Wolfgang Drexler: „Arbeitsplätze vernichtet, Sicherheit abgebaut und vom Hessen-Koch zum Kellner gemacht – das ist die Bilanz“

Messedebakel als Symbol für Oettingers Überforderung

Am kommenden Freitag ist Ministerpräsident Oettinger 100 Tage im Amt – und die SPD-Landtagsfraktion bescheinigt ihm einen katastrophalen Fehlstart. Trotz überlanger Einarbeitungszeit habe Oettinger „so gut wie alles versemmelt, was er in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit angefasst hat“, so SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler. Oettinger habe seine Regierungserklärung vom 27. April unter das Motto gestellt „Arbeit schaffen, Sicherheit geben, Heimat bewahren“. Tatsächlich aber habe er mit seiner Messepolitik und der Flughafenpolitik (Lahr) Arbeitsplätze vernichtet, habe in einer Zeit brutaler Terroranschläge aus purer Parteitaktik beim Verfassungsschutz einen völlig unerfahrenen Mann an die Spitze gehievt und mit dem Christopher-Street-Day-Auftritt seines Sozialministers der CDU ein moderneres Mäntelchen umzuhängen versucht. Als es dann aber heftigen innerparteilichen Streit um die wahre Heimat der CDU gab, habe sich Oettinger, wie immer in solchen Situationen, feige aufs Schweigen verlegt.

Oettinger habe die lange Phase zwischen der Rücktrittserklärung Teufels im Oktober 2004 und seiner Wahl zum neuen Ministerpräsidenten am 21. April 2005 immer damit begründet, er wolle sich ganz intensiv auf das neue Amt vorbereiten. Genutzt habe das gar nichts. Wenn Oettinger das Amt des Regierungschefs Hals über Kopf hätte antreten müssen, dann könnte man trotz seiner mehr als 14 Lehrjahre als Fraktionsvorsitzender noch ein gewisses Verständnis dafür aufbringen, dass im Regierungsgeschäft hinten und vorne nichts zusammenpasst. „Angesichts der langen Lehrzeit belegt die 100-Tage-Bilanz, dass Oettinger mit diesem Amt offensichtlich überfordert ist“, so Drexler.

Bemerkenswert sei das Versagen Oettingers in der Wirtschaftspolitik, also gerade auf jenem Gebiet, das er in der innerparteilichen Auseinandersetzung mit Schavan um die Teufel-Nachfolge als seine ureigenste Domäne herausgestellt habe. Der Messeraub von Sinsheim unter aktiver Komplizenschaft der Landesregierung stelle dem Ministerpräsidenten in Sachen Wirtschaftskompetenz das denkbar schlechteste Zeugnis aus. Zudem sei die Glaubwürdigkeit des Regierungschefs nachhaltig erschüttert, wenn er im Wissen um die Messerverlagerung bei seinem Auftritt in Sinsheim Mitte Mai eine ganze Region zum Narren halte und auch danach bis heute keinerlei Fehlverhalten erkennen konnte.

Schädlich für die Arbeitsplätze sei auch die Haltung Oettingers in der Auseinandersetzung um die Genehmigung von Passagierflügen in Lahr. Aus Angst vor parteiinternem Streit das Verfahren juristisch in die Länge zu ziehen, bedeute Arbeitsplatzvernichtung.

„Erst die Partei, das Land zuletzt“ – Oettingers Umfaller bei der Mehrwertsteuer
„Oettinger lehnt Erhöhung der Mehrwertsteuer ab“, vermeldete das Badische Tagblatt noch am 4.6.2005 nach einer Rede des Ministerpräsidenten bei den Europäischen Strategietagen in Baden-Baden. Am 13.7.2005 berichtet die Stuttgarter Zeitung über die Regierungspressekonferenz vom Vortag mit der Schlagzeile „Oettinger sagt Ja zu Steuererhöhung“. „Gestern dagegen, heute dafür“, lautet deshalb das Fazit des Südkurier (13.7.2005). Oettinger habe diese „Wende“ aus reiner Parteiräson vollzogen, so Drexler, und sich damit schon zu Beginn seiner Amtszeit ganz in die Tradition des „braven Parteisoldaten“ Erwin Teufel gestellt. „Wie schon bei Teufel heißt auch bei Oettinger die oberste Maxime ‚erst die Partei, dann lange gar nichts und dann sehen wir weiter’.“

Wie schon bei der Ökosteuer („Kanister-Erwin“) zeige sich nun auch bei der Mehrwertsteuer, bei der drastischen Kürzung der Pendlerpauschale und bei der Abschaffung der Steuerfreiheit für die Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge die Kehrtwende der Politik der Landes-CDU und seiner führenden „Wendehälse“.

Völlig zu Recht kritisiere der Landesvorsitzende des CDU-Arbeitnehmerflügels die Mehrwertsteuererhöhung mit dem Argument, sie belaste „Alleinerziehende, Familien, Rentner und Geringverdiener“ und würge den Konsum ab (StZ vom 28.5.2005). Auch die Wirtschaft im Land und ihre Verbände und das Handwerk hätten die geplante Mehrwertsteuererhöhung scharf kritisiert, so Drexler. Damit werde die Binnennachfrage massiv geschwächt und Wirtschaftswachstum verhindert. Diese Kritik aus der Wirtschaft sei ein deutlicher Hinweis auf die mangelnde Wirtschaftskompetenz des Ministerpräsidenten.

