Wolfgang Drexler: „Mit ihrem Verhalten im Vorfeld der Neuwahl des LfK-Präsidenten haben CDU und FDP die gesetzlich garantierte Staatsferne der Medienanstalt mit Füßen getreten“
Frieder Birzele: „Das Wahlverfahren muss so ausgestaltet werden, dass die Unabhängigkeit der LfK unter allen Umständen gewahrt bleibt“
Mit einer Verfassungsklage vor dem Staatsgerichtshof Baden-Württemberg will die SPD-Landtagsfraktion eine Änderung des Landesmediengesetzes auf dem Rechtsweg durchsetzen. Im parlamentarischen Verfahren ist die SPD-Fraktion mit einem entsprechenden Vorstoß am Widerstand von CDU und FDP gescheitert. Die Einreichung der Verfassungsklage hat die SPD-Fraktion heute zum Auftakt ihrer Herbstklausur in Balingen beschlossen und zugleich den früheren Innenminister und jetzigen Ersten stellvertretenden Landtagspräsidenten Frieder Birzele damit beauftragt, diese Verfassungsklage zu erheben, erklärte SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler.
Die SPD-Fraktion ist der Auffassung, dass die derzeitige Regelung in § 36 Absatz 1 Satz 3 des Landesmediengesetzes unvereinbar ist mit der Presse- und Rundfunkfreiheit. Mit der Verfassungsklage will sie erreichen, dass künftig für alle Wahlgänge zur Wahl des Vorstands der Landesanstalt für Kommunikation eine Zweidrittelmehrheit im Parlament erforderlich ist und nicht nur im ersten Wahlgang wie bisher.
Das derzeitige Wahlverfahren trage der gesetzlich vorgeschriebenen Staatsferne der Landesanstalt für Kommunikation nicht in ausreichender Weise Rechnung und müsse schon deshalb geändert werden, erläuterten Fraktionschef Wolfgang Drexler und Landtagsvizepräsident Frieder Birzele. Sie wiesen zudem darauf hin, dass bereits der Sächsische Verfassungsgerichtshof in einem Urteil von 1997 ein mit Baden-Württemberg vergleichbares Wahlverfahren für verfassungswidrig erklärt hat.
Die bisherige Regelung im Landesmediengesetz, wonach im zweiten Wahlgang die einfache Mehrheit im Parlament ausreicht, öffne dem Missbrauch politischer Macht Tür und Tor. Und die Regierungsfraktionen von CDU und FDP hätten mit ihrem bisherigen Verhalten bei der Neubesetzung der LfK-Spitze auch ungeniert gezeigt, dass sie keinerlei Hemmung haben, dieses Wahlverfahren zur Durchsetzung politischer Machtansprüche bei der Stellenbesetzung zu missbrauchen.
Drexler: „Mit diesem Machtmissbrauch haben die Regierungsfraktionen Hand in Hand mit der Landesregierung die Unabhängigkeit der Medienanstalt mit Füßen getreten.“
Machtmissbrauch statt Konsenssuche
Für die SPD-Fraktion sei es ein nicht hinnehmbarer Vorgang, dass CDU und FDP im Vorfeld der Wahl des LfK-Präsidenten unmissverständlich zum Ausdruck gebracht haben, dass sie nicht bereit sind und nicht einmal den Versuch unternehmen wollten, mit den anderen Fraktionen zu einem Konsens zu kommen, um so die im ersten Wahlgang erforderliche Zweidrittelmehrheit zu erreichen. CDU-Fraktionschef Oettinger habe vielmehr unmittelbar nach dem Ende der Ausschreibungsfrist öffentlich erklärt, dass seine Fraktion auf jeden Fall Regierungssprecher Veit Steinle als Nachfolger für den ausscheidenden LfK-Präsidenten Thomas Hirschle wählen werde und über andere Personen nicht mit sich reden lasse (falls sich die SPD „ziere“, Steinle mitzuwählen, genüge bei einer erneuten Abstimmung ja die einfache Mehrheit, so Oettinger).
CDU und FDP hätten es sogar abgelehnt, die Bewerber um den Präsidentenposten im Ständigen Ausschuss des Landtages zu befragen. Und die CDU-Vertreter haben bei der Beratung des Gesetzesantrages der SPD sogar ausdrücklich infrage gestellt, ob der im Landesmediengesetz vorgesehene erste Wahlgang mit Zweidrittelmehrheit überhaupt zwingend erforderlich ist. Sie wollten nicht ausschließen, dass auf den ersten Wahlgang mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit ganz verzichtet und ihr Kandidat im Parlament gleich mit einfacher Mehrheit durchgeboxt werden könne, wenn zum Zeitpunkt dieser Neuwahl das Ende der Amtszeit des jetzigen LfK-Präsidenten bereits mehr als einen Monat zurückliegt.
In § 36 Absatz 1 des Landesmediengesetzes heißt es:
„Der Vorsitzende, der stellvertretende Vorsitzende, die weiteren ehrenamtlichen Mitglieder des Vorstands und für jedes ehrenamtliche Mitglied ein Stellvertreter, werden vom Landtag mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder gewählt. Der Vorsitzende wird aus dem Kreis der Bewerber auf eine öffentliche Ausschreibung der Stelle im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg gewählt.
