Wolfgang Drexler: Die Verschuldung des Landes nimmt immer dramatischere Ausmaße an, aber zugleich werden hunderte Millionen von Euro zum Fenster hinausgeworfen“

Fundamentale Kritik an Teufels Regierungsstil

Die SPD-Landtagsfraktion will nicht länger hinnehmen, dass Ministerpräsident Teufel hunderte Millionen Euro verschleudert, während gleichzeitig die Verschuldung des Landes immer dramatischere Ausmaße annimmt. Für Fraktionschef Drexler ist es ein unerträglicher Zustand, dass die Landesregierung dem Parlament bis zur Stunde präzise Zahlen über die „Selbstbeschäftigungs- und Geldvernichtungsmaschine“ NSI vorenthält und auch die finanziellen Auswirkungen der Verwaltungsreform auf NSI verschleiert werden. Die mit T-Systems ausgehandelten Verträge seien offenbar so dilettantisch, dass sich der Finanzminister noch nicht einmal traue, genaue Angaben über das Ergebnis der Nachverhandlungen zu machen. Für Drexler ist die Einführung von NSI eine „gigantische Verschwendung von Steuergeldern, die den Rahmen jedes Schwarzbuches sprengt“. Der Rechnungshof veranschlagt für NSI Gesamtkosten in Höhe von mindestens 500 Mio. €, für die Anpassung dieses Steuerungsinstruments an die Verwaltungsreform sind laut Finanzministerium zusätzlich 50 bis 100 Mio. € notwendig.

Fraktionschef Wolfgang Drexler will deshalb entsprechend einem Beschluss der Fraktion auf ihrer Klausurtagung in Freudenstadt in der vergangenen Woche den baden-württembergischen Rechnungshof einschalten. In einem Brief an Rechnungshof-Präsident Frank bittet der Fraktionsvorsitzende darum, die Geldverschwendung der Landesregierung beim NSI-Projekt unter die Lupe zu nehmen. Wörtlich heißt es in dem Brief:

„Zu dieser nicht gerade alltäglichen Bitte sehen wir uns durch das völlig inakzeptable Verhalten der Landesregierung in dieser Angelegenheit veranlasst, die seit Monaten alle parlamentarischen Vorstöße unserer Fraktion zur Offenlegung und Transparenz ihres Geschäftsgebaren bei der Einführung von NSI in der Landesverwaltung kommentarlos oder mit vorgeschobenen Begründungen abblockt.“

Das NSI-Projekt sei von Anfang an in den Sand gesetzt worden, kritisiert Drexler. Und nach der beabsichtigten Verwaltungsreform bleibe davon erst recht nur noch ein teurer und weitgehend nutzloser Torso übrig, denn zwei Drittel der ursprünglich für die Einführung von NSI vorgesehenen Landesbehörden fielen nun weg. Außerdem breche wegen der Verwaltungsreform auch das Refinanzierungskonzept der Regierung für NSI in sich zusammen, weil ein erheblicher Teil der rund 3.000 Stellen, die wegen NSI eingespart werden sollten, nun auf die Stadt- und Landkreise übergingen.

Drexler: „Vor wenigen Tagen hat das Regierungslager verkündet, dass 3.000 Stellen abgebaut werden sollen, um den Haushalt dauerhaft zu sanieren. Tatsächlich aber geht es hier nicht um Haushaltssanierung. Diese 3.000 Stellen sind in Wirklichkeit der Tribut für das unsinnige NSI-Projekt, das wegen der beabsichtigten Verwaltungsreform erst recht keine finanzielle Basis mehr hat.“

Haushalt: Das Parlament soll kürzen und Teufel bläht die Schattenhaushalte auf
Angesichts der von der Landesregierung angekündigten „harten Einsparungen“ wird die undemokratische und antiparlamentarische Haushalts- und Finanzpolitik der Landesregierung immer obsoleter. Das Haushaltsrecht des Parlaments, sein Königsrecht, werde von der Landesregierung durch Schatten- und Nebenhaushalte massiv beschnitten, kritisierte Drexler. Dies gelte für die Landesstiftung, aber auch z.B. für die sog. Baufinanz („Finanzierungsgesellschaft für öffentliche Vorhaben des Landes Baden-Württemberg mbH“), über die am ordentlichen Haushalt vorbei immer mehr Kredite aufgenommen würden, derzeit rund 500 Mio. €.

