Wolfgang Drexler: „Länger als er hat kein anderer Ministerpräsident in Baden-Württemberg stagniert. Trotzdem: Herzlichen Glückwunsch, Herr Teufel“

SPD-Glückwunsch-Plakat und Postkarten zum Jubiläum

Am gestrigen Pfingstmontag hat Ministerpräsident Erwin Teufel die Amtszeiten aller seiner Vorgänger übertroffen und damit einen neuen Rekord für Baden-Württemberg aufgestellt. Das ist Spitze, findet auch die SPD- Landtagsfraktion und anerkennt diese Leistung ausdrücklich und neidlos. Aus Respekt für diese Leistung hat die SPD Erwin Teufel nun – nachdem er schon den von der SPD ihm zum 10-jährigen Amtsjubiläum angebotenen Schaukelstuhl brüsk zurückgewiesen hatte – eigens ein Image-Plakat gewidmet. In Anknüpfung an die Imagekampagne des Landes ‚Wir können Alles. Außer Hochdeutsch’ heißt der Slogan auf dem Erwin Teufel zugedachten Glückwunsch-Plakat: „Ich kann alles. Außer aufhören. Trotzdem: Herzlichen Glückwunsch, Herr Teufel.“

SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler ist sich sicher, dass diese Image-Werbung den Nagel auf den Kopf trifft. Gleichwohl hofft er natürlich, „dass uns Erwin Teufel Lügen straft, das Regierungszepter doch noch beizeiten aus der Hand gibt und wir dann unser Erwin-Teufel-Gedächtnis-Plakat womöglich bald wieder einstampfen müssen.“

Schließlich hatte Teufel höchstselbst, als er nach dem Sturz von Lothar Späth ins Amt kam, Journalisten gegenüber offenherzig mitgeteilt, zehn Jahre seien für einen Ministerpräsidenten genug. Danach sei man zwangsläufig verbraucht und bringe nichts Gescheites mehr hin. Auf dem Teufel-Rekord-Plakat der SPD finden sich deshalb auch tröstende Worte: „Länger als er hat kein anderer Ministerpräsident in Baden-Württemberg stagniert.“ Aber: „Wenigstens sind unsere Bürger während der vergangenen 4521 Tage flexibel und dynamisch geblieben“. Herzlichen Glückwunsch also, Herr Teufel!

4521 Tage als Regierungschef sich im Sessel zu halten, ist gewiss ein Verdienst, findet Wolfgang Drexler. Zumal der Ministerpräsident, inzwischen 63 Jahre alt, bei der letzten Kabinettsumbildung zweien seiner Kabinettskollegen den Laufpass gab, weil sie mit damals 60 Jahren für Teufel zu alt waren. „Als Primus inter pares gelten für einen wie Erwin Teufel andere Maßstäbe. Einer wie er lässt sich nicht aus dem Amt drängen. Herzlichen Glückwunsch, Herr Teufel.“

Natürlich entbehrt es nicht einer gewissen Pikanterie, dass Erwin Teufels Rekordtag just auf den Pfingstmontag fällt. „Da werden Erinnerungen wach…“, sinniert der SPD-Fraktionschef und erinnert sich daran, dass Teufel seinerzeit als einziger Ministerpräsident weit und breit partout den Pfingstmontag der Pflegeversicherung opfern wollte.

Sturheit als Markenzeichen! Ist Erwin Teufel manchmal festgefahren, unflexibel? fragte Sonntag Aktuell im Juni 2001 CDU-Fraktionschef Oettinger. Dessen charmante Antwort will sich die SPD-Fraktion gerne zu Eigen machen: „Politik ist ein Arbeitsablauf, der aus Überzeugung, Grundposition und aus flexibler Reaktionsfähigkeit bestehen muss. Die Arbeit von Erwin Teufel ist sicherlich stark durch Überzeugungen und Grundpositionen geprägt.“

Gewiss könnte man auch an Teufels Grundpositionen und Überzeugungen herumkritteln, fügte Drexler an. Man könnte z.B. erinnern an einige der jüngeren Skandale während Teufels langer Amtszeit, von der Stammtisch- bis zur Schaufler-Affäre, von der Honorar- bis zur Flugaffäre, vom Atomskandal bis zur FlowTex-Affäre. An diese Schattenseiten der Teufelschen Regentschaft wolle man aber an einem Jubeltag wie heute gerade nicht erinnern, sagt der SPD-Fraktionschef. Auch nicht an Teufels bisher schlimmste Schlappe, als er im Juni 1996 die Wiederwahl zum Ministerpräsidenten im ersten Wahlgang glatt verfehlte.

