Rechtsexperte Stickelberger: „Frankenberg ging es offensichtlich aus eigenem Interesse um einen möglichst raschen und umfassenden Schlussstrich“

Stickelberger: „Jetzt stellt sich endgültig die Frage, ob der Minister seinem Amt gewachsen ist“


„Schneller Schlussstrich und alles vergessen“: Diese Haltung charakterisiere das Vorgehen von Wissenschaftsminister Peter Frankenberg im Fall Friedl, erklärt die SPD-Fraktion. Frankenberg habe bei dem Freiburger Universitätschirurgen Friedl bereits schwerwiegende rechtliche Fehler zum Schaden des Landes begangen. Die vorschnelle Entlassung des Skandalmediziners aus dem Beamtenverhältnis setze allem aber die Krone auf, erklärte Rainer Stickelberger, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. „Frankenberg ging es offensichtlich aus eigenem Interesse um ein möglichst rasches Ende in diesem Fall“, sagte Stickelberger. „Damit liegt er aber ebenso falsch wie bei seinen früheren Einschätzungen.“

Der Minister habe mit der Entlassung überwiegend seinen Teil des Vergleichs vollzogen, auf den er sich mit Friedl geeinigt hatte. Es fehle nur noch die Entschädigungszahlung von knapp zwei Millionen Euro, auf die Friedl aber mit großer Sicherheit in einer Klage bestehen werde. Stickelberger sagt voraus, dass das Land durch Frankenbergs Vorgehen in große Gefahr gerate, diese Summe zahlen zu müssen – zumal der Minister selbst oft genug betont habe, dass diese Zahlung rechtmäßig sei. „Frankenberg hat damit Friedls Rechtsanwälten gute Argumente geliefert“, sagte der Rechtsexperte.

Zudem gebe es weitere schwerwiegende Punkte, die durch die Entlassung nicht geklärt seien. Stickelberger nennt als ersten Punkt die Rentenansprüche. Schon damit könnten größere Zahlungen auf das Land zukommen. Zweiter Punkt: die Entschädigungsforderungen. Das Land habe für die Operationsfehler Friedls bereits mit rund 300.000 Euro gerade stehen müssen. Zusätzliche Ansprüche geschädigter Patienten seien zu erwarten, da weitere Prozesse im Laufen seien. „Hier hätte die Landesregierung von Friedl Geld zurückholen müssen“, unterstrich Stickelberger. „So besteht die große Gefahr, dass das Land sogar noch für Fehler Friedls zahlen muss.“ Dritter Punkt: Das Land verzichtet auch in dem Vergleich auf Ansprüche gegenüber dem Mediziner, da er Klinikeinrichtungen für Privatpatienten nutzte. Stickelberger hält es aber auch in diesem Fall für nicht für hinnehmbar, dass das Land durch die Entlassung auf jede Möglichkeit verzichte, diese Ansprüche durchzusetzen.

„Bei allen drei Punkten hätten große Erfolgsaussichten bestanden, wenn Frankenberg das Disziplinarverfahren durchgezogen hätte“, sagte der Rechtsexperte. Ihm sei völlig unklar, weshalb der Wissenschaftsminister die ausgezeichnete Rechtsposition des Landes nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim vom April 2009 nicht ausgenutzt und ein Gerichtsverfahren abgewartet habe. Der VGH hatte die Suspendierung von Friedl als Chefarzt angesichts der nachgewiesenen schwerwiegenden Fehler als rechtmäßig bezeichnet. „Jetzt steht das Land rechtlich deutlich schlechter da als vor der Entlassung“, sagte Stickelberger.

Hinzu komme, dass Frankenberg mit der Entlassung erneut bewusst gegen einen klaren und einstimmig gefassten Landtagsbeschluss verstoße. Am 14. Mai 2009 hatte das Parlament die Landesregierung aufgefordert, „das Disziplinarverfahren gegen den ehemaligen Unfallchirurgen fortzuführen und zügig unter Wahrung aller rechtlichen Möglichkeiten abzuschließen“ und außerdem „alle Maßnahmen, die das Disziplinarrecht bietet, voll auszuschöpfen und alle rechtlichen Ansprüche offenzuhalten“ (vgl. LT-Drucksache 14/4486). Frankenberg selbst habe in dieser Landtagssitzung das vorherige Votum des Wissenschaftsausschusses als eine „kluge Empfehlung“ bezeichnet und angekündigt, dass „das Disziplinarverfahren jetzt fortgeführt (wird)“. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Landesregierung sich hier wie bei den Bonuszahlungen für LBBW-Manager in kurzer Frist über Parlamentsbeschlüsse hinwegsetze, sagte Stickelberger.

Der Rechtsexperte urteilt, dass Frankenberg einmal mehr juristisch schlecht beraten gewesen zu sein, dem Antrag Friedls auf Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zu folgen. „Angesichts dieses häufig falschen Vorgehens steht endgültig die Kompetenz des Ministers auf dem Prüfstand“, sagte der Rechtsexperte. „Frankenberg ist offensichtlich nicht in der Lage zu beurteilen, wie ein Ministerium sich gegen unberechtigte Ansprüche am besten wehren kann.“ Er hält es jetzt für endgültig erkennbar, dass im Ministerium eine völlig unberechtigte Scheu gegenüber Gerichtsverfahren vorhanden sei. Dafür gebe es mittlerweile eine Reihe von Beispielen, angefangen vom mehrfachen Verhalten gegenüber dem Haus Baden bis hin zur unverständlichen Hinhaltetaktik gegenüber Friedl. „Selbst beste Rechtspositionen des Landes hindern Frankenberg nicht daran, völlig unberechtigten Ansprüchen nachzugeben“, sagte Stickelberger. „Hier stellt sich endgültig die Frage, ob der Minister seinem Amt gewachsen ist.“

Der SPD-Abgeordnete kündigt an, dass er den Fall Friedl und die Motive der Landesregierung in der Plenarsitzung in dieser Woche ansprechen werde.


Stuttgart, 15. Juni 2009
Dr. Roland Peter
Pressesprecher