Wolfgang Drexler: “Das reiche Baden-Württemberg hat bei der Kinderbetreuung noch immer die rote Laterne – das muss endlich anders werden”

Schlechte Unterrichtsversorgung zu Schuljahresbeginn – viel zu wenig Ganztagesschulen

Aufklärung über Ermittlungspannen gefordert

Die SPD-Landtagsfraktion übt massiv Kritik an der desolaten Situation der Kinderbetreu-ung, insbesondere der Ganztagesbetreuung in Baden-Württemberg. Es sei ein „Armutszeugnis“ für ein so reiches Land wie Baden-Württemberg, dass es bei der Kinderbetreuung im Vergleich der Bundesländer nach wie vor die rote Laterne trägt, sagte SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler zum Abschluss der Klausurtagung seiner Fraktion in Friedrichshafen. Auch die Unterrichtsversorgung an den Schulen im Lande sei alles andere als rosig, die Zahl der Ganztagsschulen auf kläglich niedrigem Niveau. Drexler warf der Landesregierung zudem vor, sie sei immer noch nicht bereit, aus der Pisa-Studie die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und so schnell wie möglich mit einer verpflichten-den Sprachförderung schon im Kindergarten zu beginnen.

Auch bei der inneren Sicherheit, insbesondere bei der Polizeidichte im Land, sieht die SPD-Landtagsfraktion erhebliche Versäumnisse der Landesregierung. Nicht zuletzt auch die wachsenden Aufgaben im Bereich der Terrorismusbekämpfung machten eine personelle Aufstockung der Polizei unumgänglich, so Drexler.

Die SPD-Landtagsfraktion war von Montag, 9. September bis Donnerstag, 12. September zu ihrer traditionellen Herbstklausur in Friedrichshafen zusammengekommen. Im Mittelpunkt standen diesmal der Ausbau der Kinderbetreuung und der Ganztageseinrichtungen im Land, die Forderung nach einer besseren Unterrichtsversorgung, aber auch Fragen der inneren Sicherheit im Zusammenhang mit dem 11. September. Darüber hinaus haben sich die Abgeordneten der Fraktion bei zahlreichen Vor-Ort-Aktionen in der Region z. B. mit Fragen der Messeförderung, der Technologiepolitik, der Tourismusförderung, der Zukunft der Schulen, der Grundlagenforschung und mit Fragen des Nahverkehrs in der Region Bodensee-Oberschwaben befasst.

Baden-Württemberg Schlusslicht bei der Kinderbetreuung

Trotz schwieriger finanzieller Rahmenbedingungen will die SPD-Landtagsfraktion jährlich 90 Mio. Euro zusätzlich für den Ausbau der Kinderbetreuungsangebote ausgeben, finanziert durch Zinsersparnisse aus dem Verkauf von Landesbeteiligungen und der Auflösung der Landesstiftung. Innerhalb von drei Jahren sollen so 35.000 neue Betreuungsplätze im Land geschaffen werden für Kinder bis zu 14 Jahren. Der von Ministerpräsident Teufel zu verantwortende jahrelange Stillstand beim Ausbau der Kinderbetreuungsangebote könne nur durch ein massives finanzielles Engagement des Landes überwunden werden, so Drexler. Vor diesem Hintergrund sei es ein Skandal, dass sich das Land in der Vereinba-rung mit den kommunalen Landesverbänden auf einen Schlag aus der Verantwortung für die Kinderbetreuungseinrichtungen im Land davon gestohlen habe.

Drexler: „Der Ausbau der Kinderbetreuung und der Ganztagesangebote wird nun auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben. Und dort, wo sich Kommunen stärker engagieren wollen, sollen nach dem Willen der Landesregierung die Eltern diesen Ausbau selber bezahlen. Eine solche Politik ist verantwortungslos und familienfeindlich, weil sie den Familien noch mehr Kosten für die Kinderbetreuung aufbürdet.“

Drexler wies darauf hin, dass es in Baden-Württemberg nach der aktuellsten bundesweiten Vergleichsstatistik für je 1000 Kinder im Alter bis zu drei Jahren, aber auch für Schulkinder nur halb so viele Betreuungsplätze gibt wie im Durchschnitt der alten Bundesländer. Eindeutig Schlusslicht sei Baden-Württemberg auch bei den Ganztagsplätzen im Kindergartenbereich mit einem Anteil von 4,3 Prozent im Vergleich zu 19 Prozent bei den alten Bundesländern.
Drexler forderte Regierungschef Teufel auf, unabhängig von der Frage der Kommunalisierung der Kindergärten, also der Übertragung der Zuständigkeiten vom Land auf die Kommunen, den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen finanziell massiv zu unterstützen, so wie dies die SPD-Fraktion in ihrem Gesetzentwurf vorgeschlagen habe.

Sprachförderung im Kindergarten

Gerade die Pisa-Studie hat nach den Worten von Wolfgang Drexler gezeigt, dass die Kindergärten einen eigenständigen Bildungsauftrag brauchen. Insbesondere die Förderung der Sprachkompetenz müsse angesichts der verheerenden Pisa-Ergebnisse rasch und verbindlich beginnen. Die SPD will deshalb Sprachförderung schon vom ersten Kindergartentag an und hat dafür in ihrem Gesetzentwurf zur Kindertagesbetreuung die notwendigen rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen geschaffen. Über die individuelle Sprachförderung hinaus fordert die SPD-Fraktion eine für alle Fünfjährigen verpflichtend vorgeschriebene Sprachstandsdiagnose, die die Grundlage bieten soll für die weitere Sprachförderung im letzten Kindergartenjahr und dann in der Grundschule.