Auch die Gala-Show zum 60. Geburtstag Teufels beim inzwischen pleite gegangenen Erwin-TV soll hier nicht erneut aufgewärmt werden, so wenig wie der Aufschrei der Frisör-Innung im Land, als sich Erwin Teufel im Mai 2000 die Haare doch tatsächlich hennarot färben ließ, oder dann, einen Monat später – Teufel war inzwischen auch haarmäßig wieder ganz der Alte – als er sich beim damaligen EnBW-Chef Goll schriftlich das „n“ im neuen Firmen-Logo als „Verballhornung“ verbat. Erwin Teufel, ein Regierungschef, der sich stets auch um Kleinigkeiten kümmert, und sei es auch nur ein kleines „n“…

Schade nur, dass Erwin Teufel als oberster Repräsentant eines Landes mit überaus dynamischen und weltoffenen Menschen trotz seiner langen Regentschaft nie so ganz den Sprung ins bundesweite Rampenlicht geschafft hat. Dass die Schauspielerin Susanne Uhlen in Pilawas „Star Quiz“ unseren ihr unbekannten Erwin Teufel fälschlicherweise als Fußballer einstufte, mag ja noch angehen. Dass aber einer wie Günther Jauch in seiner Millionärsshow ungestraft fragen darf, ob Erwin Teufel („der baden-württembergische Ministerpräsident“) ein gebürtiger Dackel ist, das geht nach Ansicht der SPD eindeutig zu weit.
Wolfgang Drexler: „Erwin Teufel mag ja fernsehmäßig nicht so ganz der große Renner sein, aber ein bisschen mehr Respekt für unseren Landesvater würden wir uns schon wünschen. Solche TV-Albernheiten à la Pilawa und Jauch sind nicht nur ein Schlag ins Kontor unseres Jubilars, nein, sie sind auch ein Stich ins Herzen eines und einer jeden in Baden-Württemberg, zumal wir wirklich alles können – außer einige vielleicht Hochdeutsch.“

„Nicht alle Württemberger werden mit der Zeit besser“
Zum Amtszeitrekord von Ministerpräsident Teufel hat die SPD-Landtagsfraktion neben dem Glückwunsch-Plakat in geringer Auflage auch noch drei Postkarten-Motive erstellen lassen. Eine dieser Collagen zeigt Erwin Teufel in edlem Outfit vor einem stilvollen Regal voller Rotweinflaschen. Dazu der Text: „Nicht alle Württemberger werden mit der Zeit besser.“ Und in der Unterzeile: „4521 Tage Erwin Teufel sind genug. Trotzdem: Herzlichen Glückwunsch, Herr Teufel.“

Auf einem zweiten Postkartenmotiv ist ein ziemlich ausgefranster Besen zu sehen, dazu der Text: „Nach 646 Kehrwochen darf man sich ruhig mal einen neuen leisten.“

Die dritte Postkarte schließlich ziert ein Dinosaurier unter der Schlagzeile: „Nicht alles, was lange währt, wird endlich gut!“ Diese Postkarte weckt über den aktuellen Anlass hinaus leise Erinnerungen an Teufels bisher peinlichsten Titel, die nicht eben schmeichelhafte Verleihung des „Dinosaurier des Jahres 1999“ durch den Naturschutzbund.

