Bildungsexperte Mentrup: “Die Schüler müssen ausbaden, was Kultusminister Rau mit seiner Politik angerichtet hat“

An jedem Gymnasium im Land fallen in diesem Schuljahr im Durchschnitt 1400 Unterrichtsstunden weg, an jeder Realschule 816. An beruflichen Schulen und Förderschulen ist der Ausfall besonders stark angestiegen


Eigentlich verkünde die Landesregierung nach ihrer üblichen Stichprobe im November immer gerne, dass die Zahl der ausgefallenen Stunden an den Schulen gesunken sei. Doch jetzt scheue Kultusminister Rau in dieser Frage den Gang an die Öffentlichkeit, erklärte die SPD-Fraktion. So bringe erst eine SPD-Anfrage ans Licht, dass im aktuellen Schuljahr 2008/09 mehr Stunden ausgefallen sein werden als im Jahr zuvor. Als Grundlage für diese Ausfallstatistik dient eine Stichprobenerhebung des Kultusministeriums vom November 2008. Insgesamt mussten die Schüler in diesem Schuljahr auf mehr als 1,35 Millionen Unterrichtsstunden an den öffentlichen allgemeinbildenden Schulen (ohne berufliche Schulen) verzichten. Die Brisanz werde noch verschärft, da sich die Lage zum einen im Vergleich zum November 2007 sogar verschlechtert habe, erklärte der bildungspolitische Fraktionssprecher Frank Mentrup. Zum anderen seien die Schüler von den Ausfällen noch stärker betroffen als zuvor, da es insgesamt weniger Klassen als im Vorjahr gebe.

„Kultusminister Helmut Rau schafft nicht nur keine Abhilfe, die Lage verschlechtert sich auch noch“, sagte Mentrup. Dabei behaupte die Landesregierung öffentlich, die Bildung mit 500 Millionen Euro verbessern zu wollen. „Doch das wirkliche große Problem Stundenausfall will Rau dabei offensichtlich nicht angehen“, sagte Mentrup. „Die Landesregierung darf die Situation nicht mehr länger einfach hinnehmen“, erklärte er. „Jede einzelne Unterrichtsstunde ist wichtig für die Schüler.“

Besonders betroffen von den Ausfällen ist das Gymnasium. Hier fallen in diesem Schuljahr insgesamt mehr als 500.000 Schulstunden aus. Durchschnittlich muss jedes Gym-nasium im Land auf eigentlich unvorstellbare 1400 Unterrichtsstunden verzichten. „Es ist angesichts der Probleme mit dem G8 ein Skandal, dass Kultusminister Rau hier die Dinge laufen lässt“, sagte Mentrup. An den Realschulen werden knapp 350.000 Stunden zu wenig gehalten. Auch hier falle mit 816 Stunden im Schnitt pro Schule eine viel zu hohe Zahl an Stunden aus. Selbst in der Hauptschule mit ihren großen pädagogischen Problemen haben Lehrer an 250.000 Stunden gefehlt, pro Schule im Schnitt an 211 Stunden.

Zu bedenken sei bei diesen Zahlen, dass es sich zum einen um Durchschnittszahlen handle. Das bedeute, dass einzelne Schulen noch wesentlich stärker betroffen waren. Und zum anderen erfasse die Statistik nur die tatsächlich ausgefallenen Stunden. Würde das Kultusministerium auch noch den Unterricht hinzuzählen, bei dem abwesende Lehrer von Kollegen vertreten wurden, sehe es noch schlimmer aus. Insgesamt werden im Schuljahr 2008/09 in den allgemeinen und den beruflichen Schulen rund 2,3 Millionen Stunden (7,6 Prozent) nicht so gehalten, wie es der Stundenplan vorsah. „Wenn wir diese Situation nicht schleunigst ändern, dürfen wir uns nicht wundern, dass die Ergebnisse an den Schulen sich nicht bessern“, erklärte Mentrup.