Drexler: „Wir wollen, dass alle Kinder mit Hilfe der Sprachförderung im Kindergarten und in der Grundschule spätestens zum Ende des ersten Schuljahres die notwendige Sprachkompetenz besitzen, um erfolgreich am Unterricht teilnehmen zu können.“

Die Landesregierung dagegen sei nicht bereit, sich dieser Herausforderung zu stellen und dafür auch die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Statt schnell zu handeln, schiebe Kultusministerin Schavan diese Aufgabe auf die lange Bank und drücke sich um die Frage, ob und wie viel Geld die Landesregierung dafür auszugeben bereit ist.

Ganztagsschulen – Unterrichtsversorgung

Die SPD-Landtagsfraktion fordert die Landesregierung auf, die Förderzusage der Bundesregierung zum Auf- und Ausbau von Ganztageschulen in Baden-Württemberg in Höhe von 526 Mio. Euro in den nächsten fünf Jahren mit eigenen finanziellen Anstrengungen zu verbinden. Auch bei den Ganztagesschulen, so Drexler, habe Baden-Württemberg einen riesigen Nachholbedarf. Aufgrund ideologischer Scheuklappen weigere sich die Landesregierung noch immer, das Angebot von Ganztagesschulen bedarfsgerecht auszubauen. Die SPD dagegen fordert den flächendeckenden Ausbau und will, dass innerhalb dieser Legislaturperiode Jahr für Jahr 100 zusätzliche Ganztagesschulen eingerichtet werden. Dies sei aus bildungspolitischen Gründen unabdingbar, um unterschiedliche Begabungen von Kindern besser fördern, aber auch, um Berufs- und Erziehungsarbeit besser vereinbaren zu können.

Wie beim Ausbau der Ganztagesschulen gebe es auch bei der Unterrichtsversorgung riesige Defizite und Versäumnisse bei der Landesregierung, sagte Drexler. Mit geschönten Zahlen versuche die Kultusministerin darüber hinwegzutäuschen, dass zum Schuljahresbeginn die Klassen wieder größer geworden seien und auch der Unterrichtsausfall deutlich zunehmen wird. Besonders problematisch sei die Situation an den rund 2700 Grund- und Hauptschulen im Land, für die es lediglich 185 neue Stellen gebe.

Auf der Klausurtagung der SPD-Fraktion in Friedrichshafen berichteten die Abgeordneten aus nahezu allen Wahlkreisen über massive Elternproteste: viel zu große Klassen, Unterrichtsausfall, besonders dramatisch an den beruflichen Schulen, Wegfall von Ergänzungsunterricht! Schon zu Schuljahresbeginn, so das Fazit der Abgeordneten, häuften sich die Klagen von Eltern über eine völlige unzureichende Unterrichtsversorgung.

Innere Sicherheit – die Konsequenzen aus der Ermittlungspanne

In Friedrichshafen hat sich die SPD-Fraktion auch mit Fragen der Inneren Sicherheit und der Situation der Terrorbekämpfung beschäftigt. Nach Ansicht der SPD-Fraktion sind die Sicherheitsbehörden im Land angesichts der schwierigen Herausforderungen personell völlig unterbesetzt und technisch nicht auf dem neuesten Stand. Allein bei der Polizeidichte etwa rangiere das reiche Baden-Württemberg nach wie vor im unteren Drittel aller Bundesländer. Für Fraktionschef Drexler ist es ein untragbarer Zustand, dass Innenmi-nister Schäuble (CDU) und Justizminister Goll (FDP) bei jedem sich bietenden Anlass nach schärferen Gesetzen rufen, obwohl Polizei und Justiz aufgrund ihrer personellen Unterbesetzung noch nicht einmal in der Lage seien, die geltenden Gesetze konsequent anzuwenden. Jüngstes Beispiel dafür seien die offenkundigen Schlampereien und Ermittlungspannen im Zusammenhang mit der Festnahme des mutmaßlichen Walldorfer Terroristenpaares. Bis zur Stunde sei nicht geklärt, warum der jetzt Verhaftete nicht bereits 1999 ausgewiesen wurde, obwohl dafür die rechtlichen Voraussetzungen vorlagen. Und völlig ungeklärt sei auch die Frage, warum trotz klarer Hinweise auf die möglichen Ter-rorakte dieses Paares die Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg Wochen gebraucht haben, um endlich einzuschreiten.

SPD-Fraktionschef Drexler forderte die verantwortlichen Landesminister Schäuble und Goll auf, diese Panne schonungslos aufzuklären und daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, werde die SPD-Fraktion im Landtag dazu einen entsprechenden Parlamentsantrag einbringen, kündigte Drexler an.

Drexler: „Ministerpräsident Teufel reist mit viel Trara nach Frankfurt und München, um sich mit den ihm politisch nahestehenden Ministerpräsidenten über ein gemeinsames Vorgehen bei der Terrorbekämpfung zu verständigen. Es wäre besser, der Ministerpräsident würde erst einmal zu Hause für Ordnung sorgen und hier die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten zur Terrorkämpfung konsequent genutzt werden.“

Die SPD-Fraktion erneuerte ihre Forderung an die Landesregierung, die Polizei personell und technisch besser auszustatten. Sie will, dass in dieser Legislaturperiode 1600 neue Stellen bei der Polizei geschaffen werden und auch die technische Ausrüstung so rasch wie möglich verbessert wird.

Helmut Zorell

Pressesprecher