Wolfgang Drexler: „Die Landesregierung spart bei Arbeitslosen, jugendlichen Berufseinsteigern und psychisch Kranken und blockiert im Bundesrat eine moderate Besteuerung von Aktiengewinnen – eine solche Politik ist zutiefst unsozial und ungerecht“

Drastischer Einschnitt bei Investitionen: Weitere Talfahrt der Wirtschaft im Land vorprogrammiert

Nach einer eingehenden Analyse der von der Landesregierung am gestrigen Abend vorgelegten „Sparliste“ in Höhe von 300 Mio. Euro für das Jahr 2003 hat die SPD-Landtagsfraktion ihre Kritik weiter verschärft. Diese Sparliste sei sozial ungerecht und wachstumsfeindlich, so das Fazit von SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler.

Die Landesregierung spare bei Langzeitarbeitslosen, bei jugendlichen Berufseinsteigern, bei der Jugend-Sozialarbeit und bei psychisch Kranken, blockiere aber gleichzeitig im Bundesrat eine moderate Besteuerung von Aktiengewinnen. Drexler: „Eine solche Politik ist nicht nur unchristlich, sie ist unsozial und zutiefst ungerecht.“

Wachstumsfeindlich sind nach Angaben Drexlers die von der Landesregierung in der Sparliste für 2003 beschlossenen drastischen Kürzungen bei den Investitionen im Gesamtumfang von mindestens 60 Mio. Euro. Die Kürzungen bei den Investitionen im öffentlichen Personen-Nahverkehr, beim kommunalen Straßenbau, beim Staatlichen Hochbau und vor allem bei der Wohnungsbauförderung seien Zeichen einer völlig verfehlten Haushalts- und Finanzpolitik. Drexler: „Seit langem leidet die Wirtschaft in Baden-Württemberg unter einer ganz erheblichen Wachstumsschwäche mit der Konsequenz, dass das Land beim Wirtschaftswachstum im Ländervergleich ganz unten rangiert. In einer solchen Situation gut 20 Prozent der Einsparungen ausgerechnet bei den Investitionen vorzunehmen, ist der völlig verkehrte Weg. Die Talfahrt der Wirtschaft im Land wird damit weiter beschleunigt.“

Empört ist die SPD-Fraktion vor allem über die Kürzungen bei der Wohnungsbauförderung. Teufel und Döring hätten noch bis vor wenigen Tagen mit drastischen Sprüchen die Reform der Eigenheimzulage in Berlin kritisiert („Konzeptionslosigkeit“, „steuerpolitischer Amoklauf“, „wohnungspolitischer Crashkurs“, „verheerende Auswirkungen für den Wohnungsbau und die Bauwirtschaft“, „Kahlschlag“, „Husarenritt“), jetzt aber werde im Land bei eben dieser Wohnungsbauförderung massiv gekürzt. Erst gestern habe die landeseigene L-Bank darauf hingewiesen, dass die Zahl der neuen Wohnungen im vergangenen Jahr den niedrigsten Stand seit 1988 erreicht hat. Drexler: „Mit den Kürzungen im Landeswohnungsbauprogramm haben Teufel und Döring jegliches Recht verwirkt, die Bundesregierung bei der Eigenheimzulage zu kritisieren. Teufel und Döring haben ihre Glaubwürdigkeit endgültig verloren.“

Rekordverschuldung – doch das Land verschenkt Milliarden
Als „politisch verantwortungslos“ und „gegen das Interesse des Landes gerichtet“ kritisierte SPD-Fraktionschef Drexler die Blockadehaltung der Landesregierung im Bundesrat zum Beispiel bei der Besteuerung von Aktiengewinnen und Großunternehmen. Dem Land entgingen dadurch allein im kommenden Jahr Mehreinnahmen in einer Höhe von voraussichtlich knapp 300 Mio. Euro. Diese Mehreinnahmen steigerten sich Jahr für Jahr und brächten dem Land zum Beispiel im Jahr 2006 gut 1 Milliarde Euro zusätzliche Einnahmen. Drexler: „Die Landesregierung treibt die Neuverschuldung auf eine bisher unvorstellbare Rekordhöhe, lehnt gleichzeitig aber Steuermehreinnahmen aus parteipolitischen Gründen brüsk zurück. Eine solche Politik schadet dem Land.“

Wo bleiben die strukturellen Reformen?
Insgesamt bezeichnet Wolfgang Drexler das von der Landesregierung in Etappen vorgelegte Sparpaket als „halbherziges Streichen auf dem kleinsten gemeinsamen Koalitionsnenner“, ohne erkennbare strukturelle Reformen. Drexler forderte die Landesregierung auf, endlich ein politisches Sparpaket mit strukturellen Veränderungen im Land vorzulegen, um dauerhaft Sparerfolge erzielen zu können. Dazu gehöre insbesondere die Zusammenlegung von Ministerien, die Abschaffung der Oberschulämter und der Regierungspräsidien, der Abbau der Wasserköpfe in der Berliner Landesvertretung und eine radikale Reform der Aufgabenbeschreibung der verschiedenen Ebenen der Landesverwaltung. Drexler: „Solange sich die Landesregierung an diese Aufgabe nicht herantraut, bleibt alles Sparen Ausdruck hilflosen Agierens in schweren Zeiten ohne Perspektiven für dauerhafte Einsparungen.“

Kritik ohne Konsequenzen
Das beste Beispiel für ihre widersprüchliche, halbherzige Sparpolitik habe die Landesregierung gestern auf der Landespressekonferenz selber geliefert, sagte Drexler. Einerseits sei die von dem Arbeitskreis Steuerschätzung, an dem auch das Land beteiligt ist, vorgelegte Wachstumsprognose von 1,4 Prozent als Grundlage für die aktuelle Steuerschätzung als völlig „unrealistisch“ dargestellt worden, andererseits aber habe der Landesregierung der Mut gefehlt, daraus auch Konsequenzen zu ziehen. Trotz dieser Kritik sei die derzeitige Streichliste genau auf dieser als „völlig unrealistisch“ kritisierten Wachstumsprognose aufgebaut worden und das auch noch mit dem Hinweis, im nächsten Jahr komme alles noch schlimmer.

Drexler:“Wenn die Landesregierung dies alles schon weiß, warum handelt sie dann nicht jetzt? Der Verdacht liegt nahe, dass sie ihr Sparkonzept vor allem darauf ausgerichtet hat, mögliche Proteste der Bevölkerung in Baden-Württemberg klein zu halten, um den Parteifreunden in Hessen und Niedersachsen die Wahlkämpfe für die bevorstehenden Landtagswahlen nicht zu erschweren. Ein solches Verhalten ist nicht nur unseriös, es widerspricht auch dem klaren Auftrag der Landesregierung, die Interessen des Landes, und nicht die einer Partei zu vertreten.“

Helmut Zorell

Pressesprecher