Wolfgang Drexler: „Nach 50 Jahren ist eine Reform an Haupt und Gliedern überfällig. Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch auf eine bürgernahe, leistungsfähige und kostengünstige Verwaltung“

MdL Rainer Stickelberger: „Mehr Transparenz und flache Hierarchien auf der mittleren Ebene durch Regionalkreise und Regionalämter mit gebündelten Kompetenzen“

Als erste Fraktion im Landtag hat die SPD ein umfassendes Konzept für eine durchgreifende Verwaltungsreform in Baden-Württemberg vorgestellt. Nach den Worten von Fraktionschef Wolfgang Drexler will die SPD damit die verkrusteten Strukturen im Land aufbrechen, den jahrelangen Stillstand überwinden und die Verwaltung insgesamt wieder handlungsfähig machen. Drexler: „50 Jahre nach der Gründung des Landes ist eine Reform an Haupt und Gliedern überfällig. Wir wollen eine bürgernahe, leistungsfähige und kostengünstige Verwaltung, denn die derzeitigen Verwaltungsstrukturen sind ineffizient, teuer und für die Bürgerinnen und Bürger kaum durchschaubar.“

Das heute präsentierte Konzept einer Verwaltungsreform ohne Gemeindegebietsreform wurde nach fast einjähriger intensiver Vorbereitung, auch mit externen Sachverständigen, von der Fraktion auf ihrer Klausurtagung in Schwäbisch Gmünd am (gestrigen) Dienstag beschlossen. Danach soll die Zahl der Ministerien verringert und die bisher zersplitterte Aufgabenverteilung der Mittelinstanzen künftig in Regionalkreisen mit Regionalämtern gebündelt werden. Die SPD schlägt vor, etwa 8 Regionalkreise zu bilden, die die bisherigen Kompetenzen der Regierungsbezirke, Stadt- und Landkreise bei den Selbstverwaltungs- und staatlichen Aufgaben übernehmen sollen, zugleich sollen jedoch delegierbare Aufgaben so weit wie möglich bürgernah den Kommunen übertragen werden.

Wolfgang Drexler: „Eine Reform der Verwaltung muss sich am Interesse der Bürgerinnen und Bürger orientieren. Dienstleistung muss effizient, kostengünstig und bürgernah angeboten werden. Genau das wollen wir mit unserem Vorschlag erreichen.“

Der SPD-Fraktionsvorsitzende kündigte an, dass das jetzt vorgestellte Reformkonzept umgehend in den Landtag eingebracht wird. „Dann liegt ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch, über den man sich politisch auseinandersetzen kann. Wir sind bereit, im Zuge des Beratungsprozesses bei Bedarf zusätzlichen Sachverstand – in welcher Form auch immer – hinzuzuziehen. Was wir dabei allerdings nicht zulassen werden, ist eine Endlos-Debatte mit einer weiteren Vertagung dieses für die Zukunft des Landes so wichtigen Themas auf den Sankt Nimmerleinstag.“

Das SPD-Konzept im Einzelnen
Das vorliegende Konzept ist nach den Worten von Fraktionschef Drexler und des Verwaltungsexperten der Fraktion, MdL Rainer Stickelberger, das Ergebnis eines intensiven Dialoges mit zahlreichen Fachleuten und Praktikern. Vor der Presse erläuterten sie weitere Einzelheiten des SPD-Reformkonzeptes.

Verwaltungsreform von „oben nach unten“
Bei einer umfassenden Verwaltungsreform ist es unabdingbar, von „oben nach unten“ vorzugehen, also bei den Ministerien anzusetzen. Nach dem Willen der SPD soll es künftig nur noch höchstens acht Ministerien im Land geben. „Bei einer Konzentration auf einen Kernbestand von Aufgaben sind 8 Ministerien völlig ausreichend“, so Drexler und Stickelberger übereinstimmend. Obwohl selbst die FDP immer wieder eine solche Forderung erhoben habe, fehle dem kleineren Regierungspartner der Mut, dies auch wirklich durchzusetzen, kritisierten Stickelberger und Drexler.

