Der Untersuchungsausschuss „Rechtsterrorismus/NSU BW II“ hat seine Arbeit abgeschlossen.  Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Drexler präsentierte gemeinsam mit den Obleute aller fünf Landtagsfraktionen die Erkenntnisse des Ausschusses. Zur Pressemitteilung der Landtagsverwaltung

Obmann Dr. Boris Weirauch resümiert die Ergebnisse aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion:

Zur Arbeit des Ausschusses und den Erfolgen der SPD

Der Ausschuss hat erfolgreich gearbeitet, im Großen wie im Kleinen. So haben wir das Thema Waffenrecht auf das Tapet gebracht. Hier muss ich aber Kritik an Innenminister Strobl äußern, denn auf eine Anfrage der SPD-Fraktion zum Waffenbesitz von Rechtsextremisten hat das Innenministerium noch geantwortet, dass Mitglieder der NPD nicht per se waffenrechtlich unzuverlässig sind. Erst zwei Wochen später hat er dann – offensichtlich auf unseren Druck hin – seine Meinung geändert.

Der Vorsitzende hat die beeindruckenden Zahlen vorgetragen. Man muss sagen: Auch wenn es schwer fällt zu glauben, dass die drei NSU-Terroristen ohne unmittelbare Unterstützung aus Baden-Württemberg den Mordanschlag auf der Theresienwiese verübt haben, konnte die Hypothese weiterer Täter trotz umfangreicher Untersuchungen durch den Ausschuss nicht erhärtet werden.

Was hat’s gebracht? Für mich ist es ein großer Erfolg, dass es uns unter anderem gelungen ist, Licht ins Dunkel der vielen Tattheorien zu bringen. Ich war beim ersten Untersuchungsausschuss nicht dabei und bin bewusst ergebnisoffen in die Beweisaufnahme gegangen, beispielsweise was die Anwesenheit von Geheimdiensten und die Funkzellenauswertung angeht. Nach der intensiven Arbeit im Ausschuss liegt für mich der Mehrwert gerade darin, all die Unklarheiten diesbezüglich ausgeschlossen zu haben. Ich bin überzeugt davon, dass es keine Geheimdienste am Tattag am Tatort gab.

Kultur der Verantwortung und Verantwortlichkeit im Verfassungsschutz

Geheimdienst ist dennoch ein gutes Stichwort. Ich erlaube mir an dieser Stelle, meine Kritik am Gebaren des Verfassungsschutzes zu bekräftigen, auch wenn es nicht unmittelbar das baden-württembergische Landesamt betrifft. Wir haben beispielsweise aus Thüringen Berichte gehört, die zeigen, wie V-Personen zentrale Figuren der rechten Szene waren und in einer Weise vergütet wurden, die wesentlich die Szene finanziert hat. Thüringen hat daraus die Konsequenzen gezogen und letzte Woche begonnen, die Opfer des NSU zu entschädigen – diese Aufrichtigkeit rechne ich der dortigen Landesregierung hoch an. Wir müssen für die Zukunft ausschließen, dass sich derartiges wiederholen kann:

  • Die Bezahlung von V-Personen muss insgesamt zurückhaltend sein und darüber hinaus streng kontrolliert werden.
  • Schlüsselfiguren der rechten Szene dürfen keine V-Personen sein.
  • Selbstverständlich darf es nicht passieren, dass V-Personen vor polizeilichen Maßnahmen gewarnt werden – Quellenschutz darf kein Täterschutz sein.

Zur parlamentarischen Kontrolle muss auch gehören, dass V-Personen umfassend vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen aussagen müssen. Wir sind hier bei Zeugen an Grenzen gestoßen, die wir trotz aller Anstrengungen nicht überwinden konnten. Ich habe mich gewundert, dass Aussagegenehmigungen mit der Begründung verweigert werden, dass das Staatswohl der Bundesrepublik Deutschland dem entgegenstehen würde. Ich frage, wer, wenn nicht gewählte Parlamentarier bestimmen, was das Wohl des Staates ist und wie es geschützt wird?

Als dies zeigt, dass Geheimdienste eine enge parlamentarische Kontrolle benötigen. Geheimdienste müssen naturgemäß im Geheimen arbeiten, dennoch muss auch dort eine Kultur der Verantwortung und Verantwortlichkeit herrschen. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen der Generalbundesanwalt im Wochentakt rechtsradikale Terrorgruppen aushebt, der rechtsradikale Mob sich wieder auf die Straße traut und darüber hinaus mit der AfD seinen Resonanzraum in die Parlamente erweitert hat, braucht es einen starken Verfassungsschutz, der die Verfassung schützt.

