollen auf einer Sondersitzung des Bundestages zu erwartende Einsprüche des Bundesrates zurückgewiesen werden.

Der vorgelegte Gesetzentwurf benachteiligt Baden-Württemberg in eklatanter Weise. Würde der Entwurf in der eingebrachten Form verabschiedet, könnte in Baden-Württemberg auf Jahre hinaus kein konkurrenzfähiges Kraftwerk neu gebaut werden. Dem steht die Tatsache gegenüber, dass aufgrund des hohen Kernenergieanteils an der Energieerzeugung in Baden-Württemberg auf der Grundlage des vereinbarten Konsenses zum Atomausstieg in einem kurzen Zeitabschnitt überdurchschnittlich viele Kernkraftwerke stillgelegt werden.

Können die in unserem Land stillgelegten Kernkraftwerke aber aus Wettbewerbsgründen nicht durch moderne andere Kraftwerke ersetzt werden, ist der Energiestandort Baden-Württemberg am Ende. Das Gleiche gilt auch für die vielen unmittelbar und mittelbar mit der Stromerzeugung verbundenen Arbeitsplätze. Baden-Württemberg erlitte in Gänze einen enormen Wertschöpfungsverlust. Dies kann unmöglich Ziel der Berliner Politik sein. Seriöse Berechnungen beziffern die Benachteiligung beim Ausstieg aus der Kernenergie allein durch die Nichtkompensation von etwa drei Vierteln der Mehremissionen auf jährlich rund 20 Mio. €.

Ich appelliere deshalb an Dich und die Bundestagsfraktion, durch Veränderungen am Gesetzentwurf dafür zu sorgen, dass die befürchteten Verschlechterungen nicht eintreten und weise in diesem Zusammenhang auf folgendes hin:

Die Zusage, dass Kernenergieerzeuger durch den von uns allen gewollten Ausstieg keinen Wettbewerbsnachteil erleiden, war eine wesentliche Grundlage der Ausstiegsvereinbarung. Der bisherige Gesetzentwurf bevorzugt einseitig nordrhein-westfälische Energieerzeuger. Die Bevorzugung der „alten Braunkohleschleudern“ bei den Emissionszertifikaten bedeutet im Klartext ein Bauverbot für den baden-württembergischen Energieerzeuger, der moderne, neue Anlagen für die stillzulegenden Atomkraftwerke bauen will und soll.

Ich hoffe sehr, dass es in einer gemeinsamen Anstrengung noch gelingt, den nationalen Allokationsplan dahingehend zu verändern, dass er tatsächlich und wirksam den Ausstoß schädlicher Klimagase vermindert – und er eben nicht zu einem Instrument zur Verzerrung des Wettbewerbs umfunktioniert wird. Es muss unser gemeinsames Ziel sein, dass der Kernenergieausstieg einzelne große Energieerzeuger beim Emissionshandel nicht benachteiligen darf.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Drexler“

Helmut Zorell
Pressesprecher