Flachere Hierarchien und mehr Effizienz
Zunehmende Personal- und Sozialkosten ließen derzeit den Landkreisen kaum noch einen eigenen Gestaltungsspielraum, so die SPD-Politiker. Verwaltungsaufgaben, die die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar beträfen, wie z.B. Nahverkehr, Krankenhauswesen, Regionalstraßen, Abfallbeseitigung, könnten vor diesem Hintergrund effizient nur noch durch größere Verwaltungseinheiten wahrgenommen werden. Zudem führe das jetzige Auseinanderfallen von Planung und Umsetzung zu erheblichen Reibungsverlusten. Die SPD-Fraktion schlägt deshalb vor, etwa 8 überschaubare Regionalkreise zu bilden, in denen die bisherigen Landkreise und die Kreiskompetenzen der Großstädte aufgehen und denen alle Städte und Gemeinden in ihrem Gebiet angehören. Verfassungsrechtlich erhalten die Regionalkreise also die Stellung der bisherigen Landkreise.

Rainer Stickelberger: „Eine Verwaltungsstruktur mit Regierungspräsidien, zahlreichen unteren Landesbehörden, 11 Regionalverbänden, dem Verband Region Stuttgart, 5 Nachbarschaftsverbänden, 35 Landkreisen und 9 Stadtkreisen sowie 1.111 Gemeinden ist den Anforderungen an die heutige Zeit einfach nicht mehr gewachsen.“

Die Regionalkreise sollen jeweils durch einen vom Volk gewählten Regionaltag vertreten werden. Der vom Regionaltag zu wählende Regionalrat repräsentiert den Regionalkreis.

Bündelung von Kompetenzen und mehr Bürgernähe
In den neuen Regionalkreisverwaltungen werden für die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben Regionalämter gebildet, in denen insbesondere die staatlichen Aufgaben der 4 Regierungspräsidien, der 4 Oberschulämter, des Landesamts für Flurneuordnung und Landesentwicklung, der 9 Gewerbeaufsichtsämter, der 19 Flurbereinigungsämter, der 20 Straßenbauämter, der 30 Schulämter, der 35 Ämter für Landwirtschaft, Landschafts- und Bodenkultur, der 163 Forstämter und der staatlichen Vermessungsämter gebündelt werden.
„Diese Bündelung wird zu schnelleren und vor allen Dingen auch zu transparenteren Entscheidungen führen und zudem undurchschaubare Doppelzuständigkeiten abbauen“, so Drexler und Stickelberger vor der Presse. Darüber hinaus sollen nach dem Vorschlag der SPD unter dem Gesichtspunkt der Bürgernähe möglichst viele Aufgaben auf die Kommunen übertragen werden. Gedacht ist hier beispielsweise an Aufgaben wie Führerscheinerteilung oder Kfz-Zulassung, Teilaufgaben der unteren Verkehrsbehörde, Baurechtszuständigkeiten, Waffenrecht und auch Aufgaben des bisherigen Kreisjagdamtes. Alle Städte und Gemeinden sollen ihre heutigen Funktionen zur Erfüllung staatlicher Aufgaben behalten. Stickelberger: „Wir wollen, dass die Verwaltungswege für den Bürger so kurz wie möglich sind und dass der Verwaltungsdschungel endlich gelichtet wird.“

Weitere Reformschritte: Aufgabenkritik
Ein Konzept, das sich auf Strukturveränderungen beschränkt, würde nach Ansicht der SPD-Fraktion zu kurz greifen. „Es ist unbedingt erforderlich, neben den Veränderungen der Strukturen gleichzeitig eine umfassende Aufgabenkritik durchzuführen, die Prozesse innerhalb der Verwaltung zu optimieren, die Möglichkeiten des E-Government in die Verwaltungsarbeit intensiv einzubinden und die Chancen der Neuen Steuerungsmodelle zu nutzen.“

Darüber hinaus legt die SPD-Landtagsfraktion auch großen Wert darauf, sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen frühzeitig in die Reformschritte einzubeziehen.

Helmut Zorell

Pressesprecher