Baden-Württemberg fällt zurück
Die augenzwinkernde „Image-Werbung“ der SPD zu Erwin Teufels Amtsrekord darf nach den Worten von Wolfgang Drexler nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit Sturheit und Ausdauer allein die Zukunftsfähigkeit des Landes nicht gesichert werden kann. „4521 Tage sind eigentlich genug. Baden-Württemberg hätte es verdient, dass es nicht länger unter seinen Möglichkeiten regiert wird.“
Die Wirtschaft im Land stagniert. Im Bundesländervergleich ist Baden-Württemberg inzwischen auf einen der hintersten Plätze abgerutscht und die Entwicklung der Arbeitslosigkeit verläuft seit langem deutlich negativer als im Bundestrend. Die Bauwirtschaft im Land und mit ihr große Teile des Handwerks und des Mittelstandes klagen über fehlende Aufträge, doch die Landesregierung streicht ihr ohnehin klägliches Wohnungsbauprogramm immer weiter zusammen.
Im Bundesrat blockiert Erwin Teufel aus rein parteitaktischen Gründen den Abbau von Steuervergünstigungen, obwohl dem Land deswegen rund 1,6 Mrd. € und den Kommunen weitere 900 Mio. € verloren gehen. Gleichzeitig treibt Erwin Teufel die Verschuldung im Landeshaushalt auf eine neue Rekordmarke. Zusätzliche Lasten will Teufel den Kommunen auch noch bei der Gemeindefinanzreform aufbürden.

Drexler: „Aus Anlass von Teufels Amtszeitrekord darf die Kehrseite der Medaille nicht verschwiegen werden: Eine unsolide Haushaltspolitik, eine unsinnige Landesstiftung, Neue Steuerungsinstrumente als Millionengrab, Kürzungen mit dem Rasenmäher, Kahlschlag im Sozialbereich, sozial ungerechte Einschnitte im Öffentlichen Dienst – aber Ministerpensionen de Luxe für Teufels Kabinett.“
Auch der Stillstand bei der Kinderbetreuung und beim Ausbau der Ganztagesschulen geht auf Teufels Amtszeit-Konto. Baden-Württemberg ist bundesweit Schlusslicht und verspielt damit Zukunftschancen auf einem der wichtigsten Politikfelder. Und Teufel schaut zu, wie seine Kultusministerin auf dem Rücken von Kindern, Eltern und Lehrern immer neue Bildungsbaustellen eröffnet: arrogant, von oben herab, unfähig zum Dialog mit den Betroffenen. Teufel wie Schavan verschließen zudem die Augen vor den notwendigen Konsequenzen aus den Ergebnissen der PISA- und IGLU-Studie. Sie beharren auf früher Selektion, Chancengerechtigkeit durch längeres gemeinsames Lernen wird zum Tabu erklärt. Erwin Teufel als oberster Besitzstandswahrer im Land!

Als Pyrrhussieg – für das Land – wird sich nach den Worten von Wolfgang Drexler auch Teufels Verwaltungsreformmodell entpuppen. Unter dem Druck der SPD-Vorschläge und quasi über Nacht habe Teufel ein Landräte-Modell kreiert, dem die Geburtsfehler deutlich auf die Stirn geschrieben sind: Das Land will sich zu Lasten der Kommunen sanieren, keine einzige Verwaltungsebene wird eingespart, Ämter werden zerschlagen andere aufgebläht, und die Polizei wird ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Sicherheitsdefizite den Kreisen einverleibt.

…und er lässt mich jeden Tag an Sie denken, lieber Helmut Kohl
Bei der Verleihung der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg an Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl am 22. Oktober 1999 in Schwetzingen hat Erwin Teufel an das „erste Geschenk“ erinnert, das ihm Kohl einst gemacht habe, den „Pfälzer Löwen“. Bis zum heutigen Tag stehe dieser Löwe auf seinem Schreibtisch, so Teufel in seiner Laudatio, „und er lässt mich jeden Tag an Sie denken, lieber Helmut Kohl“.

Wolfgang Drexler: „Wir wünschen uns, dass Erwin Teufel aus Anlass seines Amtszeitrekordes ernsthaft über die negativen Seiten langer Amtszeiten für das Land nachdenkt. Der tägliche Gedanke an Helmut Kohl könnte dabei durchaus hilfreich sein.“

Helmut Zorell
Pressesprecher