Bildungspublizist Otto Herz: „Wir haben eine falsche Schul-Kultur in einer falschen Schul-Struktur“

Wolfgang Drexler MdL: „PISA und IGLU haben bewiesen, dass wir längere gemeinsame Lernzeiten brauchen“

Ute Vogt MdB: „Eltern müssen Beteiligte an der Schule werden und dürfen nicht weiter Betroffene der Schulpolitik sein“

Über 250 Elternbeiräte aus ganz Baden-Württemberg plädierten am Samstag beim tradi-tionellen Elterntag der SPD-Landtagsfraktion zusammen mit Fachexperten für ein neues Miteinander von Eltern und Schule. Kultusministerin Schavan wurde vorgeworfen, sie trete bei ihren bildungspolitischen Entscheidungen den Willen der Eltern und des Lande-selternbeirats mit Füßen.

Als jüngstes Beispiel führte der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Wolfgang Drexler, die Einführung des achtjährigen Gymnasiums zum Schuljahr 2004/05 an. Die Landesregierung wolle – entgegen aller Ratschläge von Eltern und Fachleuten – nun im „Hau-Ruck-Verfahren“ dieses Prestige-Objekt der Ministerin durchziehen, obwohl noch nicht einmal alle Lehrpläne dafür vorhanden seien. Viel Beifall erntete SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler für seine Forderung, Kinder und Jugendliche endlich länger gemeinsam lernen zu lassen und die Bildungswege in Baden-Württemberg neu zu ordnen. Mehr Ganztagsschulen sowie eine sechsjährige Grundschule mit anschließendem zweigliedrigem Schulsystem sei eine wichtige Konsequenz aus den Ergebnissen der PISA- und IGLU-Studie.
Die SPD-Landesvorsitzende Ute Vogt, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, sagte, Kultusministerin Schavan fehle der Mut, die Schulstruktur zu ver-ändern sowie Eltern mehr Mitsprache und Schulen mehr Autonomie zu geben. „Eltern müssen zu Beteiligten an der Schule werden und dürfen nicht Betroffene der Schulpolitik bleiben. Wir brauchen eine neue Art der Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Schule, Eltern, Schülern, Lehrkräften und Kultusverwaltung.“

Unterstützung erhielt die SPD in ihren Forderungen vom Bildungsexperten und Publizisten Otto Herz. In seinem Vortrag brandmarkte er die Hauptprobleme des deutschen Bildungswesens und resümierte: „Wir haben eine falsche Schul-Kultur in einer falschen Schul-Struktur“. Er schlug eine Abkehr von der bisherigen Schulpolitik in Baden-Württemberg vor und plädierte für eine neue Partnerschaft aller an der Schule Beteiligten. Dazu zählen seiner Meinung nach neben der Schulleitung vor allem gut ausgebildeten Pädagogen, Schülerinnen und Schüler, die sachkompetenten Bürger der jeweiligen Gemeinde und auch die Eltern als einzig wahre Experten für ihr jeweiliges Kind. Otto Herz: „Schule ist eine gemeinsame Sache, nicht das Besserwissen einer Gruppe, vor allem nicht der Ministerialgruppe.
Auch die Vorsitzende des Landeselternbeirats Elke Picker betonte die Rolle der Elternmitwirkung. „Der gemeinsame Erziehungsauftrag für eine zukunftsfähige Schule braucht pflichtbewusste Eltern“, so Elke Picker in ihrem Vortrag beim Elterntag der SPD-Landtagsfraktion. Aktive Eltern seien für die Schulentwicklung vor Ort unentbehrlich. Aber auch auf Landesebene bedürfe es mehr denn je einer starken Elternvertretung, die Schulpolitik in Baden-Württemberg aus unabhängiger Position heraus kritisch begleitet.
Mit ihrer Forderung nach besserer finanzieller Ausstattung des Landeselternbeirats rannte Elke Picker bei der SPD-Landtagsfraktion offene Türen ein. Schon lange fordert die SPD im Landtag, den Landeselternbeirat in einem Maße finanziell zu fördern, dass er ohne Not seinen Aufgaben nachkommen kann. Auch andere Einrichtungen, die die Schulung von Eltern zum Ziel haben, sollten nach Ansicht der SPD besser vom Land gefördert werden.

Auf großes Interesse stieß bei den Teilnehmern des Elterntags das Praxisbeispiel der Grund- und Haupt- mit Werkrealschule Amtzell, die den neuen Status einer Versuchsschule als ländliche Regionalschule erhalten hat und in Kürze realschulspezifischen Un-terricht samt Abschlussprüfungen anbietet. Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Norbert Zeller wertete dies als wichtige Station im Hinblick auf die von der SPD geforderte generelle Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen. Amtzell werde bald ein gefragter Walfahrtsort für interessierte Schulleitungen, Lehrkräfte, Eltern und Politiker sein, prophezeite er.

Martin Mendler, Stellv. Pressesprecher