Obwohl der Rechnungshof aus Gründen der Haushaltsklarheit die Auflösung dieses Schattenhaushaltes Baufinanz fordere, wolle Teufel laut seinem „34-Pünktchen-Plan“ (Drexler) diesen Nebenhaushalt nun sogar noch ausweiten und noch mehr Straßenbauprojekte über diese zu 99,9 % dem Land gehörende Gesellschaft finanzieren, rügt der SPD-Fraktionschef.

Vor dem Hintergrund des anhaltenden Haushaltsdesasters sei auch die Auflösung der Landesstiftung geboten. Es könne nicht angehen, so Drexler, dass im Parlament über die Streichung oder Kürzung von Geldern beschlossen werden müsse, die für die Betroffenen harte Einschnitte brächten, der Ministerpräsident aber gleichzeitig mit den Geldern aus der Stiftung Wohltaten übers Land verteile, Jahr für Jahr rund 50 Mio. €.

Da sich das Regierungslager jedoch weigere, die Stiftung aufzulösen, müsse zumindest sichergestellt werden, dass die Stiftungsgelder wenigstens korrekt vergeben werden. Erneut forderte Drexler deshalb das volle Prüfungsrecht für den baden-württembergischen Rechnungshof bei der Landesstiftung. Dass Regierung und Regierungsfraktionen selbst dazu nicht bereit seien, nähre den Verdacht, „dass sie etwas zu verbergen haben“, sagt der SPD-Fraktionschef.

Polizei muss Stellen streichen – und das Land lässt Steuereinnahmen sausen
Auf scharfe Kritik stößt bei der SPD-Landtagsfraktion die Ankündigung der Regierung, erstmals auch bei der Polizei Stellen zu streichen. Angesichts der riesigen Herausforderungen, vor die sich die Polizei gestellt sehe – z.B. bei der Bekämpfung von politisch und religiös-fundamentalistisch motiviertem Terrorismus – hält die SPD diese Streichungen für unverantwortlich. Die Polizei werde wegen der unsinnigen Verwaltungsreform ohnehin schon organisatorisch und im Nichtvollzugsbereich auch personell geschwächt, zusätzliche Abstriche bei den Personalstellen im Vollzugsdienst seien geradezu „eine Einladung an die Kriminellen“, sagte Drexler.

Dass nun ausgerechnet auch noch bei der inneren Sicherheit gespart werden soll, zeigt nach den Worten von Wolfgang Drexler überdeutlich, dass die Landesregierung mit ihrem „Haushaltslatein am Ende ist“. Viel zu lange habe die Landesregierung Steuersünder mit Samthandschuhen angefasst und dadurch freiwillig auf hunderte von Millionen zusätzlicher Steuereinnahmen verzichtet.
Drexler verwies auf Berechnungen der Deutschen Steuergewerkschaft, wonach allein in Baden-Württemberg „zigtausende Fälle“ von Steuerbetrug noch nicht verfolgt worden seien. Weil in vielen Fällen Verjährung drohe, müsse mit riesigen Steuerausfällen gerechnet werden. Um welche Summen es dabei geht, zeigt eine ebenfalls von der Steuergewerkschaft vor wenigen Tagen veröffentlichte Statistik, wonach in Baden-Württemberg zum Stichtag 31.12.2002 über 94.000 enttarnte Betrugsfälle mit einer Schadenssumme in Höhe von über 500 Mio. € zu Buche standen.

Auch der baden-württembergische Rechnungshof hatte der Landesregierung in einer beratenden Äußerung schon im vergangenen Jahr ins Stammbuch geschrieben, dass es jährlich bis zu 362 Mio. € mehr an Steuern erheben könnte, wenn die Personalausstattung und die Arbeitsabläufe in den Finanzämtern verbessert würde. „Und nun will Teufel das Personal in der Steuerverwaltung sogar noch weiter ausdünnen“, so Drexler.