Kommt bis spätestens einen Monat nach Ablauf der Amtszeit des bisherigen Vorstands die nach Satz 1 erforderliche Mehrheit für die Wahl aller Mitglieder des Vorstands und ihrer Stellvertreter nicht zustande, werden diese aufgrund von Wahlvorschlägen der Fraktionen im Wege der Verhältniswahl nach dem Höchstzahlverfahren (d’Hondt) gewählt.“
Wolfgang Drexler und Frieder Birzele: „Die im Gesetz für den ersten Wahlgang vorgeschriebene Zweidrittelmehrheit bei der Wahl der Mitglieder des LfK-Vorstandes setzt die Fraktionen des Landtags aus guten verfassungsrechtlichen und medienpolitischen Gründen unter Einigungszwang. Dieser heilsame Zwang zum Konsens soll die Unabhängigkeit und die Staatsferne dieser Medienanstalt gewährleisten. Wenn aber dieser Einigungszwang aus Machtinteressen zum Spielball von Mehrheitsfraktionen wird, dann ist die Presse- und Rundfunkfreiheit in Gefahr.“
Bestätigt sieht sich die SPD-Fraktion in dieser Auffassung auch durch den Präsidenten der bayerischen Landesmedienanstalt, Wolf-Dieter Ring, der bundesweit als herausragender Medienrechtler gilt. Auch er vertritt wie die SPD eindeutig die Auffassung, dass sich der Grundsatz der Staatsferne im Wahlverfahren widerspiegeln muss. Die Wahl sollte deshalb nur mit Zweidrittelmehrheit im Landtag möglich sein, oder wie in Bayern, durch den Medienrat der Landesmedienanstalt erfolgen.
Neuausschreibung des Präsidentenpostens endet morgen
Nach zahlreichen Pannen endet am morgigen Mittwoch, 15. September, um 12:00 Uhr das neuerliche Ausschreibungsverfahren für den Posten des LfK-Präsidenten. Erstmals wurde diese Position am 15.03.2004 im Staatsanzeiger ausgeschrieben, wobei zu diesem Zeitpunkt alle damit rechneten, dass Amtsinhaber Thomas Hirschle wieder kandidieren werde. Dass er entgegen dieser allgemeinen Erwartung doch nicht wieder antreten werde, hat Hirschle am 30.03.2004 öffentlich erklärt.
Anfang Mai d. J. hat CDU-Fraktionschef Oettinger Regierungssprecher Veit Steinle zum Kandidaten der CDU für den Präsidentenposten erklärt, was in der Folgezeit heftige Proteste bei der Belegschaft der LfK, beim LfK-Medienrat, bei Mediensachverständigen und bei zahlreichen privaten Rundfunk- und Fernsehsendern auslöste. Die SPD-Landtagsfraktion hat sich Mitte Juni nach einer internen Anhörung aller drei Bewerber für den bisherigen LfK-Vizepräsidenten Frank Scherer ausgesprochen, der bundesweit einen hervorragenden Ruf als Medienfachmann genießt. Auch die Beschäftigten der LfK, der Medienrat und zahlreiche Medienunternehmer sprachen sich öffentlich für Scherer aus.
Ende Juni 2004 wurde die vorgesehene Wahl des LfK-Vorstandes im Landtag von CDU und FDP wegen einer peinlichen Panne (fehlende Dokumente beim Kandidaten Steinle) in letzter Minute abgesetzt.
Unter Druck: Keine „Lex Steinle“
Kurz darauf wurde ruchbar, dass die CDU mit einer „Lex Steinle“ das Landesmediengesetz so ändern wollte, dass die nach dem Landesmediengesetz bisher fehlende beamtenrechtliche Zulassungsvoraussetzung bei Veit Steinle umgangen und der Regierungssprecher auch ohne Einschaltung des Landespersonalausschusses zum LfK-Präsidenten gewählt werden könnte. Diese Absicht musste die CDU-Fraktion jedoch wieder aufgeben, da sie im Umfeld der heftigen öffentlichen Diskussionen um die hoch dotierten Versorgungsposten für Exminister eine weitere Debatte über Pfründewirtschaft fürchtete „wie der Teufel das Weihwasser“.
Haben CDU und FDP aus dem peinlichen Schauspiel gelernt?
Wolfgang Drexler und Frieder Birzele forderten die Fraktionen von CDU und FDP sowie die Landesregierung vor diesem Hintergrund auf, bei der Auswahl des Kandidaten/der Kandidatin für das Amt des LfK-Präsidenten ausschließlich fachliche Kriterien anzulegen. Der künftige LfK-Präsident müsse über genügend Führungserfahrung verfügen, die Medienlandschaft sehr gut kennen und klare Vorstellungen über die künftige Arbeit der Medienanstalt haben. „Gerade in einer Zeit des Umbruchs der privaten Medienlandschaft ist ein ausgewiesener Fachmann an der Spitze der LfK mehr denn je gefragt“, so Wolfgang Drexler und Frieder Birzele.
CDU, FDP und die Landesregierung hätten sich im bisherigen Besetzungsverfahren bis auf die Knochen blamiert und damit auch den Medienstandort Baden-Württemberg bundesweit der Lächerlichkeit preisgegeben.
„Jetzt wird sich zeigen, ob sie aus diesem peinlichen Schauspiel wenigstens im Hinblick auf die Auswahl der Kandidaten gelernt haben. Das sture Nein von CDU, FDP und Landesregierung zur Änderung des Landesmediengesetzes lässt allerdings nichts Gutes hoffen.“