Drexler wies auch darauf hin, dass der Kuhhandel der CDU-Chefin Merkel mit den CDU-Ministerpräsidenten um die Mehrwertsteueranteile dem Land noch nicht einmal genügend Geld einbringe, um die an anderer Stelle des CDU-Wahlprogramms beschlossenen Mehrbelastungen für Baden-Württemberg (mindestens 400 Mio. Euro) auszugleichen. Auch die Kommunen im Land würden durch das Unions-Programm zusätzlich belastet.

Koch und Kellner: Der brutalstmögliche Aufklärer trickst Oettinger aus
Wie schwach die Position Oettingers nach den ersten 100 Amtstagen im Kreise der Unions-Ministerpräsidenten ist, zeigt sich nach den Worten Drexlers am „Fall Kirchhof“. Oettinger habe sich vom hessischen Ministerpräsidenten bei der geplanten Wahl des Tübinger Rechtsgelehrten zum Richter am Bundesverfassungsgericht schlicht austricksen lassen. „Der hessische Ministerpräsident, der ‚brutalstmögliche Aufklärer der Republik’, hat seinen Kandidaten eiskalt durchgedrückt und Oettinger damit gezeigt, wer Koch und wer Kellner ist.“

Oettingers Führungsschwäche: „Ohrfeigen-Palmer“ als möglicher Kultusminister und Wildwest in Mannheimer CDU
Als „Zeichen von Führungsschwäche und mangelndem Durchsetzungsvermögen“ bewertet Drexler die von Oettinger nicht zurückgewiesenen Vorschläge aus den Reihen der CDU, den früheren Staatsminister Palmer zum Nachfolger Schavans im Amt des Kultusministers zu machen. Zwar müsse Palmer wegen seiner Ohrfeigenaffäre nicht auf immer und ewig von politischen Ämtern ferngehalten werden. Aber dass einer wie er, der sich mit einem Schlag selbst ins politische Abseits gestellt hatte, schon nach so kurzer Zeit und dann ausgerechnet für das Amt des Kultusministers ins Spiel gebracht werde, hätte Oettinger nicht zulassen dürfen, kritisiert Drexler.

„An immer mehr Schulen gibt es inzwischen so genannte Streitschlichter, die Schülerinnen und Schüler zu einer gewaltfreien Lösung von Konflikten motivieren sollen. Ein Ohrfeigen-Minister an der Spitze des Kultusministeriums würde diesen Bemühungen geradezu Hohn sprechen.“

Ausweis der Führungsschwäche Oettingers seien auch die „ungeheuerlichen“ Vorgänge in der Mannheimer CDU. „Wildwestmethoden innerhalb der Mannheimer Christdemokraten – und der CDU-Landesvorsitzende schaut dem Treiben hilflos zu.“

Mehr Transparenz bei Vorstandsgehältern? Nicht mit Oettinger! Nicht jetzt!
Im Rahmen seines innerparteilichen Wahlkampfes um die Teufel-Nachfolge habe Oettinger immer wieder darauf abgehoben, dass er einen offenen, transparenten Regierungsstil prägen wolle. Am Beispiel der Offenlegung der Vorstandsbezüge von landeseigenen Unternehmen werde jedoch das genaue Gegenteil sichtbar, so Drexler. Oettinger verstecke sich hinter fadenscheinigen Ausflüchten, statt mutig den ersten Schritt zu tun. Erst habe Oettinger auf den Bund verwiesen, der dafür die rechtlichen Voraussetzungen schaffen müsse. Jetzt, wo diese Ausrede nicht mehr ziehe, verweise er auf die Notwendigkeit eines einheitlichen Vorgehens aller Bundesländer. „Oettinger fehlt der Mut zur Transparenz, und deshalb schiebt er die Offenlegung erneut auf die lange Bank.“

Relativ peinlich: die Einstein-Kampagne des Landes
Als „relativ peinlich“ bewertete Drexler die verzweifelten Versuche der Landesregierung, die völlig missglückte Darstellung der Einsteinschen Relativitätstheorie im Rahmen der Imagewerbung des Landes zu reparieren. Mit seinem unglücklichen Agieren habe Oettinger das Land der Lächerlichkeit preisgegeben und damit dem Image des Landes auf einem wichtigen Feld einen nachhaltigen Imageschaden zugefügt.

„Die ersten 100 Tage zeigen, dass Oettinger nicht das Zeug zum Ministerpräsidenten hat, er ist mit diesem Amt überfordert. Er hat gerade in der Wirtschaftspolitik schwere Fehler gemacht, hat sich als führungsschwach und mutlos gezeigt und sich auch noch vom Hessen-Koch vorführen lassen. Nur gut, dass er nur noch wenige Monate im Amt ist.“

Helmut Zorell
Pressesprecher