Auch im Kleinen zeige sich immer wieder, so Drexler, dass die Landesregierung bei kleinen Gehaltsempfängern brutal kürzt, andererseits aber gut gehende Unternehmen hemmungslos mit Steuergeldern bedient. „Warum z.B.“, so fragt Drexler, „zahlt das Land dem Softwarekonzern SAP 35.000 € Zuschuss für Spritsparkurse des Konzerns?“

Ein starrsinniger Teufel als selbsternannter Reformator
Hart ins Gericht ging Drexler mit dem „34-Pünktchen-Programm“, das der Ministerpräsident der CDU-Fraktion auf deren Klausurtagung vorgetragen hatte. Bezeichnend ist für Drexler, dass der Regierungschef wieder – wie bei der Verwaltungsreform – Vorschläge präsentiert, in die noch nicht einmal seine Kabinettsmitglieder eingeweiht waren. Der „absolutistische“ Regierungsstil Teufels führe unvermeidbar zu der Frage, wozu er sich überhaupt noch teure Minister halte, sagte Drexler.

Drexler: „Teufel gefällt sich in der Pose des Reformators. Tatsächlich aber geht es ihm nur darum, sich durch einen rabiaten Regierungsstil die Nachfolgediskussion vom Hals zu halten und anstrengenden Diskussionen mit den gesellschaftlichen Gruppen über die Reformziele aus dem Wege zu gehen.“

Die von Teufel nun präsentierten Vorschläge seien teilweise „Uraltladenhüter“, teilweise habe Teufel als eigene Reformüberlegung nur vorgetragen, was in Berlin bereits beschlossen wurde. Was Teufel etwa zur Zusammenlegung von kassenärztlichen und kassenzahnärztlichen Vereinigungen empfahl, sei genau das, worauf sich SPD, Grüne und CDU in Berlin im Rahmen des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes bereits geeinigt hätten.

Bei den anderen Vorschlägen Teufels für weitere Fusionen im Land rät die SPD dem Regierungschef, zuerst vor der eigenen Tür zu kehren und mit gutem Beispiel voranzugehen, statt anderen wohlfeile Ratschläge zu erteilen. „Wozu brauchen wir 10 Ministerien?“, so Drexler. „Und warum löst Teufel die kropfunnötige 3-Länder-Kernkommission (ILK), die das Land jährlich etwa 500.000 € kostet, nicht sofort auf, wo er sich doch so sehr über die ‚Kommissionitis’ erregt?“

Bei dem von Teufel avisierten „Verfallsdatum“ für Landesgesetze frage man sich, warum dies nicht schon lange umgesetzt wurde. Auch die Experimentierklauseln für die Gemeinden seien schon zigmal angekündigt, aber nie in die Tat umgesetzt worden. Längst verkündet seien auch die nun von Teufel als große Reformideen aus dem Hut gezauberte Verringerung der Zahl der Finanzämter und die Sparauflagen für das Statistische Landesamt.

Als „pures Lippenbekenntnis“ wertet Drexler den Vorschlag Teufels, die Banken, an denen das Land beteiligt ist, sollten den Mittelstand stärker fördern. Nichts von alldem, was dazu in der Vergangenheit – auch von der SPD – vorgeschlagen worden sei, habe Teufel bisher aufgegriffen. Schlimmer noch: „Der jetzt verkündete rigorose Stopp des diesjährigen Wohnungsbauprogramms ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht gerade junger Familien im Land. Dieser Stopp treibt das Bauhandwerk in Baden-Württemberg weiter in die Existenzkrise.“

Geradezu peinlich und eine Ohrfeige für den Finanzminister sei Teufels Forderung, die Aufgaben der Bau- und Vermögensverwaltung auszulagern und an Private zu vergeben. Vor noch nicht mal einem Jahr hatte die SPD-Fraktion die Landesregierung gefragt, „warum bei der Neuorganisation der Vermögens- und Hochbauverwaltung auf eine privatrechtliche Organisationsform verzichtet wurde“. Die Antwort des Finanzministers damals: „Die Umwandlung in eine privatrechtliche Organisationsform wäre wegen steuerlicher Nachteile unwirtschaftlich.“

Insgesamt, so fürchtet Drexler, werde der „34-Pünktchen-Plan“ am Ende nur einen wirklich beschäftigen: Den Ministerpräsidenten selber, der dann als „Bürger Teufel“ an den „Regierungschef Teufel“ Briefe schreibe, um den Stand der Umsetzung zu erfahren und die Ministerialbürokratie auf Trab zu halten. „Echte, durchdachte und sachlich nachvollziehbare Strukturreformen jedoch sind von diesem immer starrsinniger regierenden Ministerpräsidenten nicht mehr zu erwarten – zum Schaden des Landes.“

Helmut Zorell
Pressesprecher