Gründe für Ausfälle muss Rau sich auch selbst zuschreiben
Das zeigt sich besonders an den Gründen für die Ausfälle. Nach wie vor wird mehr als jede zweite Stunde nicht gehalten, weil die Lehrer krank geworden sind (56,4 Prozent). Bei etwa jeder fünften Stunde (17,9 Prozent) ist die Lehrerfortbildung Grund für den Stundenausfall. Beide Punkte könnten aber von Rau deutlich stärker eingeschränkt werden, erklärte Mentrup. Zum einen würden mehr Krankheitsvertretungen benötigt. Die SPD hatte dazu bei den Beratungen zum Haushaltsplan 2009 beantragt, die Zahl der Krankheitsstellvertreter um 400 von 1.250 auf 1.650 zu erhöhen, also um 33 Prozent. Die Regierungskoalition hat dies abgelehnt. „Damit ist die Landesregierung für den Ausfall teilweise selbst verantwortlich“, sagte Mentrup. Zudem müsse Rau es sich selbst zuschreiben, dass es schwierig sei, Lehrer als Krankheitsvertreter zu finden. Noch im Sommer 2007 habe der Kultusminister es abgelehnt, alle Referendare zu übernehmen – selbst wenn sie sehr gute Abschlüsse mit 1,2 vorweisen konnten. „Rau ist jetzt dafür verantwortlich, dass das Land nicht mehr genug Lehrer findet“, sagte Mentrup. Und zum anderen müsse Rau die Schulleitungen noch stärker dazu drängen, die Fortbildung in den Ferien zu machen. Um Abhilfe zu schaffen, fordert die SPD, dass das Kultusministerium den einzelnen Schulen Budgets zur Verfügung stellt, um schnell und unbürokratisch eigenes Personal suchen und anstellen zu können.

Größerer Ausfall als im Vorjahr
Dass Raus Methoden offensichtlich zu wenig Erfolg hätten, zeige sich auch daran, dass die Situation sich gegenüber dem Vorjahr noch verschlechtert habe. Die SPD-Anfrage bringt ans Licht, dass im November 2008 mehr Stunden an den Schulen ausgefallen sind als im Jahr zuvor. Fielen laut der Erhebung des Kultusministeriums vom November 2007 an allen allgemeinen und beruflichen Schulen noch 3 Prozent des Pflichtunterrichts weg, waren es nach der neuen Erhebung vom November 2008 bereits 3,2 Prozent. Gleichzeitig sank die Zahl der Klassen im Vergleichszeitraum um 756. Damit gab es größere Stundenausfälle bei weniger Klassen. „Das ist ein deutliches Alarmzeichen dafür, dass Rau seine Politik ändern muss“, erklärte Mentrup.

Dass die Probleme zunehmen, zeigt sich vor allem an beruflichen Schulen und Förderschulen. Bei den beruflichen Schulen gab es zwischen 2007 und 2008 einen Anstieg des Ausfalls von 1,1 Punkten von 3,4 auf 4,5 Prozent. Und bei den Förderschulen sind 2,5 Prozent der Stunden ausgefallen, also immerhin 0,6 Punkte mehr als im Jahr zuvor. Was solche nackten Zahlen bedeuten, zeigt ein offener Brief von Sonderschuleltern aus dem Regierungsbezirk Karlsruhe vom Februar 2009. „Bei äußerst knapper Lehrerversorgung schlägt eine Grippewelle besonders heftig auf die Unterrichtssituation durch, so dass nochmals bis zu 30 Prozent Lehrpersonal ausfällt.“ Die „desolate Personalsituation“ führe dazu, „dass die Sonderschulen teilweise zu reinen Versorgungs- und Aufbewahrungsanstalten verkommen“, schreiben die Eltern. „Die Landesregierung muss handeln und endlich einmal durchschlagende Ergebnisse zustande bringen“, sagte Mentrup. „Ansonsten müssen weiterhin Schüler die Folgen der Rau-Politik ausbaden.“

Stuttgart, 7. Mai 2009
Dr. Roland Peter
Pressesprecher