Rechtsrock

Darüber hinaus hatte der Ausschuss rechtsextreme Strukturen jenseits des NSU im Blick. Wir haben uns zum Beispiel intensiv mit Rechtsrock beschäftigt. Für mich ist klar, Rechtsrock ist die „Einstiegsdroge“ in die Szene. Nahezu alle Zeugen aus der rechtsextremistischen Szene haben angegeben, über rechte Musik in die Szene gekommen zu sein und dass Rechtsrock eine identitätsstiftende Funktion hat. Das gemeinsame Hören von Musik und vor allem der gemeinsame Besuch von Konzerten schaffen und bestärken ein „Wir-gegen-Die“-Gefühl.
Wenn der Rechtsrock Einstiegsdroge ist, sind die Rechtsrock-Konzerte die Opiumhöhlen der Rechtsextremisten: Man trifft Gleichgesinnte, ist unter sich, hat – auf eine abstoßende Art – Spaß und die Veranstalter machen gute Geschäfte.

Mit Blood & Honour hatte der Ausschuss das wichtigste rechtsextremistische (Musik-)Netzwerk Europas im Blick. Und Musik müssen Sie in Klammer schreiben, denn Blood & Honour verknüpft rechtsextremistische Ideologie, gibt Schriften heraus und hat mit Combat 18 eine Terrororganisation gegründet. Blood & Honour ist kein Musikvertrieb sondern ein Gewaltvertrieb. Ich halte Blood & Honour trotz Verbots nach wie vor für gefährlich. Die Organisation von Konzerten geht ungehindert weiter. Mitglieder von Combat 18 sind auch in Baden-Württemberg weiter aktiv.

Wir haben umfangreiche Empfehlungen zur Bekämpfung rechtsextremistischer Musik abgegeben, unter anderem:

  • Bei der Bekämpfung muss die Polizei besser grenzüberschreitend zusammenarbeiten. Es kann nicht sein, dass ein Neonazi-Konzert in Bayern verhindert wird und dann ungestört in Baden-Württemberg stattfinden kann.
  • Die Polizei muss rechtsextremistische Musik erkennen und vor allem konsequent einschreiten, wenn die Grenze zum Verbotenen überschritten ist.
  • Wir brauchen aber auch Frühwarnsystem, insbesondere bereits an den Schulen. Im Unterricht muss rechtsextremistische Musik ein Thema sein – und der geschulte Umgang mit Schülerinnen und Schülern, die sie hören.

Aufbruch für Demokratie

Wir müssen Demokratie und die Achtung aller Mitmenschen als die zentralen Werte in unserer Gesellschaft verankern. Demokratie und Respekt sind kein Projekttag, sondern tägliche Aufgabe. Sie müssen in den Strukturen des Alltags gelebt werden.

Wir fordern deshalb einen „Aufbruch für Demokratie“! Der Ausschuss fordert die Landesregierung dazu auf, ein umfassendes Konzept auszuarbeiten, wie das Verständnis von Demokratie gefördert werden soll. Dabei müssen Kommunen und die Zivilgesellschaft beteiligt werden.

Demokratie muss für Groß und Klein erlebbar sein, insbesondere auch im Ehrenamt. „Demokratie lebt vom Ehrenamt“ – wie schon Bundespräsident Theodor Heuss zum Ausdruck brachte. Wenn Schüler merken, dass die Wahl einer Klassensprecherin einen Unterschied macht, wenn die sprichwörtlichen „Kaninchenzüchter“ sich Gedanken um die anstehenden Wahlen zum Vereinsvorstand machen, dann ist Demokratie greifbar. Das entzieht antidemokratischen Haltungen den Boden.

Die große Koalition hat mit dem Programm „Demokratie leben!“ ein umfassendes Programm zur Demokratieförderung aufgelegt und finanziell sehr gut ausgestattet. Dahinter darf das Land nicht zurückbleiben! Zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich um die Demokratieförderung bemühen, brauchen eine stabile, auch mittel- und langfristige Finanzierungsgrundlage.

Es gilt das gesprochene Wort.

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