Landesbischof Ulrich Fischer: „Es ist ermutigend, dass SPD und Kirchenvertreter vor allem in der Bildungs- und Sozialpolitik zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommen“

SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel: „Wenn wir an einem Strang ziehen, können wir in vielen Punkten Fortschritte erzielen“

Die SPD-Fraktion ist sich mit den beiden evangelischen Landeskirchen Baden und Württemberg in vielen gesellschaftspolitischen Bereichen weitgehend einig. Dies zeigte sich jetzt bei einem Besuch der beiden Landesbischöfe Frank Otfried July (Landeskirche Württemberg) und Ulrich Fischer (Landeskirche Baden) zusammen mit den Leitungsgremien der Landeskirchen bei einer Sitzung der SPD-Abgeordneten im Landtag von Baden-Württemberg. „Wenn wir an einem Strang ziehen, können wir in vielen Punkten Fortschritte erzielen“, sagte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel.

Ziel: möglichst hohes Maß an Bildungsgerechtigkeit
In der Bildungspolitik basierte das Gespräch auf der Erklärung beider Kirchen zur Schulpolitik, Ziel der Erklärung ist, ein „möglichst hohes Maß an Bildungsgerechtigkeit und Teilhabe an der Gesellschaft zu erreichen“. Die Kirche sei gewillt, die dafür notwendigen Reformen in den eigenen Schulen „nachhaltig“ voranzubringen. Gemeint ist, den Unterricht stärker auf die Bedürfnisse der einzelnen Schüler abzustimmen, eine längere gemeinsame Lernzeit von etwa sechs Jahren einzuführen, behinderte Kinder grundsätzlich in den gemeinsamen Unterricht zu integrieren sowie neue Schulformen für die Sekundarstufe zwei zu entwickeln. Die Kirche versteht dieses Papier als „Diskussionsimpuls, um die Schullandschaft weiter zu entwickeln“, wie Christoph Scheilke von der Landeskirche Württemberg erklärte. Und: „Wir wollen uns aber auch selbst verpflichten, den vorhandenen Spielraum für Experimente auszunutzen.“

Diese Positionen wurden von der SPD geteilt. „Es gibt keinen Punkt in diesem Bildungspapier, der nicht so oder so ähnlich auch von uns stammen könnte“, sagte Frank Mentrup, bildungspolitischer Sprecher der Fraktion. Die Diskussion in den beiden Landeskirchen sei ein „enorm hilfreicher Prozess für die SPD, da Politiker angewiesen sind auf Anregungen aus den gesellschaftlichen Gruppen“.

Als Konsequenz aus diesem Einklang forderten mehrere Abgeordnete die Kirchenvertreter auf, als Träger Modelle umzusetzen, die ihrem Papier entsprechen würden. Hierbei gebe es bereits erste Ansätze. Landesbischof Fischer betonte mit Blick auf kirchliche Privatschulen, dass es wichtig sei, dass Schulstiftungen das Schuldgeld für Kinder ärmerer Familien übernehmen könnten.


Soziales: Gemeinsame Forderungen beim Heimgesetz
Beim Themenbereich Soziales betonte Fraktionssprecherin Katrin Altpeter die enge Verbundenheit von SPD und Kirchen in diesem Bereich. „Dies ist schon deshalb wichtig, da es nicht einfach ist, eine Lobby zu finden, um gleiche Lebensbedingungen für alle Menschen zu schaffen.“ Auch Landesbischof Fischer freute sich über das „hohe Maß an Übereinstimmung“ in der Sozialpolitik. Das wurde deutlich beim Thema Heimgesetz. Der württembergische Oberkirchenrat Helmut Beck bemängelte, dass dadurch zu hohe Kosten für die Träger der Heime entstünden, etwa durch die geforderte Ausstattung mit Einzelzimmern. Die Umsetzung werde dadurch kaum möglich. Altpeter sah es für richtig an, den Heimbewohnern Einzelzimmer anbieten zu können. Sie stimmte aber zu, dass damit große finanzielle Probleme für die Träger verbunden seien. Das Land müsse deshalb auf seinen Plan verzichten, die finanzielle Förderung der Heime Ende 2010 auslaufen zu lassen. „Dadurch bestünden im Übrigen auch weiterhin Gestaltungsmöglichkeiten für eine landesweit vernünftige Pflegepolitik“, sagte die Abgeordnete.

Der Oberkirchenrat verwies auch auf die steigende Zahl an Obdachlosen im Land, vor allem unter Jugendlichen und jungen Frauen. Hier bereiteten die Zuständigkeiten Probleme, da die Obdachlosen aus den Landkreisen in die Ballungsräume „vertrieben“ werden. Ursache sei die Verwaltungsreform des Landes. Auch Altpeter verwies darauf, dass gezielte Angebote für Wohnungslose in den Landkreisen häufig verloren gingen. „Es darf nicht sein, dass wir solche Schicksale einfach zur Kenntnis nehmen und abhaken.“

Nach dem mehrstündigen Gespräch waren beide Seiten sehr zufrieden mit dem Meinungsaustausch. Der badische Landesbischof Fischer sah es als ermutigend an, dass SPD und Kirchenvertreter zu ähnlichen Schlussfolgerungen kämen, obwohl beide von einem unterschiedlichen christlichen und humanistischen Menschenbild an die Fragen herangegangen seien. Die Kontakte sollen weiter gepflegt werden. Dazu wird auch Ingo Rust beitragen. Der kirchenpolitische SPD-Sprecher wurde von den Landeskirchen eingeladen zu einer prominent besetzten Zukunftswerkstatt der EKD in Kassel.


Stuttgart, 2. August 2009
Dr. Roland Peter
Pressesprecher