Wolfgang Drexler: „Wir erwarten, dass der Landtagspräsident künftig die Rechte des gesamten Parlaments achtet, statt verfassungswidrigen Aktivitäten der Regierungsfraktionen Vorschub zu leisten“

Verweigerung der Aussprache zur Goll-Vereidigung nicht zulässig

Mit großer Genugtuung hat die SPD-Landtagsfraktion ein Gutachten der Landtagsverwaltung zu den skandalösen Vorgängen anlässlich der Vereidigung von Justizminister Goll zur Kenntnis genommen. Damals, am 28. Juli 2004, war auf Wunsch des Ministerpräsidenten als neuer Punkt 1 der Tagesordnung die Zustimmung des Landtags zur Berufung von Dr. Goll zum Justizminister und dessen Vereidigung aufgenommen worden. Die von der SPD-Fraktion dazu beantragte Aussprache wurde nach einer heftigen Geschäftsordnungsdebatte mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen abgelehnt. Bei dieser Aussprache wollte die SPD-Fraktion den miserablen Zustand der Regierung Teufel und deren Auswirkungen auf das Land zur Sprache bringen. Innerhalb kürzester Zeit hatten aufgrund staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen im Zusammenhang mit dem FlowTex-Skan¬dal zwei amtierende Minister zurücktreten müssen.

Eine von der SPD-Fraktion beantragte rechtliche Bewertung dieses Vorgangs durch die Landtagsverwaltung kommt jetzt eindeutig zu dem Schluss, dass die Verweigerung der von der SPD gewünschten Aussprache „rechtlich nicht zulässig war, weil er den Oppositionsfraktionen und ihren Abgeordneten das Rederecht in verfassungsrechtlich nicht zulässiger Weise entzogen hat.“ Im Übrigen weiche der Ablehnungsbeschluss vom 28. Juli auch von der bisherigen Praxis des Landtags ab, nach der in der Regel im Zusammenhang mit einer nachträglichen Ministerberufung eine Aussprache stattgefunden hat, wenn ein entsprechender Antrag gestellt worden ist.

Drexler: „Diese eindeutige Aussage der Landtagsverwaltung ist ein klares Signal an den Landtagspräsidenten, darauf zu achten, dass bei den Beratungen im Landtag die verfassungsmäßigen Rechte des gesamten Parlaments und aller seiner Fraktionen gewahrt werden. Wir erwarten deshalb, dass er ähnlichen verfassungswidrigen Aktivitäten von CDU- und FDP-Fraktion künftig einen Riegel vorschiebt.“

Scharfe Kritik übte der SPD-Fraktionsvorsitzende auch an CDU-Fraktionschef Oettinger, Kultusministerin Schavan und Ministerpräsident Teufel. Sie alle hätten damals aus parteitaktischem Kalkül der Beschneidung der Rechte des Parlaments zugestimmt. Drexler: „Dieselben Leute, die jetzt mit einer Mitgliederbefragung zur Nachfolge Teufels ihre Liebe zu basisdemokratischen Abstimmungen entdeckt haben, haben noch im Juli im Parlament ohne mit der Wimper zu zucken die Hand gehoben zu einem verfassungswidrigen und demokratiefeindlichen Akt.“

Nach dem Gutachten der Landtagsverwaltung gehört die Freiheit der Abstimmung und der Rede im Landtag zum verfassungsrechtlich verbürgten Status des Abgeordneten (Artikel 27 Absatz 3 Satz 2 Landesverfassung). Das öffentliche Verhandeln von Argumenten und Gegenargumenten sei ein wesentliches Element des demokratischen Parlamentarismus. Das Rederecht des einzelnen Abgeordneten und daraus abgeleitet auch das Rederecht der Fraktionen sei vor diesem Hintergrund eine unverzichtbare Befugnis zur Wahrnehmung der parlamentarischen Aufgaben. Aus dem Demokratieprinzip unserer Verfassung ergebe sich auch das Gebot, parlamentarischen Minderheiten das Recht auf Ausübung der Opposition zu gewährleisten, ihr also zu ermöglichen, ihren Standpunkt in den Willenbildungsprozess des Parlaments einzubringen.

Um das Parlament arbeitsfähig zu erhalten, seien zwar Einschränkungen möglich, „wie“ das verfassungsrechtlich verbürgte Rederecht eingeschränkt wird. Keinesfalls zulässig seien aber Regelungen, die das „ob“ der Ausübung des Rederechts betreffen. Derartige Beschränkungen sehe die Geschäftsordnung des Landtages nicht vor und sie würden auch von der Rechtsprechung nicht gebilligt, so die Landtagsverwaltung in ihrem Rechtsgutachten für das Präsidium des Landtags.

Der Beschluss des Landtags vom 28. Juli 2004, der SPD-Fraktion die beantragte Aussprache zur Vereidigung des neuen Justizministers zu verweigern, stehe deshalb insbesondere im Widerspruch zum verfassungsrechtlich verbürgten Rederecht der Oppositionsfraktionen und ihren Abgeordneten. „Ihnen wurde jegliche Möglichkeit genommen, im Plenum von dem ihnen zustehenden Rederecht Gebrauch zu machen und sich zu dem strittigen Verhandlungsgegenstand zu äußern. Die Grenze, innerhalb der die Rechtsprechung Maßnahmen zur Beschränkung des Rederechts für zulässig ansieht, wurde hier überschritten“, so das Gutachten der Landtagsverwaltung.

Helmut Zorell
Pressesprecher